Spruch:
Der Bf. ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Die Landeshauptstadt Innsbruck ist schuldig, dem Bf. zuhanden des Beschwerdevertreters die mit 11.000 S bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Dem Bürgermeister und den Bürgermeister-Stellvertretern der Landeshauptstadt Innsbruck gebührt nach §14 Abs1 des Stadtrechtes der Landeshauptstadt Innsbruck 1975, LGBl. 53, idF LGBl. 14/1981 für ihre Geschäftsführung eine Entschädigung. Die Entschädigung des Bürgermeisters entspricht dem Amtseinkommen zuzüglich des Auslagenersatzes eines Landeshauptmannstellvertreters (d.s. gemäß §9 Abs1 und 3 des Tiroler Bezügegesetzes 1973, LGBl. 36, idF LGBl. 13/1981 ein Amtseinkommen von 190 v.H. des jeweiligen Gehalts eines Landesbeamten des Dienststandes der allgemeinen Verwaltung, Dienstklasse IX, Gehaltsstufe 6, sowie ein Auslagenersatz von 37 v.H. dieses Amtseinkommens), die der Bürgermeister-Stellvertreter 75 v.H. der Entschädigung des Bürgermeisters.
Dem Stadtrecht wurde durch die Nov. LGBl. 15/1985 (Gesetz vom 22. November 1984, mit dem das Stadtrecht der Landeshauptstadt Innsbruck 1975 geändert wird; kundgemacht in dem am 6. Feber 1985 herausgegebenen 6. Stück des Landesgesetzblattes) der unter der Überschrift "Stillegung und Verringerung der Entschädigung" stehende §14a eingefügt, welcher - ebenso wie die übrigen Bestimmungen der Nov. - rückwirkend mit 1. Jänner 1985 in Kraft trat. Dieser Paragraph hat folgenden Wortlaut:
"(1) Der Bürgermeister, die Bürgermeisterstellvertreter, die amtsführenden Stadträte und die amtsführenden Gemeinderäte erleiden, wenn sie Bedienstete einer Körperschaft öffentlichen Rechtes, einer solchen Stiftung oder Anstalt oder eines solchen Fonds sind, deren Dienstrecht hinsichtlich der Gesetzgebung in die Zuständigkeit des Landes fällt, als solche in ihrer dienstund besoldungsrechtlichen Stellung keine Einbuße. Ihr Diensteinkommen bzw. ihre Ruhe- und Versorgungsbezüge werden jedoch auf die Dauer des Bezuges einer Entschädigung in dem Ausmaß stillgelegt, als die Summe aus Entschädigung und Diensteinkommen bzw. Ruhe- und Versorgungsbezügen beim Bürgermeister die Entschädigung nach §14 Abs1, bei den Bürgermeisterstellvertretern 90 v.H., bei den amtsführenden Stadträten und den amtsführenden Gemeinderäten 85 v.H. der Entschädigung des Bürgermeisters übersteigt. Die Zeit der Stillegung ist für die Bemessung des Ruhe- und Versorgungsbezuges ohne Leistung eines Pensionsbeitrages bzw. bei Leistung des Pensionsbeitrages vom verminderten Diensteinkommen anrechenbar.
(2) Beim Bürgermeister, bei den Bürgermeisterstellvertretern, den amtsführenden Stadträten und den amtsführenden Gemeinderäten, die Bedienstete einer Körperschaft öffentlichen Rechtes, einer solchen Stiftung oder Anstalt oder eines solchen Fonds sind, deren Dienstrecht hinsichtlich der Gesetzgebung nicht in die Zuständigkeit des Landes fällt, verringert sich die Entschädigung in dem Ausmaß, als die Summe aus Entschädigung und Diensteinkommen bzw. Ruheund Versorgungsbezügen die im Abs1 genannten Grenzen übersteigt.
(3) Für die erforderlichen Vergleichsberechnungen nach den Abs1 und 2 sind die Bruttobeträge heranzuziehen. Allfällige Sitzungsgelder nach §14 Abs6 sind nicht zu berücksichtigen."
2. Der Bf., welcher bis 31. März 1985 die Funktion des 1. Bürgermeister-Stellvertreters der Landeshauptstadt Innsbruck bekleidete, gab dem Stadtmagistrat am 28. Feber 1985 im Hinblick auf die Änderung der Gesetzeslage seinen Bezug als leitender Angestellter der Tiroler Gebietskrankenkasse bekannt. Im hierauf eingeleiteten Verwaltungsverfahren erließ der Stadtmagistrat sodann einen mit 25. März 1985 datierten Bescheid, dessen Spruch folgendermaßen lautet:
"Gemäß §14a Abs2 des Stadtrechtes der Landeshauptstadt Innsbruck 1975, LGBl. Nr. 53/1975, zuletzt geändert durch Landesgesetz vom 22.11.1984, LGBl. Nr. 15/1985, wird Ihre Entschädigung als Bürgermeisterstellvertreter der Landeshauptstadt Innsbruck ab 1. Jänner 1985 für die Dauer der Ausübung der Funktion als Bürgermeisterstellvertreter in dem Ausmaß verringert, als die Summe aus Ihrem Diensteinkommen als leitender Angestellter der Tiroler Gebietskrankenkasse für Arbeiter und Angestellte und der Entschädigung als Bürgermeisterstellvertreter der Landeshauptstadt Innsbruck 90 v. Hundert der dem Bürgermeister der Landeshauptstadt Innsbruck gemäß §14 Abs1 des Stadtrechtes der Landeshauptstadt Innsbruck 1975 gebührenden Entschädigung übersteigt. Das Ausmaß der Verringerung Ihrer Entschädigung als Bürgermeisterstellvertreter ist daher ab 1. Jänner 1985 mit dem Betrag von monatlich brutto S 52,831,50 festzusetzen.
Die ab 1. Jänner 1985 um das Ausmaß der monatlichen Verringerung zuviel ausgezahlten Teile Ihrer Entschädigung als Bürgermeisterstellvertreter werden durch Aufrechnung auf zukünftige ab 1. Mai 1985 fällig werdende Ansprüche nach §14 oder §15 des Stadtrechtes der Landeshauptstadt Innsbruck 1975 hereingebracht."
Gegen diesen Bescheid ergriff der Bf. Berufung, in welcher er auch die Auffassung vertrat, daß die Rückforderung deshalb gesetzwidrig sei, weil er den Übergenuß gutgläubig empfangen habe.
Der Stadtsenat wies dieses Rechtsmittel mit Bescheid vom 25. September 1985 ab und führte zur Begründung insbesondere an:
"Während nun der Landesgesetzgeber in §15 Abs3 und 4 des Stadtrechtes der Landeshauptstadt Innsbruck 1975, in der Fassung LGBl. Nr. 15/1985, also in der gleichen Rechtsvorschrift, bei Ansprüchen auf Ruhe- und Versorgungsbezüge für ehemalige Mitglieder des Gemeinderates, ihre Angehörigen und Hinterbliebenen die gesetzliche Regelung getroffen hat, daß hinsichtlich dieser Ansprüche die jeweils für die Beamten der Landeshauptstadt Innsbruck geltenden Bestimmungen sinngemäß anzuwenden sind, erfolgte eine gleiche Regelung für die nach §14 des Stadtrechtes der Landeshauptstadt Innsbruck 1975 gebührenden Entschädigungen nicht. Es muß daher angenommen werden, daß, zumal es sich um die gleiche Rechtsvorschrift handelt, der Gesetzgeber sowohl materiell als auch hinsichtlich des Verfahrens differenzieren wollte. Es kann daher dem Berufungswerber nicht gefolgt werden, wenn er von einer diesbezüglichen Gesetzeslücke spricht, die er durch Analogieschlüsse geschlossen sehen will. Es sind daher hinsichtlich des Anfalles, der Verringerung und Stillegung von Bezügen des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Innsbruck, der Vizebürgermeister, der amtsführenden Stadträte und der amtsführenden Gemeinderäte weder die Bestimmungen des §55 IGBG 1970 in der Fassung LGBl. Nr.16/1985, noch sinngemäß die Bestimmungen der §§6 Abs3 und 13 a Abs1 des Gehaltsgesetzes 1956 anzuwenden bzw. sinngemäß anzuwenden, sodaß der Berufungswerber eine auf §6 Abs3 und §13 a Abs1 GG 1956 gestützte Annahme einer Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht darzutun vermag."
3. Der Berufungsbescheid ist Gegenstand der vorliegenden Verfassungsgerichtshofbeschwerde, in welcher die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte sowie eine Rechtsverletzung infolge Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes behauptet und die Bescheidaufhebung begehrt wird.
Der belangte Stadtsenat legte die Verwaltungsakten vor, erstattete jedoch keine Gegenschrift.
II. Die Beschwerde ist im Ergebnis gerechtfertigt.
1. Der VfGH kann der Beschwerde zwar nicht beipflichten, wenn sie den - hier ausschließlich in Betracht kommenden - Absatz 2 im §14a des Stadtstatuts unter zwei Aspekten als verfassungsrechtlich bedenklich kritisiert.
a) Im Erk. VfSlg. 5307/1966 beurteilte der Gerichtshof die im sog. Wiener Funktionsgebührengesetz vorgesehene Verringerung des Amtseinkommens von Bezirksvorstehern infolge eines Bezuges als Bediensteter einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft aus der Sicht des Gleichheitsgebotes als verfassungsmäßig und beanstandete hiebei die im Gesetz liegende Unterscheidung zwischen Bezügen als Bediensteter einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft und anderem Erwerbseinkommen nicht. Wenn der Bf., dem diese Entscheidung bekannt ist, eine derartige Differenzierung unsachlich findet, so ist auf die nähere Begründung dieser Ansicht im zitierten Erkenntnis zu verweisen; sie trifft auch für die im vorliegenden Fall zu betrachtende Gesetzesvorschrift zu und es besteht kein Anlaß, von ihr abzugehen. Die in diesem Zusammenhang geäußerte Auffassung des Bf., es sei (im Gegensatz zu der im Erk. VfSlg. 5307/1966 erörterten Situation eines Bezirksvorstehers) die Ausübung einer weiteren Erwerbstätigkeit durch einen Bürgermeister-Stellvertreter oder einen Stadtrat möglich und üblich, verkennt - was den Bürgermeister-Stellvertreter betrifft - mehrere Umstände: Zunächst daß nicht nur der Umfang, sondern wie schon im bezogenen Erkenntnis betont wurde - auch die zeitliche Lagerung der Arbeitsleistung bedeutsam ist, ferner daß es nicht auf individuelle Verhältnisse, sondern - wie ebenfalls bereits aus der zitierten Entscheidung hervorgeht - auf den Regelfall ankommt, und schließlich, daß die im Beschwerdevorwurf implizit enthaltene Annahme fehlgeht, die Belastung als Bürgermeister-Stellvertreter einer Stadt mit rund 120.000 Einwohnern sei arbeitsmäßig geringer zu veranschlagen als die Tätigkeit als Bezirksvorsteher eines Wiener Gemeindebezirks. Zum letzteren Umstand ist noch darauf hinzuweisen, daß sowohl das Landesbeamtengesetz 1982 (s. §4d Abs3 idF der Nov. LGBl. 12/1985) als auch die gemeindebeamtenrechtlichen Vorschriften (s. §37a des Gemeindebeamtengesetzes 1970 idF der Nov. LGBl. 13/1985 und §35 Abs4 des Innsbrucker Gemeindebeamtengesetzes 1970 idF der Nov. LGBl. 16/1985) die Außerdienststellung des Bürgermeister-Stellvertreters der Landeshauptstadt Innsbruck als Beamter ausdrücklich vorsehen.
b) Nach Ansicht des Bf. verstößt §14a Abs2 des Stadtstatuts überdies gegen Art5 StGG und Art1 des (1.) Zusatzprotokolls zur MRK. Auf diese Behauptung braucht der VfGH jedoch nicht weiter einzugehen. Die gesamten diesbezüglichen Ausführungen der Beschwerde sind nämlich ausschließlich dem Nachweis gewidmet, daß auch öffentlich-rechtliche Ansprüche den Schutz dieser Verfassungsvorschriften genießen, tun aber nicht dar, weshalb - von diesem Standpunkt ausgehend - ein Widerspruch zu den angeführten Vorschriften vorliegen soll. Auch der VfGH kann einen solchen unter der hier nicht weiter untersuchten Prämisse über den Schutzumfang des Art5 StGG und des Art1 des (1.) ZP zur MRK nicht finden.
2. Dem belangten Stadtsenat ist jedoch ein in die Verfassungssphäre reichender Vollzugsfehler anzulasten.
Der VfGH verweist im gegebenen Zusammenhang auf jenen Teil der Entscheidungsgründe seines heute gefällten Erkenntnisses B887/85, die den Fall einer rückwirkenden Verringerung laufender, monatlicher Geldleistungen der öffentlichen Hand mit Unterhaltscharakter durch den Landesgesetzgeber ohne nähere Anordnungen über entstehende Übergenüsse betreffen. In einem solchen Fall ist unter einer bestimmten Voraussetzung anzunehmen, daß der Landesgesetzgeber die im Bundesrecht entwickelten Grundsätze für die Behandlung von Übergenüssen bei gewissen Geldleistungen der öffentlichen Hand (§13a GehaltsG 1956 und §39 PensionsG 1965) allgemein übernimmt, nämlich dann, wenn er ihnen schon in weiten Bereichen des Landesrechtes Geltung verschafft hat. Dies trifft beim Tiroler Landesgesetzgeber unzweifelhaft zu, wenn man das Dienstrecht (Gehalts- und Pensionsrecht) der Landesbeamten (§2 Z3 und §2 Z4 des Landesbeamtengesetzes 1982, LGBl. 69, idF LGBl. 56/1985), der Innsbrucker Gemeindebeamten (§55 des Innsbrucker Gemeindebeamtengesetzes 1970, LGBl. 44, idF LGBl. 48/1984 und §51 dieses Gesetzes idF LGBl. 58/1985) sowie der übrigen Gemeindebeamten (§30 des Gemeindebeamtengesetzes 1970, LGBl. 9) und überdies das Tiroler Bezügegesetz (§9 Abs4 des Tiroler Bezügegesetzes 1982, LGBl. 20) betrachtet.
Überträgt man die im eben angeführten Erkenntnis für die Behandlung eines Übergenusses, der auf einen rückwirkenden Legislativakt zurückzuführen ist, weiters angestellten Überlegungen sinngemäß auf die vorliegende Beschwerdesache, so führen sie zum Ergebnis, daß der Bf. infolge einer nicht verfassungskonformen und daher einer denkunmöglichen Gesetzesanwendung gleichzuhaltenden Auslegung insofern im Eigentumsrecht verletzt wurde, als der angefochtene Bescheid den (der Kundmachung der Nov. LGBl. 15/1985 vorangehenden) Übergenuß für die Monate Jänner und Feber 1985 als rückforderbar feststellt.
3. Der Bescheid des Stadtsenates, der eine inhaltlich nicht trennbare Einheit bildet, war sohin zur Gänze aufzuheben.
4. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VerfGG. Vom zugesprochenen Kostenbetrag entfallen 1.000 S auf die Umsatzsteuer.
III. Von einer mündlichen Verhandlung wurde gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG abgesehen.
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