VfGH B612/85

VfGHB612/856.3.1987

Zuweisung von Verlustanteilen (betreffend das Jahr 1981); Zurückweisung der Beschwerde in Ansehung jener Bf., für die eine Bevollmächtigung nicht dargetan ist; Hinweis auf VfSlg. 10170/1984 und 10731/1985; keine denkunmögliche Außerachtlassung des Investitionsfreibetrages soweit die Einlage des (atypischen) stillen Gesellschafters durch Verlustzuweisungen erschöpft ist; wenn es auf die tatsächliche wirtschaftliche Belastung des Mitunternehmers ankommt, so muß die Gleichstellung von Kommanditisten und (atypischen) stillen Gesellschaftern auf jene Unterschiede in der wirtschaftlichen Belastung abgestellt werden, die sich aus dem Fehlen jeglicher Haftung (im Außen- wie im Innenverhältnis) ergeben; der in §172 Abs4 HGB enthaltene "allgemeine gesellschaftsrechtliche Grundsatz" schließt den stillen Gesellschafter nicht ein; keine Verletzung im Eigentumsrecht

Normen

HGB §172 Abs4
EStG §23b
HGB §172 Abs4
EStG §23b

 

Spruch:

I. Die Beschwerde wird, soweit sie die Bf. ...

Franz Brandl, Peter Feigel, Dipl.Ing. Gerhart Fritz, Dkfm. Elfriede, Herbert und Hildegard Graf, Franz Reisenhofer und Dr. Gustav Rinesch, F. Ruppert Schmid, Dr. Mathilde Stöger, Hilda Strachwitz, Dr. Wilhelm Weiss und Dr. Fritz Weber

betrifft, zurückgewiesen.

II. Die übrigen Bf. sind durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Ihre Beschwerde wird abgewiesen und dem VwGH zur Entscheidung darüber abgetreten, ob die Bf. durch den angefochtenen Bescheid in einem sonstigen Recht verletzt worden sind.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Die bf. Gesellschaft mbH betreibt ein Seilbahnunternehmen in Tirol. Die bf. Aktiengesellschaft ist an diesem Unternehmen seit 1978 in Form einer atypischen stillen Gesellschaft mit derzeit 12 Mio S beteiligt und hat von der ihr im Gesellschaftsvertrag eingeräumten Möglichkeit der Weitergabe von Gesellschaftsanteilen derart Gebrauch gemacht, daß sie ihre Beteiligung auf Rechnung von Privatpersonen im eigenen Namen hält.

Bei der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung für die Jahre 1979 und 1980 wurden dem stillen Gesellschafter (den einzelnen Treugebern) Verlustanteile in der Höhe von 9,736.338 S und 2,038.379 S zugewiesen. Für 1981 war insgesamt ein Verlust von 4,396.903 S geltend gemacht worden, wovon den stillen Gesellschafter 1,997.277 S trafen. Soweit dieser Verlustanteil mit Einschluß der Verluste der Vorjahre von zusammen 11,774.717 S in der Einlage von 12 Mio S keine Deckung mehr fand, wurde er vom Finanzamt jedoch der GesmbH zugewiesen. Auf den stillen Gesellschafter (die einzelnen Treugeber) entfielen vom Bilanzverlust folglich nur 225.283 S (und dazu 235.910 S an Sonderbetriebsausgaben).

Die GesmbH und die Mitgesellschafter erhoben Berufung. Die Einlage des stillen Gesellschafters habe sich nur wegen der Investitionsfreibeträge (aus 1979 bis 1981) in der Gesamthöhe von 3,377.663 S und Entnahmen in der Höhe von 999.600 S vermindert. Für Verlustzuweisungen stehe daher die Summe aus Einlage, Entnahmen und Investitionsfreibeträgen, nämlich 16,377.263 S zur Verfügung, worin der Verlustanteil 1981 in voller Höhe Platz finde; er sei daher dem stillen Gesellschafter zur Gänze zuzuweisen.

Die Berufung blieb erfolglos. Der Berufungssenat der Finanzlandesdirektion ging vom Erkenntnis des VwGH Zl. 1661/79 vom 15. April 1980 aus, wonach Verluste über die Einlage hinaus in der Kommanditgesellschaft nicht der Kommanditist, sondern der Komplementär trägt. Gleiches gelte für Verluste eines stillen Gesellschafters. Solange diesen keine Nachschußpflicht treffe, seien seine Verluste dem Inhaber des Handelsgewerbes zuzurechnen. Eine Vereinbarung, die den stillen Gesellschafter zur Tragung von Verlusten über die Einlage hinaus verpflichten würde, sei nicht getroffen worden. Weder die Inanspruchnahme von Investitionsfreibeträgen noch die nach dem Vertrag zulässigen Entnahmen könnten eine weitere Verlustzuweisung rechtfertigen.

In der Beschwerde wird die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums gerügt. Die Literatur zeige, daß die aus der Geltendmachung von Investitionsfreibeträgen resultierenden Verluste als bloß fiktiver Aufwand das Kapitalkonto nicht kürzten. Auch der VwGH habe jüngst ausgesprochen, daß die Investitionsrücklage zwar bei der Gewinnermittlung auf der Passivseite der Bilanz Berücksichtigung finde, daß es sich aber dennoch nicht um eine Verbindlichkeit handle. Nichts anderes könne für den Investitionsfreibetrag gelten. Ein "Aufzehren" der Einlage - und damit den Wegfall der Möglichkeit der Verlustzuweisung - darauf zu stützen, daß die Investitionsrücklage als Passivum beachtet werden müsse, sei denkunmöglich Gesetzesanwendung. Enthielten Verlustzuweisungen, die zur Aufzehrung des Nominalkapitals geführt haben, solche Freibeträge, verfüge der stille Gesellschafter noch über eine Vermögenssubstanz, die einer weiteren Minderung unterläge. Wie der persönlich haftende Gesellschafter nach Verlust des ganzen Vermögens noch weitere Verluste aus Investitionsfreibeträgen geltend machen könne, so müsse das auch dem Kommanditisten oder stillen Gesellschafter möglich sein. Jede andere Auslegung unterstelle dem Gesetz einen gleichheitswidrigen Inhalt.

Angesichts der ertragssteuerlichen Gleichstellung von Kommanditisten und atypischen stillen Gesellschaftern als Mitunternehmer sei ferner die Regelung des §172 Abs4 HGB über die Wirkung einer Entnahme zu beachten, die eine Einlagenrückzahlung darstelle. Nach §342 HGB sei im Insolvenzfall eine Anfechtung der Einlagenrückgewähr möglich, weshalb der stille Gesellschafter ein Risiko trage, dem durch Zuweisung von Verlusten Rechnung zu tragen wäre.

II. Der mit dem Hinweis auf die Säumnisfolgen verbundenen Aufforderung des VfGH, die fehlenden Vollmachten der bf. Personen nachzubringen, wurde zum Teil nicht entsprochen. In Ansehung jener Bf., für die eine Bevollmächtigung nicht dargetan ist, muß die Beschwerde daher als unzulässig zurückgewiesen werden.

III. Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.

1. Festzuhalten ist zunächst, daß der Streit um die Behandlung des Verlustes für das Jahr 1981 geht und der durch das AbgabenänderungsG 1981 geschaffene §23a EStG über "Verluste mit beschränkter Haftung" hier nicht in Betracht kommt. Die Aufhebung dieser Bestimmung durch das Erkenntnis vom 11. Dezember 1985, G139/85 ua, ist auf das Beschwerdeverfahren ohne Einfluß.

Mit der Rechtslage vor Schaffung des §23a EStG hat sich der VfGH schon anläßlich des Beschwerdeverfahrens B157/80 befaßt. Da der Gerichtshof aus diesem Anlaß mit Erkenntnis vom 2. Oktober 1984, V19/84 (VfSlg. 10170/1984), den Erlaß des Bundesministers für Finanzen vom 4. Mai 1977 mangels Kundmachung im Bundesgesetzblatt aufgehoben und die Klärung der Frage, ob die Anwendung des aufgehobenen Erlasses der den (damaligen) Bf. in seinen Rechten verletzt hat, dem fortzusetzenden Verwaltungsverfahren überlassen und den bei ihm angefochtenen Bescheid mit Erkenntnis vom 7. Dezember 1984, B157/80 (VfSlg. 10303/1984), bloß wegen Anwendung einer gesetzwidrigen V aufgehoben hatte, konnte er auf die von Ruppe (Verlustzuweisungen an Kommanditisten mit negativem Kapitalkonto, ÖStZ 1980, 170ff,

174) erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die auf die Rechtsprechung des VwGH gestützte Praxis der Behörden dort nicht mehr eingehen. Er hat aber im Erkenntnis VfSlg.10731/1985 (betreffend §23a EStG) bei Wiedergabe des Einleitungsbeschlusses Gelegenheit gefunden, seine Auffassung darzulegen (II.1. vor Punkt 2. des dort wiedergegebenen Einleitungsbeschlusses) und dabei betont, er halte daran fest, daß das Einkommensteuerrecht nach Haftungsverhältnissen unterscheiden und Vermögensbewegungen steuerlich unberücksichtigt lassen kann, die sich auf die wirtschaftliche Lage des Kommanditisten weder negativ noch positiv auswirken (Punkt 2. des wiedergegebenen Einleitungsbeschlusses); das Gesetzesprüfungsverfahren hatte nichts ergeben, was daran Zweifel erweckt hätte.

Die Beschwerde zieht diesen Ausgangspunkt auch nicht in Zweifel. Sie bemängelt lediglich die Außerachtlassung des Investitionsfreibetrages und der Entnahmen durch die bel. Beh. als nicht folgerichtig.

2. Der Vorwurf, die Behörde verletze die Bf. im Eigentumsrecht, weil sie dem Gesetz fälschlich einen verfassungswidrigen - unsachlichen, gleichheitswidrigen - Inhalt unterstelle und das Gesetz daher denkunmöglich anwende, ist aber nicht berechtigt:

a) Zum Investitionsfreibetrag führt der angefochtene Bescheid aus:

"Nach der Regelung des HGB (§§169 und 337 Abs2 HGB) sind Gewinne des Kommanditisten bzw. des stillen Gesellschafters in erster Linie zur Abdeckung früherer Verluste zu verwenden. Das handelsrechtliche 'Verlustauffüllungsgebot' bedeutet, daß sich das negative Kapitalkonto des Kommanditisten bzw. stillen Gesellschafters in späteren Gewinnjahren nach Maßgabe des Gewinnanteiles in eine echte Verbindlichkeit gegenüber der Gesellschaft verwandelt (so auch RUPPE, ÖStZ 1980, S. 173). Diesen Umstand hat der VwGH aber als nicht ausreichend erachtet, um eine Verlustzuweisung an den Kommanditisten (stillen Gesellschafter) über seine Einlage hinaus zu begründen (vgl. das Erkenntnis vom 15. April 1980, Zl. 1661/79). Nach der Rechtsprechung des VwGH stellen vielmehr die über die Einlage hinausgehenden Verluste - sofern keine Nachschußpflicht vereinbart ist - beim Kommanditisten (stillen Gesellschafter) keine echte Vermögensminderung, die zur Verlustabdeckung zu verwendenden Gewinne andererseits aber keine steuerlich relevante Vermögensvermehrung dar - diese Gewinne sind daher ebenso dem Komplementär (Inhaber des Handelsgewerbes) zuzurechnen. Gleiches muß gelten, wenn bei Ausscheiden eines Kommanditisten (unechten stillen Gesellschafters) mit negativem Kapitalkonto durch Realisierung der anteiligen stillen Reserven ein Veräußerungsgewinn entsteht; auch dieser stellt insoweit, als dem Anspruch des ausscheidenden Gesellschafters auf Abfindung der seinem Anteil entsprechenden stillen Reserven die Verpflichtung zur Auffüllung des negativen Kapitalkontos gegenübertritt, beim Kommanditisten (unechten stillen Gesellschafter) steuerlich keine Vermögensvermehrung dar und ist dementsprechend nicht ihm, sondern dem Komplementär (Inhaber des Handelsgewerbes) zuzurechnen. Die durch die Aufdeckung stiller Reserven bei Ausscheiden des Kommanditisten (unechten stillen Gesellschafters) entstehende handelsrechtliche Auffüllungsverpflichtung vermag daher ebensowenig wie die Verpflichtung zur Verlustabdeckung aus laufenden Gewinnen eine für die Verlustzurechnung ausreichende wirtschaftliche Belastung des Kommanditisten (unechten stillen Gesellschafters) zu begründen."

Ob diese Überlegungen den Kern der Sache treffen, kann dahingestellt bleiben. Eine Unsachlichkeit kann der VfGH in der Auslegung der Behörde entgegen dem Vorwurf der Beschwerde jedenfalls nicht erkennen. Geht man davon aus, daß den Kommanditisten oder einen ihm vergleichbaren anderen Mitunternehmer, den keine über seine Einlage hinausgehende wirtschaftliche Belastung trifft, auch ein allfälliger Verlust nur bis zur Höhe dieser Einlage belasten kann, so kommt es nicht darauf an, ob dieser Verlust ein realer ist oder nur fiktiv - etwa bloß zwecks Begünstigung von Investitionen - in Anschlag zu bringen ist. Indem die Investitionsbegünstigung in Form eines Steuerfreibetrages gewährt wird - und an der Zulässigkeit dieser Begünstigungsform hat der VfGH gleichfalls keine Bedenken -, wirkt sie sich eben je nach der wirtschaftlichen Lage des Begünstigten verschieden aus und bleibt unter besonderen Umständen sogar wirkungslos. Sollte sich daher aus der Rechtsprechung des VwGH ergeben, daß nach Erschöpfung der Möglichkeit einer Verlustzuweisung der Investitionsfreibetrag im betreffenden Veranlagungsjahr für den (atypischen) stillen Gesellschafter wirkungslos bleibt, wäre das kein sachfremdes Ergebnis. Es wäre daher auch nicht zu beanstanden, wenn der Investitionsfreibetrag als verlusterhöhend ins Kalkül gezogen wird und seinerseits die Zuweisung weiterer Verluste verhindert. Inwiefern bei späteren Gewinnen des stillen Gesellschafters der wirkungslos gebliebene Investitionsfreibetrag wirksam wird, ist aber aus Anlaß der Beschwerde gegen den vorliegenden Bescheid nicht zu untersuchen.

b) Zu den Entnahmen heißt es im angefochtenen Bescheid:

"Nach der in der Berufung zitierten Bestimmung des §172 Abs4 HGB lebt die (gemäß §171 HGB mit der Leistung der Einlage erloschene) Haftung des Kommanditisten gegenüber den Gesellschaftsgläubigern insoweit wieder auf, als die Einlage zurückbezahlt wird oder der Kommanditist Gewinnanteile entnimmt, während sein Kapitalanteil durch Verlust unter den Betrag der geleisteten Einlage herabgemindert ist bzw. durch die Entnahme unter diesen Betrag herabgemindert wird. Diese Bestimmung ist für den Bereich der stillen Gesellschaft nicht anwendbar: Die stille Gesellschaft ist ihrem Wesen nach eine reine Innengesellschaft; aus den im Betrieb geschlossenen Geschäften wird gemäß §335 Abs2 HGB der Inhaber des Handelsgewerbes allein berechtigt und verpflichtet. Eine Haftung des stillen Gesellschafters, der nach außen gar nicht in Erscheinung tritt, für Geschäftsschulden ist nach dem Gesetz in keinem Fall vorgesehen, kann also auch durch Entnahmen nicht begründet werden. Das Argument, im Falle einer 'handelsrechtlichen Haftung über die bedungene Einlage hinaus' seien Verluste auch bei negativem Kapitalkonto dem stillen Gesellschafter zuzurechnen, geht daher jedenfalls ins Leere."

Da laut Vertrag Entnahmen bis zu 5 % des Nennwertes keine Rückzahlungs- oder Auffüllungspflicht auslösten, könnten sie keine Verlustzuweisung rechtfertigen.

Diesen Überlegungen hat die Beschwerde keine überzeugenden Argumente entgegenzustellen. Kommt es nach der Rechtsprechung des VwGH auf die tatsächliche wirtschaftliche Belastung des Mitunternehmers an, so darf die Gleichstellung von Kommanditisten und atypischen stillen Gesellschaftern gleichfalls ohne Verfassungsverstoß - so verstanden werden, daß auf jene Unterschiede in der wirtschaftlichen Belastung abgestellt werden muß, die sich aus dem Fehlen jeglicher Haftung (im Außen- wie im Innenverhältnis) ergeben. Der in §172 Abs4 HGB enthaltene "allgemeine gesellschaftsrechtliche Grundsatz" schließt den stillen Gesellschafter gerade nicht ein. Auf die bloße Möglichkeit der Anfechtung einer Rechtshandlung im Konkursfall (§342 HGB) müßte der Gesetzgeber nicht Bedacht nehmen.

Die erhobenen Vorwürfe sind also nicht begründet.

Bedenken gegen die Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides sind nicht entstanden. Die Verletzung anderer verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte ist gleichfalls nicht hervorgekommen. Die Beschwerde ist folglich abzuweisen und antragsgemäß dem VwGH abzutreten.

Da von einer mündlichen Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht zu erwarten war, hat der Gerichtshof von einer mündlichen Verhandlung abgesehen (§19 Abs4 VerfGG).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte