VfGH B18/88

VfGHB18/8826.9.1988

Tir. GVG 1983; Versagung der Zustimmung zum Kaufvertrag zwischen Ausländern; keine denkunmögliche Anwendung des §4 Abs2 lita und litb; kein Entzug des gesetzlichen Richters

Normen

B-VG Art83 Abs2
StGG Art5
Tir GVG 1983 §3
Tir GVG 1983 §4 Abs2 lita und litb
B-VG Art83 Abs2
StGG Art5
Tir GVG 1983 §3
Tir GVG 1983 §4 Abs2 lita und litb

 

Spruch:

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Eingabe vom 27. August 1986 suchte Dkfm. Dr. S M um grundverkehrsbehördliche Genehmigung des zwischen ihm als Käufer und Dr. D M als Verkäufer abgeschlossenen Kaufvertrags vom 21.7./7.8.1986 betreffend die Liegenschaft EZ 480 II KG Eben, bestehend aus der Gp. 583/14 mit Wohnhaus, an und brachte hiezu vor:

Das Kaufobjekt sei seinerzeit von seinem Vater für den damals noch minderjährigen Verkäufer erworben, jedoch aus Mitteln der Gesamtfamilie finanziert worden, sodaß laut einem Treuhandvertrag vom 20. September 1965 im Innenverhältnis auch die weiteren drei Geschwister der Vertragspartner Eigentümer der Liegenschaft gewesen seien. In der Folge sei zwischen den Geschwistern vereinbart worden, daß die kaufgegenständliche Liegenschaft an den Bf. veräußert werden solle. Nachdem dieser gegen den Verkäufer, der sich zunächst geweigert habe, einen Kaufvertrag zu unterschreiben, ein - letztlich vom Obersten Gerichtshof bestätigtes - Urteil des Landesgerichtes Innsbruck erwirkt habe, das den Verkäufer für schuldig erkannte, den Kaufvertrag in grundbuchsfähiger Form zu unterfertigen, sei der nun zur Genehmigung vorgelegte Kaufvertrag unterschrieben worden. Beide Vertragsteile seien Staatsangehörige der Bundesrepublik Deutschland; der ausländische Grundbesitz in der Gemeinde Eben werde daher nicht vergrößert. Bei der Liegenschaft handle es sich um ein wenig komfortabel ausgestattetes Ferienhaus, welches zur Befriedigung einheimischer Wohnbedürfnisse nicht geeignet sei.

1.2. Mit Bescheid der Grundverkehrsbehörde Eben a.A. vom 20. November 1986 wurde diesem Rechtserwerb gemäß §4 Abs2 litb Tiroler Grundverkehrsgesetz 1983, LGBl. 69/1983 (künftig: GVG), die Zustimmung versagt.

Die Liegenschaft liege mitten in einer Wohnsiedlung und sei in jeder Weise für einen ständigen Wohnsitz erschlossen. Der Erwerber habe seinen ständigen Wohnsitz in der BRD und habe auch nicht geltend gemacht, daß er diesen nach Eben verlegen wolle. Die beabsichtigte Verwendung als Zweitwohnsitz stehe im Widerspruch zu den durch das GVG geschützten öffentlichen Interessen.

1.3. Die gegen diesen Bescheid von Dkfm. Dr. S M als Käufer erhobene Berufung wurde von der Landesgrundverkehrsbehörde beim Amt der Tiroler Landesregierung mit Bescheid vom 12. Oktober 1987, Z LGv-247/4-86, als unbegründet abgewiesen und mit der Maßgabe bestätigt, daß sich der angefochtene Bescheid auch auf §4 Abs2 lita GVG zu stützen hat.

Begründend wurde im wesentlichen dargelegt:

"... Wie die Landesgrundverkehrsbehörde wiederholt ausgesprochen hat, findet sich im Gesetz kein Anhaltspunkt für eine restriktive Rechtsanwendung, daß nämlich ein Widerspruch zu den im §4 Abs2 1. Satz genannten Interessen nur dann vorliegen könne, wenn eine 'weitere' Überfremdung drohe, also eine Erhöhung des Ausmaßes des schon vorhandenen ausländischen Grundbesitzes bzw. der Zahl der ausländischen Grundbesitzer eintrete. Aus der Wortfolge 'einzutreten droht' ist vielmehr unter Zugrundelegung einer grammatikalischen wie auch teleologischen Interpretation abzuleiten, daß §4 Abs2 lita GVG 1983 nicht auf die Staatsbürgerschaft des Veräußerers abstellt und dieser Tatbestand auch dann anzunehmen ist, wenn infolge der Versagung der Zustimmung die bloße Möglichkeit begründet wird, einer aus welchen Gründen immer bereits eingetretenen Überfremdung entgegenzuwirken. Schließlich wäre es auch nicht ohne weiteres einsichtig, daß der Gesetzgeber ausländische Grundbesitzer gegenüber inländischen Grundeigentümern begünstigen hätte wollen und er dem ersteren Personenkreis selbst in einer von Überfremdung bereits bedrohten Gemeinde das vorzugsweise oder gar ausschließliche Recht eingeräumt hätte, den in ihrem Besitz befindlichen Grund und Boden ohne jedwede Bindungen an die grundverkehrsrechtlichen Bestimmungen auch weiterhin an (andere) Ausländer veräußern zu können. ... Damit erweist sich aber die von der Erstinstanz ausgesprochene Versagung der grundverkehrsbehördlichen Zustimmung zu dem in Rede stehenden Rechtserwerb als im Gesetz gedeckt. Überschreitet doch der Anteil der ausländischen Grundbesitzer in der Gemeinde Eben a.A. - nach den unbestritten gebliebenen Ergebnissen des ergänzenden Ermittlungsverfahrens - die 5 %-Grenze und erreicht damit eine Größenordnung, bei der der drohende Eintritt einer Überfremdung gerechtfertigt erscheint (vergl. hiezu auch VfGH-Erk.Slg. 7274/74).

Dazu kommt noch, daß das Ausmaß des ausländischen Grundbesitzes in

der Gemeinde Eben a.A. mehr als 375 ha beträgt und ausländische

Grundbesitzer in dem in Rede stehenden Ausmaß sich in der Struktur

einer Gemeinde bereits erheblich bemerkbar machen. Soweit in der

Berufung darauf verwiesen wird, daß das verfahrensgegenständliche

Objekt auch bisher ausschließlich als Wochenend- bzw. Ferienwohnhaus

genützt wurde, ist dem rechtsfreundlich vertretenen Einschreiter zu

erwidern, daß §4 Abs2 litb GVG den Erwerb von Grundstücken, die auf

Grund ihrer Lage und Erschließung besonders für die heimische

soziale Wohn- und Siedlungstätigkeit geeignet sind, durch Ausländer,

die keinen dauernden Wohnbedarf aufweisen, schlechthin verbietet,

ohne daß es auf die bisherige Verwendung des Grundstückes ankommen

könnte. ... Im Verwaltungsverfahren ist im übrigen auch kein

Anhaltspunkt dafür hervorgekommen, daß das verfahrensgegenständliche

Grundstück auf Grund seiner Lage, Form und Größe nicht den nach §4

TBO 1978 für einen Bauplatz gestellten Anforderungen entsprechen

würde, sodaß der Behörde I. Instanz nicht entgegengetreten werden

konnte, ... zumal auf Grund des ergänzenden Ermittlungsverfahrens

auch außer Streit steht, daß das in Frage stehende Wohnhaus bis zum

Jahre 1976 auch tatsächlich als Dauerwohnsitz genützt worden ist.

Bei einer derartigen Widmung müßte aber ein (ausländischer)

Grunderwerber ... einen dauernden Wohnbedarf aufweisen ...

Ebensowenig findet sich ein (Verfassungs-)Gebot, demzufolge ein naher Verwandtschaftsgrad der Personen, zwischen denen der Rechtserwerb stattfindet, den Gesetzgeber hindern würde, eine grundverkehrsbehördliche Genehmigung daran zu binden, daß ein Rechtserwerb den im §4 Abs2 GVG geschützten öffentlichen Interessen nicht widersprechen darf (so auch VfGH. in seinem Erk. vom 20.6.1986, B444/85-13) ..."

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der der Bf. geltend macht, der angefochtene Bescheid verletze ihn in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Unversehrtheit des Eigentums sowie auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter, und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.

Die bel. Beh. hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde begehrt.

Der Bf. hat hierauf geantwortet, die bel. Beh. hat auf diese Antwort repliziert.

3. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

3.1.1. Die Behauptung, der angefochtene Bescheid verletze den Bf. im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter, wird damit begründet, daß durch die bekämpfte Erledigung "der Sachverhalt, wie er im Zuge des Verfahrens des LG Innsbruck, des OLG Innsbruck und des Obersten Gerichtshofes, GZ 12 Cg 776/82, wiederholt und rechtskräftig festgestellt wurde, einfach beiseitegeschoben" werde. Die Zivilgerichte hätten das Recht des Bf. auf Abschluß des vorliegenden Kaufvertrages auf Grund des Bestehens der Miteigentumsvereinbarung laut Treuhandvertrag anerkannt; durch die Versagung der Zustimmung zum Kaufvertrag sei dieser nunmehr nichtig, obwohl eine Rückabwicklung unmöglich sei.

3.1.2. Das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt oder in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt (zB VfSlg. 9696/1983), etwa indem sie zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert (zB VfSlg. 10374/1985).

All dies liegt offenkundig nicht vor.

Daß das in Rede stehende Rechtsgeschäft einer grundverkehrsbehördlichen Genehmigung nach §3 GVG bedurfte, wird auch vom Bf. nicht in Abrede gestellt. Daran ändert auch nichts, daß der Verkäufer erst durch eine gerichtliche Entscheidung zur Einhaltung der von ihm eingegangenen Veräußerungsverpflichtung verhalten werden mußte, weil es dabei nur um die privatrechtlichen Verpflichtungen zwischen den nunmehrigen Vertragsparteien ging. Die bel. Beh. hatte hingegen darüber zu befinden, ob der mit diesem Vertrag verbundene Rechtserwerb im Widerspruch zu den durch das Gesetz geschützten öffentlichen Interessen steht.

Es kann daher keine Rede davon sein, daß die bel. Beh. eine ihr nicht zustehende Zuständigkeit in Anspruch genommen hätte.

3.2.1. Der Bf. behauptet weiters, der angefochtene Bescheid verletze ihn im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums. Auszugehen sei davon, daß vor Abschluß des Kaufvertrages vom 21. Juli bzw. 7. August 1986 das in Rede stehende Grundstück auf Grund tatsächlich bestehender Vereinbarungen, wie sie im Treuhandvertrag vom 20. Sepember 1965 schriftlich festgehalten worden seien - zu diesem Zeitpunkt habe eine Genehmigungspflicht für Ausländer nach dem GVG noch gar nicht bestanden -, im Miteigentum der fünf Geschwister zu je 1/5 gestanden sei. Auf Grund von Vereinbarungen, die die Geschwister nach dem Tod ihres Vaters im Jahre 1981 getroffen hätten und die die Veräußerung der Liegenschaft an den Bf. - allenfalls einen mehrbietenden Käufer - zum Ziel gehabt hätten, sei - da ein mehrbietender Käufer nicht zu finden gewesen sei - der Bf. bereits zu 4/5 Eigentümer des Kaufobjektes geworden. Durch den angefochtenen Bescheid werde der Bf. praktisch seiner bis zum Abschluß des Kaufvertrages vom 21. Juli bzw. 7. August 1986 bereits bestehenden 4/5 Miteigentumsrechte enteignet. Die bel. Beh. habe das Gesetz schon deshalb denkunmöglich angewendet, weil beide Vertragspartner nicht österreichische Staatsbürger seien und es sich um eine Veräußerung unter nahen Verwandten handle. Von einer Überfremdung im Sinne des §4 Abs2 lita GVG könne daher denkmöglich nicht ausgegangen werden. Auch §4 Abs2 litb GVG werde von der bel. Beh. denkunmöglich angewendet, da die gegenständliche Liegenschaft vom bisherigen grundbücherlichen Eigentümer ebensowenig wie von den weiteren Geschwistern seit dem Ableben ihrer Mutter im Jahre 1981 für die Befriedigung eines dauernden Wohnbedarfes benützt worden sei, woran sich durch die Versagung der Genehmigung nun auch nichts ändern werde. Richtig sei wohl, daß der Bf. das Objekt ebenfalls nicht als dauernden Wohnsitz benützen wolle; dies käme erst in späteren Jahren, wenn er sich aus dem Berufsleben zurückziehe, in Frage. Keinesfalls könne jedoch durch den angefochtenen Bescheid bewirkt werden, daß die Liegenschaft dem heimischen sozialen Wohnbedürfnis dienen werde.

3.2.2. Der angefochtene Bescheid greift in das Eigentumsrecht ein. Dieser Eingriff wäre nach der ständigen Judikatur des VfGH (zB VfSlg. 10356/1985, 10482/1985) dann verfassungswidrig, wenn der ihn verfügende Bescheid ohne jede Rechtsgrundlage ergangen wäre oder auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage beruhte, oder wenn die Behörde bei Erlassung des Bescheides eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre.

Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die materiellrechtlich angewendeten Rechtsgrundlagen wurden von dem Bf. nicht geltend gemacht und sind aus Anlaß des Beschwerdefalles im Gerichtshof auch nicht entstanden (vgl. hiezu insbesondere auch VfSlg. 6546/1971, 6682/1972, 7274/1974, 8436/1978 und 8501/1979).

Eine Eigentumsverletzung käme daher nur im Falle einer denkunmöglichen Gesetzesanwendung in Frage. Hiezu ist zunächst zu bemerken, daß mit dem angefochtenen Bescheid nur über die Zulässigkeit des Rechtserwerbes auf Grund des Kaufvertrages vom 21. Juli bzw. 7. August 1986 abgesprochen wird.

Ob und welche Rechtswirkungen vorausgehenden Treuhandvereinbarungen und Abtretungsverträgen, auf Grund derer der Bf. unabhängig vom vorliegenden Kaufvertrag Miteigentumsrechte zu 4/5 Anteilen behauptet, zukommen und ob diese einer grundverkehrsbehördlichen Genehmigung bedurft hätten, ist nicht Gegenstand des angefochtenen Bescheides, sodaß auf Fragen, die in der Beschwerde in diesem Zusammenhang aufgeworfen werden, nicht einzugehen war.

Soweit aber der Bf. behauptet, die bel. Beh. habe ihn im Eigentumsrecht verletzt, weil sie dem Kaufvertrag vom 21. Juli bzw. 7. August 1986 die Zustimmung versagt habe, genügt es festzuhalten, daß die bel. Beh., wie sich aus der eingehenden Begründung des angefochtenen Bescheides und der ständigen Rechtsprechung des VfGH (vgl. hiezu insbesondere VfSlg. 7274/1974, 10688/1985 und 11728/1988) ergibt, das Gesetz jedenfalls denkmöglich angewendet hat. Auch die behauptete Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums trifft somit nicht zu.

3.3. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß der Bf. in sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen ist es auch ausgeschlossen, daß er in seinen Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurde.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 Z1 und 2 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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