Normen
B-VG Art140 Abs5
EMRK Art8
FrPG §3
FrPG §6 Abs1 zweiter Satz
FrPG §8
B-VG Art140 Abs5
EMRK Art8
FrPG §3
FrPG §6 Abs1 zweiter Satz
FrPG §8
Spruch:
Der Bf. ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung darüber abgetreten, ob der Bf. durch den angefochtenen Bescheid in einem sonstigen Recht verletzt worden ist.
Kosten werden nicht zugesprochen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1.a) Die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg verhängte mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 18. August 1986 über den Bf. (einen jugoslawischen Staatsangehörigen) gemäß §3 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl. 75/1954 (FrPG) ein mit fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot. In der Folge wurde der Bf. nach Jugoslawien abgeschoben.
b) Am 10. November 1986 stellte er den Antrag, ihm gemäß §6 Abs1 zweiter Satz FrPG das Wiederbetreten des Bundesgebietes zu bewilligen. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres (BMI) vom 17. April 1987 wurde dieser Antrag abgewiesen. Der Berufungsbescheid wird im wesentlichen wie folgt begründet:
"... Wie eingangs erwähnt, besteht gegen den Berufungswerber ein rechtskräftiges Aufenthaltsverbot für die Republik Österreich. Die Tatsache der Ergreifung einer Beschwerde dagegen an den VfGH bzw. VwGH vermag zumindest vorerst nichts daran zu ändern. Bis dato ist auch über eine Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung dieser Beschwerde nichts bekannt geworden. Er hat sich also zumindest vorerst an die Bestimmung des §6 Fremdenpolizeigesetz zu halten, wonach er einerseits verpflichtet ist, das Bundesgebiet in der darin vorgesehenen Frist zu verlassen und andererseits dieses ohne Bewilligung nicht wieder zu betreten. Um Erteilung einer solchen Bewilligung hat er nun offenbar in Erkenntnis der Rechtslage formell richtig angesucht, zunächst angegeben, daß seine Familie noch in Österreich lebe, was in der Zwischenzeit nicht mehr den Tatsachen entspricht. Wie schon anläßlich der Erlassung des Aufenthaltsverbotes ausgeführt, besteht auch in Bedachtnahme auf seine familiären Verhältnisse im Hinblick auf das bisher im Bundesgebiet gesetzte Verhalten (zahlreiche Verwaltungsübertretungen, gerichtliche Verurteilung) ein wesentliches öffentliches Interesse an der Fernhaltung des Berufungswerbers vom Bundesgebiet. Er lebt nun mit seiner Familie (Gattin und Kinder) im Heimatland. Die dortigen schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse und die damit - seitens des Bundesministeriums für Inneres gar nicht bestrittenen finanziellen Schwierigkeiten des Berufungswerbers rechtfertigen jedoch nicht ein Abgehen von dieser Haltung der Behörde, dies auch nicht durch die Tatsache, daß seine Eltern seit vielen Jahren im Bundesgebiet leben.
Es hat nicht nur die nunmehr bel. Beh., sondern auch das Bundesministerium für Inneres nicht übersehen, daß der Berufungswerber ein gewisses privates und familiäres Interesse an der Wiedereinreise und Rückkehr nach Österreich hat. Sein Ziel ist zweifellos, wieder für ständig im Bundesgebiet Aufenthalt zu nehmen und nicht nur einem Besuchsbedürfnis nachzukommen, was auch der Berufungsantrag, ihm und seiner Familie die Wiedereinreise und den Aufenthalt für mindestens sechs Monate zu gewähren, beweist. Dies widerspricht jedoch dem Sinn der Erlassung von Aufenthaltsverboten überhaupt und im Fall des Berufungswerbers im besonderen. Ein Widerspruch zu den im Verfassungsrang stehenden Forderungen des Art8 MRK kann darin nicht erblickt werden.
Das Bundesministerium für Inneres hat sohin in Abwägung der vorgebrachten privaten und familiären Interessen des Berufungswerbers zu den öffentlichen Interessen zum Nachteil des Berufungswerbers entschieden."
2. Gegen diesen Berufungsbescheid des BMI wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung des durch Art8 MRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Achtung des Privat- und Familienlebens sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes (nämlich des §6 Abs1 zweiter Satz FrPG) behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, hilfsweise die Abtretung der Beschwerde an den VwGH beantragt wird.
3. Der BMI als bel. Beh. legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift. Er beantragt, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
II. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. §6 Abs1 FrPG lautet:
"Der Fremde, gegen den ein Aufenthaltsverbot erlassen worden ist, hat das Gebiet, in dem ihm der Aufenthalt verboten ist, innerhalb einer Woche nach Rechtskraft des Bescheides zu verlassen. Er darf dieses Gebiet während der Geltungsdauer des Aufenthaltsverbotes ohne Bewilligung nicht wieder betreten."
2. Der Bf. behauptet, in dem durch Art8 MRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens verletzt worden zu sein. Insbesondere macht er geltend, §6 Abs1 zweiter Satz FrPG sei aus den gleichen Gründen verfassungswidrig, wie der vom VfGH aufgehobene §3 FrPG.
3.a) Die Verweigerung der Bewilligung nach §6 Abs1 zweiter Satz FrPG, trotz eines bestehenden Aufenthaltsverbotes das Bundesgebiet zu betreten, kann in das durch Art8 MRK verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens eingreifen (vgl. zB VfSlg. 10737/85, 11218/1987). Im Hinblick auf den langjährigen Aufenthalt des Bf. im Inland und seine glaubhaften privaten Beziehungen zu in Österreich wohnhaften Personen liegt ein solcher Eingriff hier tatsächlich vor. Dieser Eingriff in das durch Art8 MRK verfassungsgesetzlich garantierte - unter Gesetzesvorbehalt stehende - Recht wäre dann verfassungswidrig, wenn der ihn verfügende Bescheid ohne jede Rechtsgrundlage ergangen wäre, auf einer dem Art8 MRK widersprechenden Rechtsvorschrift beruhte oder wenn die Behörde bei Erlassung des Bescheides eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewendet hätte; ein solcher Fall läge nur vor, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre, oder wenn sie der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen verfassungswidrigen, insbesondere einen dem Art8 Abs1 MRK widersprechenden und durch Art8 Abs2 MRK nicht gedeckten Inhalt unterstellt hätte (vgl. die ständige Rechtsprechung zu anderen, unter Gesetzesvorbehalt stehenden Grundrechten, zB VfSlg. 9720/1983, 10482/1985, 10615/1985, 11572/1987).
b) Der VfGH hat gegen §6 Abs1 zweiter Satz FrPG auch wenn er den von der bel. Beh. angenommenen Inhalt hat keine verfassungsrechtlichen Bedenken:
Während §8 FrPG die Aufhebung eines verhängten Aufenthaltsverbotes zum Gegenstand hat, sieht §6 Abs1 zweiter Satz leg.cit. die vorübergehende Sistierung der Rechtswirkungen eines solchen Verbotes vor. Die Judikatur des VfGH zu §8 FrPG (zB VfSlg. 11218/1987) ist also hier sinngemäß anzuwenden. §6 Abs1 zweiter Satz FrPG gewinnt (ebenso wie §8) seinen Inhalt nur im Zusammenhalt mit §3 FrPG über das Aufenthaltsverbot. Maßgebend ist die Fassung zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides, also jene nach der FrPG-Nov. 1986, BGBl. 555. §3 FrPG idF der Nov. wurde mit hg. Erkenntnis vom 29. September 1987 G138-141/87 = VfSlg. 11455/1987, als verfassungswidrig aufgehoben; der VfGH verfügte jedoch, daß diese Aufhebung erst mit Ablauf des 31. Dezember 1987 in Kraft tritt. §3 FrPG idF dieser Nov. 1986 ist aufgrund dieses Erkenntnisses verfassungsrechtlich unangreifbar geworden; diese Bestimmung kann daher jedenfalls bis zum Außerkrafttreten des §3 FrPG idF der Nov. 1986 innerstaatlich nicht in Widerspruch zu dem auf Verfassungsstufe befindlichen Art8 MRK stehen (vgl. VfSlg. 11218/1987). Damit aber war auch §6 Abs1 zweiter Satz FrPG vorerst verfassungsrechtlich saniert.
c) Der VfGH hat unter dem Gesichtspunkt dieses Beschwerdefalles also nicht das Bedenken, daß §6 Abs1 zweiter Satz FrPG verfassungswidrig ist.
Der Bf. könnte mithin im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens nur durch eine denkunmögliche Gesetzeshandhabung verletzt worden sein.
Dies ist nicht der Fall: Die Behörde hat dem Gesetz keinen verfassungswidrigen Inhalt unterstellt. Sie hat - wie sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten ergibt - eine zumindest vertretbare Abwägung zwischen den Interessen des Bf. an der Einreise nach Österreich und den öffentlichen Interessen daran, daß er das Bundesgebiet nicht wiederbetritt, vorgenommen. Wenn die Behörde von der Ansicht ausgeht, daß ein auf §6 Abs1 zweiter Satz FrPG gestützter Antrag auf Bewilligung zum Wiederbetreten des Bundesgebietes kein geeigneter Weg ist, um trotz eines Aufenthaltsverbotes wieder für ständig nach Österreich zurückkehren zu dürfen, hat sie im Hinblick auf §8 FrPG, der ausdrücklich erlaubt, ein verhängtes Aufenthaltsverbot aufzuheben, das Gesetz wenigstens denkmöglich ausgelegt.
3. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß der Bf. in sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen ist es auch ausgeschlossen, daß er in seinen Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurde.
Die Beschwerde war daher abzuweisen und antragsgemäß dem VwGH abzutreten.
Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung beschlossen werden.
4. Der obsiegenden bel. Beh. waren die von ihr begehrten Kosten nicht zuzusprechen, da ihr keine iS des §88 VerfGG ersatzfähigen Kosten erwachsen sind.
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