Normen
AlVG §14 Abs2 litc
AlVG §26 Abs2
AlVG §14 Abs2 litc
AlVG §26 Abs2
Spruch:
Die Bf. ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) ist schuldig, der Bf. zu Handen ihres Vertreters die mit S 9.507,-bestimmten Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen bei sonstigem Zwang zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1.a) Die Bf. war seit 1. Oktober 1981 bei ein und demselben Dienstgeber, einem Dentisten, als Raumpflegerin in dessen Ordination beschäftigt. Von ihrem Dienstgeber am 2. November 1983 bei der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse zur Pflichtversicherung angemeldet, nachdem zuvor wegen Geringfügigkeit der Beschäftigung keine Sozial- und Arbeitslosenversicherungspflicht bestanden hatte, arbeitete sie bis 4. November 1983 und war sodann bis zum Beginn des Beschäftigungsverbotes für werdende Mütter aus Anlaß der zu erwartenden Geburt ihres dritten Kindes - das war auf Grund des von ihr iSd §3 Abs3 des Mutterschutzgesetzes 1979, BGBl. 221, (MSchG 1979) vorgelegten Zeugnisses eines Arbeitsinspektionsarztes der 2. Dezember 1983 - wegen Krankheit arbeitsunfähig. In der Zeit vom 2. Dezember 1983 bis 13. Mai 1984 und (nach Gewährung von Anstaltspflege vom 14. bis 20. Mai 1984) vom 21. Mai 1984 bis 9. Juli 1984 bezog sie Wochengeld. Im Anschluß an das Beschäftigungsverbot nach der Entbindung (dieses endete mit 9. Juli 1984) gewährte ihr der Dienstgeber wegen ihrer Mutterschaft einen Urlaub gegen Karenz der Bezüge bis zum 14. Mai 1985. In der Folge nahm die Bf. ihre Beschäftigung nicht mehr auf.
b) Mit Antrag vom 27. August 1984 begehrte die Bf. die Zuerkennung von Karenzurlaubsgeld. Diesem Antrag gab das Arbeitsamt Knittelfeld mit Bescheid vom 7. November 1986 mit der Begründung keine Folge, daß die Anwartschaft nicht erfüllt sei.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung vertrat die Bf. der Sache nach die Auffassung, daß ihr die Zeit des Wochengeldbezuges aus Anlaß der Geburt ihres dritten Kindes auf die Anwartschaft anzurechnen sei, da sie im Anschluß daran in Karenzurlaub gewesen sei. Da sie bei Anrechnung der Zeit des Wochengeldbezuges die Voraussetzungen erfülle, stehe ihr Karenzurlaubsgeld nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (AlVG 1977) zu.
Das Landesarbeitsamt Steiermark gab mit Bescheid vom 10. April 1987 der Berufung keine Folge und bestätigte den Bescheid des Arbeitsamtes Knittelfeld.
2.a) Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz sowie eine Rechtsverletzung infolge Anwendung verfassungswidriger Gesetze geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, hilfsweise die Abtretung der Beschwerde an den VwGH, beantragt wird.
b) Das Landesarbeitsamt Steiermark als bel. Beh. hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der es die Abweisung der Beschwerde und den Zuspruch von Kostenersatz begehrt.
II. 1. Nach §56 Abs1 zweiter Satz iVm §58 des AlVG 1977 ist gegen Entscheidungen des Landesarbeitsamtes in Angelegenheiten des Karenzurlaubsgeldes eine weitere Berufung unzulässig. Der Instanzenzug ist somit erschöpft. Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist die Beschwerde zulässig.
2.a) Nach §26 Abs1 AlVG 1977 haben Mütter Anspruch auf Karenzurlaubsgeld, wenn sie ua. die Anwartschaft erfüllt haben. Gemäß §26 Abs2 AlVG 1977 sind bei Beurteilung der Frage, ob die Anwartschaft erfüllt ist, (mit bestimmten, hier nicht bedeutsamen Modifikationen) §14 Abs1 und 2, bestimmte Teile des §14 Abs4 und §15 AlVG 1977 sinngemäß anzuwenden.
Nach §14 Abs2 AlVG 1977 ist bei der nicht erstmaligen Inanspruchnahme die Anwartschaft erfüllt, wenn der Arbeitslose im Fall der sinngemäßen Anwendung gemäß §26: die Mutter - "in den letzten 12 Monaten vor Geltendmachung des Anspruches (Rahmenfrist) insgesamt 20 Wochen im Inland arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt war". Nach §14 Abs4 AlVG 1977 (auf den im §26 Abs2 dieses Gesetzes insoweit ebenfalls verwiesen wird) sind ua. Zeiten eines Wochengeldbezuges während eines arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses auf die Anwartschaft anzurechnen, sofern das Beschäftigungsverhältnis anschließend an den Wochengeldbezug fortgesetzt oder ein Karenzurlaub iSd. Mutterschutzgesetzes in Anspruch genommen wurde.
b) Die bel. Beh. hat nun die Zeit, während welcher die Bf. Wochengeld bezogen hat, nicht auf die Anwartschaft für das Karenzurlaubsgeld angerechnet. Sie ging dabei von der Auffassung aus, daß der der Bf. von ihrem Arbeitgeber gewährte Karenzurlaub "kein Karenzurlaub im Sinne des Mutterschutzgesetzes" (es ist dies das MSchG 1979) sei.
Die bel. Beh. stützte sich dabei unter anderem auf den im Instanzenzug ergangenen Bescheid des (damaligen) Bundesministers für soziale Verwaltung vom 7. Juli 1986, mit dem festgestellt worden war, daß die Bf. "vom 2. 11. 1983 bis 4. 11. 1983 der Voll- und Arbeitslosenversicherungspflicht gemäß §4 ASVG und §1 AlVG 1977 unterlegen ist". Die bel. Beh. entnahm der Begründung dieses Bescheides, daß nach Ansicht der entscheidenden Behörde auf die Bf. die Vorschriften des Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetzes, BGBl. 235/1962 idgF, anzuwenden sind. Davon ausgehend erachtete die bel. Beh. den der Bf. vom Dienstgeber gewährten Karenzurlaub nicht als einen Karenzurlaub im Sinne des MSchG 1979, weil "gem. §2 in Verbindung mit §25 des Mutterschutzgesetzes die Bestimmungen über den Karenzurlaub auf die in privaten Haushalten beschäftigten Dienstnehmer nicht anzuwenden sind."
c) Wie der VfGH im Erkenntnis VfSlg. 11389/1987, ausgesprochen hat, unterstellt eine Auslegung der §§26 und 14 AlVG 1977, die zur Folge hat, daß die (für Hausangestellte geltenden) Sonderregelungen der §§24 und 25 MSchG 1979 Auswirkungen auf den Anspruch auf Karenzurlaubsgeld haben, wenn der Hausangestellten vom Dienstgeber, ohne daß er dazu verpflichtet wäre, ein Urlaub gegen Karenz der Bezüge gewährt wird den §§26 und 14 AlVG 1977 einen gleichheitswidrigen Inhalt. Es wäre, wie der VfGH ausführte, sachlich nicht zu rechtfertigen, Hausangestellten, die an sich dem Geltungsbereich des AlVG 1977 unterliegen und die Arbeistslosenversicherungsbeiträge zu entrichten haben (bzw. für die solche Beiträge zu entrichten sind), von einem keineswegs nur unwesentlichen Teil der Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung, nämlich der Zahlung eines Karenzurlaubsgeldes während des gewährten Karenzurlaubes, auszunehmen. Der VfGH hielt jedoch eine solche im Ergebnis gleichheitswidrige Auslegung nicht für zwingend. Zwar sei es richtig, daß für die Frage, ob Karenzurlaubsgeld zusteht, gemäß § 26 Abs1 AlVG 1977 die Anwartschaft erfüllt sein muß, wobei zur Beurteilung der Frage, ob die Anwartschaft erfüllt ist, ua. §14 Abs2 AlVG 1977 sinngemäß anzuwenden sei. Auch treffe es zu, daß nach §14 Abs2 AlVG 1977 im Falle der nicht erstmaligen Inanspruchnahme des Karenzurlaubsgeldes die Anwartschaft für eine Mutter dann gegeben sei, wenn sie innerhalb der Rahmenfrist von 12 Monaten vor Geltendmachung des Anspruches insgesamt 20 Wochen arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt war. Eine Antwort auf diese Frage, ob und wann Zeiten des Wochengeldbezuges auf Anwartschaftzeiten anzurechnen sind, gebe das Gesetz in §14 Abs 4 litc. Diese Bestimmung hat im Zusammenhang folgenden Wortlaut:
"Auf die Anwartschaft sind folgende im Inland zurückgelegte oder auf Grund inländischer Rechtsvorschriften erworbene Zeiten anzurechnen:
. . .
c) Zeiten eines Wochengeldbezuges während eines arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses, sofern das Beschäftigungsverhältnis anschließend an den Wochengeldbezug fortgesetzt oder ein Karenzurlaub im Sinne des Mutterschutzgesetzes, BGBl. Nr. 76/1957, in geltender Fassung in Anspruch genommen wurde;
. . ."
Die bel. Beh., so führte der VfGH aus, habe dies dahin verstanden, daß eine Anrechnung der Zeit des Wochengeldbezuges, falls das Beschäftigungsverhältnis nicht anschließend an den Wochengeldbezug fortgesetzt wird, nur in Frage komme, wenn ein Anspruch auf Karenzurlaub gemäß §15 MSchG 1979 gegeben sei. Hätte die Behörde diese Bestimmung nach dem System und der Teleologie der Regeln über die Anwartschaft ausgelegt, so hätte sie erkennen müssen, daß Voraussetzung für die Anrechenbarkeit der Zeiten des Wochengeldbezuges nicht der Anspruch auf einen Karenzurlaub, sondern die Inanspruchnahme eines solchen ist. Es liege nun keineswegs außerhalb des möglichen Wortsinnes dieser Bestimmung, ihr auch jene Fälle zu unterstellen, in denen ein Karenzurlaub auf Grund freiwilliger Gewährung durch den Arbeitgeber in Anspruch genommen wurde.
Hätte die bel. Beh., so führte der VfGH weiter aus, die Frage, ob im damaligen Fall die Zeit des Wochengeldbezuges in die Anwartschaftszeit gemäß §14 Abs2 AlVG 1977 einzurechnen ist, im Rahmen des möglichen Wortsinnes der wiedergegebenen Bestimmung den Anforderungen des Gleichheitsgrundsatzes entsprechend beantwortet, so hätte sie zum Ergebnis kommen müssen, daß diese Zeit dann einzurechnen ist, wenn - wie im damaligen Fall - anschließend an den Wochengeldbezug ein vom Dienstgeber gewährter Karenzurlaub in Anspruch genommen worden sei, und zwar auch dann, wenn nach der Regelung des MSchG 1979 auf diesen Karenzurlaub kein Rechtsanspruch bestehe.
d) Für den vorliegenden Fall ergibt sich, daß eine mit dem Gleichheitsgrundsatz im Einklang stehende Auslegung des gemäß §26 Abs2 AlVG 1977 bei Beurteilung der Frage der Erfüllung der Anwartschaft sinngemäß anzuwendenden - §14 Abs2 litc AlVG 1977 zum Ergebnis führt, daß jedenfalls auch die Zeit eines an den Wochengeldbezug anschließenden, vom Dienstgeber freiwillig gewährten Karenzurlaubes in die Anwartschaftszeit einzurechnen ist, die Einrechnung eines solchen Karenzurlaubes in die Anwartschaftszeit mithin unabhängig davon stattzufinden hat, ob auf diesen Karenzurlaub nach dem MSchG 1979 ein Rechtsanspruch besteht. Da es auf einen Rechtsanspruch nach dem MSchG 1979 nicht ankommt, kann es dahingestellt bleiben, ob die bel. Beh. zu Recht von der Anwendbarkeit dieses Gesetzes auf den Fall der Bf. ausgegangen ist.
e) Die bel. Beh. hat, indem sie die bei verfassungskonformer (im Erkenntnis VfSlg. 11389/1987 dargelegter) Auslegung des §14 Abs2 litc AlVG 1977
bestehende Rechtslage verkannt hat, dem Gesetz einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt und dadurch ihren Bescheid mit Gleichheitswidrigkeit belastet. Der Bescheid war deshalb aufzuheben.
3.a) Diese Entscheidung konnte, da von einer mündlichen Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht zu erwarten war, gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
b) Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VerfGG. Im Kostenbetrag ist Umsatzsteuer in Höhe von S 864,-- enthalten.
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