VfGH V77/86

VfGHV77/8611.3.1987

Wr. VerwaltungsabgabenG 1925 idF LGBl. 30/1979; Wr. VerwaltungsabgabenV 1982 Tarif I Post 36 litb; das G genügt in Bezug auf die Höhe der Abgabe dem Art18 B-VG; Verwaltungsabgabe stellt nach überkommenem Verständnis die Gegenleistung für die behördliche Amtshandlung dar; verfassungskonforme Interpretation des G; Abgabepflicht, die allein an die Erteilung einer Ausnahmebewilligung anknüpfte, ohne durch den Aufwand der Behörde oder den Wert der Amtshandlung für den Interessenten im Hinblick auf einen ihm vor anderen zukommenden Vorteil beschränkt zu sein, würde die Lasten unsachlich verteilen; Gebietskörperschaft benützt hier eine behördliche Amtshandlung zur Ersatzleistung einer gleichsam dauernder Einnahmequelle - keine Gegenleistung für die Amtshandlung, sondern Gegenleistung für das bewilligte Verhalten selbst; Regelung geht über das der Amtshandlung selbst Angemessene im Wert offenkundig hinaus; Feststellung der Gesetzwidrigkeit des Tarifs I Post 36 litb Wr. VerwaltungsabgabenV; gem. Art139 Abs6 B-VG Ausschluß der Anwendung aufgehobenen Bestimmung auch auf andere Tatbestände

Normen

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art7 Abs1 / Verordnung
B-VG Art18 Abs1
B-VG Art139 Abs4
B-VG Art139 Abs6 zweiter Satz
Wr VerwaltungsabgabenV. LGBl 11/1982 Tarif I. Tarifpost 36 litb
Wr VerwaltungsabgabenG. LGBl 50/1925 idF der Nov LGBl 30/1979 §2
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art7 Abs1 / Verordnung
B-VG Art18 Abs1
B-VG Art139 Abs4
B-VG Art139 Abs6 zweiter Satz
Wr VerwaltungsabgabenV. LGBl 11/1982 Tarif I. Tarifpost 36 litb
Wr VerwaltungsabgabenG. LGBl 50/1925 idF der Nov LGBl 30/1979 §2

 

Spruch:

Im Tarif I der V der Wiener Landesregierung vom 9. März 1982 über Verwaltungsabgaben, Kommissionsgebühren und Überwachungsgebühren, LBGl. Nr. 11, Tarifpost 36 litb, waren die Worte "je angefangenen Monat" gesetzwidrig.

Diese Worte sind nicht mehr anzuwenden.

Die Wiener Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Landesgesetzblatt verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Die §§1 und 2 des bis 31. Dezember 1984 in Geltung gestandenen, seit 1. Jänner 1985 durch das Gesetz vom 28. September 1984, LGBl. 49, abgelösten Gesetzes vom 21. Dezember 1925, LGBl. 50, über die Festsetzung des Ausmaßes von Verwaltungsabgaben im Bereich des Landes und der Gemeinde Wien (kurz VerwAbgG) lauteten in der Fassung der Nov. LBGl. 30/1979 folgendermaßen:

"§1. In den Angelegenheiten der Landes- und Gemeindeverwaltung . . . haben die Parteien für die Verleihung von Berechtigungen und sonstige auch in ihrem Privatinteresse liegende Amtshandlungen der Behörden Landes- und Gemeindeverwaltungsabgaben zu entrichten, sofern die Freiheit von derlei Abgaben nicht ausdrücklich durch Gesetz festgesetzt ist.

§2. Für das Ausmaß der Verwaltungsabgaben sind durch V der Landesregierung zu erlassende Tarife maßgebend, in denen die Abgaben mit festen Ansätzen, die nach objektiven Merkmalen abgestuft sein können, bis zum Höchstbetrag von 4.500 S im einzelnen Fall festzusetzen sind."

Die aufgrund des §2 erlassene V der Landesregierung erklärte für das Ausmaß der Verwaltungsabgabe die Ansätze des ihr angeschlossenen Tarifes I für maßgebend. Demnach betrug die Abgabe für

"36. Bewilligungen von Ausnahmen von Verkehrsgeboten oder -verboten

a) für einmalige Straßenbenützung ..............80 S

b) für mehrmalige Straßenbenützung

je angefangenen Monat ......................150 S".

Einen ermäßigten Satz enthielt diese Tarifpost für Ausnahmebewilligungen nach litb an körperbehinderte Personen.

1. Beim VfGH ist zu B43/85 die Beschwerde eines in Wien ... wohnenden Rechtsanwaltes anhängig, der im Oktober 1984 eine bis 30. September 1986 befristete Ausnahmebewilligung nach §45 Abs2 StVO von dem für diese Straße verordneten Fahr- und Einfahrtverbot zum Zweck der Zu- und Abfahrt zu der von ihm im selben Haus gemieteten Garage erwirkt hatte. Für diese Bewilligung wurde ihm unter Berufung auf Tarif I Post 36 der VerwaltungsabgabenVO eine Abgabe von 150 S pro Monat, also insgesamt 3.600 S vorgeschrieben. Die gegen diese Vorschreibung gerichtete Berufung blieb erfolglos. In seiner Beschwerde gegen den Berufungsbescheid der Landesregierung rügt er unter anderem die Anwendung einer gesetzwidrigen V. Der Tarif belaste Bewohner der ..., die schon aus beruflichen Gründen einen PKW halten müssen, gegenüber anderen Bewohnern dieser Straße und gegenüber Bürgern außerhalb einer verkehrsarmen Zone oder Anrainern von Straßen mit generellen Ausnahmen in unsachlicher und damit gleichheitswidriger Weise. Es müsse unterschieden werden, ob der Bewilligungswerber wirklich einen Vorteil erlange oder nur einen erlittenen Nachteil ausgeglichen erhalte.

2. Aus Anlaß dieses Beschwerdeverfahrens sind beim VfGH Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der als präjudiziell in Betracht kommenden Post 36 litb des Tarifs I der VerwaltungsabgabenVO, LGBl. 11/1982, entstanden.

Die Bedenken betreffen den Umstand, daß die Abgabe sich nach der Bewilligungsdauer vervielfacht und so zumindest im Ergebnis wie eine Gegenleistung für das bewilligte Verhalten wirkt. Der Prüfungsbeschluß führt dazu aus:

"a) Das Gesetz legt nicht die genaue Höhe der Abgabe, sondern nur einen Höchstbetrag fest, und verpflichtet die Landesregierung, allfällige Abstufungen nur 'nach objektiven Merkmalen' vorzunehmen. Nach der Rechtsprechung des VfGH reicht es aber aus, wenn dem Gesetz insgesamt zu entnehmen ist, wie die Behörde Beiträge oder Abgaben dieser Art festzusetzen hat. So hielt der Gerichtshof das OÖ FremdenverkehrsG für ausreichend bestimmt, weil es durch Festlegung des Aufteilungsschlüssels (des wirtschaftlichen Vorteils aus dem Fremdenverkehr) und einer Maximalhöhe des Beitrages für den aus dem Fremdenverkehr den größten wirtschaftlichen Vorteil erzielenden Interessenten das Maximum des zulässigen Gesamterfordernisses bestimme und für die Aufteilung an die Abgabe(Beitrags)pflichtigen durch den Verordnungsgeber genügend Anhaltspunkte gebe (VfSlg. 6873/1972). In diesem Sinne hatte er auch gegen die OÖ Regelung der Verwaltungsabgaben in Angelegenheiten des Grundverkehrs und des Ausländergrunderwerbs keine verfassungsrechtlichen Bedenken, weil sie die Pflicht zur Bedachtnahme auf den Wert der Rechtsgeschäfte und den erforderlichen Aufwand gleichfalls mit einer solchen Höchstgrenze verband (VfSlg. 8468/1978).

Das VerwAbgG läßt zwar nicht auf den ersten Blick erkennen, was unter den 'objektiven Merkmalen' zu verstehen sein soll, nach denen die Behörde die festen Ansätze abstufen kann. Ob eine Norm dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot entspricht, richtet sich aber nicht nur nach ihrem Wortlaut, sondern auch nach ihrer Entstehungsgeschichte, dem Gegenstand und Zweck der Regelung und nach dem übrigen Inhalt der Rechtsordnung, wobei alle der Auslegung zur Verfügung stehenden Möglichkeiten auszuschöpfen sind (VfSlg. 8395/1978, 9883/1983). Nun sind Abgaben der Parteien 'für die Verleihung von Berechtigungen und sonstige auch in ihrem Privatinteresse liegende Amtshandlungen' ein der österreichischen Rechtsordnung geläufiger Abgabentypus. Die Amtshandlungen sind nicht nur Anlaß, sondern auch Grund und Grenze für die Vorschreibung solcher Verwaltungsabgaben. Die Höhe dieser Abgaben richtet sich herkömmlicherweise einerseits nach dem Aufwand der Behörde, andererseits aber nach dem Wert der Amtshandlung für den Interessenten, wobei insbesondere der Vorteil ausschlaggebend ist, den dieser durch die Amtshandlung vor anderen erlangt, außerdem aber auch seine durchschnittliche Belastbarkeit berücksichtigt zu werden pflegt. Der Gerichtshof geht daher davon aus, daß der Gesetzgeber diese - am herkömmlichen Begriff der Verwaltungsabgabe orientierten 'objektiven Merkmale' berücksichtigt wissen will und §2 VerwAbgG ausreichend bestimmt ist.

b) In das so umschriebene Bild scheint sich die Post 36 des Tarifs I indessen nicht einzufügen. Zwar leuchtet ein, daß Bewilligungen der in Rede stehenden Art häufig umfangreichere Erhebungen und sorgfältigere Überlegungen erfordern und daher einen höheren Verwaltungsaufwand verursachen, wenn sie für längere Zeit erteilt werden sollen, und es ist klar, daß ihr Wert für den Ausnahmewerber umso höher ist, je länger sie wirksam sind. Aber der Gerichtshof kann nicht finden, daß sich Aufwand und Wert in gleichem Maß erhöhen wie die Wirkungsdauer der Bewilligung. Es scheint, daß mit einer so gestalteten Abgabe jedenfalls im Ergebnis nicht die bewilligende Amtshandlung, sondern das bewilligte Verhalten nach Art einer laufenden Benützungsgebühr vergolten werden soll. Es scheint nicht dem Gesetz zu entsprechen, wenn Wien sich aus solchen Bewilligungen im Ergebnis eine dauernde Einnahmequelle verschafft. Sollen die Ausnahmen doch auch bewilligt werden, wenn ein erhebliches persönliches Interesse des Antragstellers sie erfordert oder sich die ihm obliegenden Aufgaben anders nicht oder nur mit besonderen Erschwernissen durchführen ließen (§45 Abs2 StVO). Da Ausnahmebewilligungen solcherart häufig nur die Nachteile zu weit gefaßter genereller Normen beseitigen und für den einzelnen erträglich machen sollen, dürfte ihr Wert jedenfalls nicht eine regelrechte Vervielfachung der Abgabe nach dem Maß der Bewilligungsdauer rechtfertigen.

Es stößt ferner auf Bedenken, ob das Gesetz ermöglicht, die Abgabe für die Bewilligungen der in Rede stehenden Art (im Hinblick auf die Notwendigkeit einer neuerlichen Bewilligung wegen der zeitlichen Höchstdauer von zwei Jahren) etwa für die Dauer von drei Jahren praktisch mit dem Höchstausmaß festzusetzen, wie es etwa für die Bewilligung von Sonderbestattungsanlagen (TP22), bau- oder naturschutzrechtliche Genehmigungen für Großvorhaben (TP45, 48 und 51 bzw. 131 und 141) oder für die Bewilligung zur Führung des Stadtwappens für Erwerbsunternehmen (TP122) vorgesehen ist.

Da die Bedenken ihren Sitz ausschließlich in den Worten 'je angefangenen Monat' haben, genügt es, diese Worte in Prüfung zu ziehen."

3. Die Wiener Landesregierung verteidigt die Gesetzmäßigkeit der V. Nach ihrer Ansicht

"sind ... die Worte 'nach objektiven Merkmalen' nicht nur nach dem herkömmlichen Begriff der Verwaltungsabgaben auszulegen, sondern ist die Bedeutung dieser Worte auch im Wege der historischen Interpretation zu ermitteln. Ob eine Norm dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot entspricht, richtet sich wie der VfGH ausführt - ja nicht nur nach ihrem Wortlaut, sondern ua. nach ihrer Entstehungsgeschichte. Betrachtet man die dem gegenständlichen VerwAbgG zeitlich vorangegangenen Gesetze zum selben Gegenstand, so ersieht man, daß der Gesetzgeber den von ihm verwendeten Begriff 'nach objektiven Merkmalen' insofern konkretisiert hat, als er selbst in das jeweilige Gesetz einen Teil des Tarifes für die Verwaltungsabgaben aufgenommen hat, in welchem die Abgaben nach bestimmten Merkmalen abgestuft waren (während der andere Teil des Tarifes durch V geregelt war)".

So habe das Gesetz LGBl. 9/1957 ArtI Punkt I gesagt:

"4. Erteilung einer Konzession für Filmvorführungen

a) für je angefangene 100 Plätze Fassungsraum

und jedes volle Jahr der bewilligten Konzessionsdauer

..................................S ...

b) für je angefangene 100 Plätze Fassungsraum

bei einem kürzeren Zeitraum der bewilligten

Konzessionsdauer als 1 Jahr für je 3 Monate Be-

willigungsdauer ......................S ..."

Eine sinngemäß gleiche Formulierung habe ArtI Z2 Punkt 4 des Tarifs LGBl. 10/1968 enthalten.

Unter einer Abstufung "nach objektiven Merkmalen" im Sinne des §2 VerwAbgG habe der Gesetzgeber also sehr wohl auch eine solche nach der Zeitdauer der Bewilligung verstanden.

Dem so umschriebenen Bild füge sich die in Prüfung gezogene Bestimmung ein:

"Wie der VfGH mit Erkenntnis vom 24. Juni 1931, VfSlg. 1411, aussprach, hat der Begriff der Verwaltungsabgabe durchaus nicht zur Voraussetzung, daß die Abgabe nur die der Behörde aus ihrer Amtshandlung erwachsenen Kosten zu decken habe, aber darüberhinaus keinen Ertrag abwerfen dürfe. Hinsichtlich anderer einen Ertrag abwerfenden Einnahmen einer Gebietskörperschaft hat der VfGH bereits erkannt, daß bei der Regelung auch andere als fiskalische Zwecke mit verfolgt werden können (zum Beispiel VfSlg. 5268, 7967, 8457, 9750). In diesem Sinne ist in der Abstufung der Verwaltungsabgaben nach Monaten die Verfolgung des Zwecks zu sehen, Ausnahmen von Verkehrsgeboten oder -verboten in ihrer Dauer möglichst zu beschränken, um die Wirksamkeit des Verkehrsgebotes oder -verbotes nicht allzusehr zu beeinträchtigen.

Wäre dieser Zweck nicht verfolgt worden, so hätte für 'mehrmalige Straßenbenützung' der gesetzliche Höchstbetrag festgesetzt werden können, ohne daß Gesetzwidrigkeit eingetreten wäre, dies selbst dann, wenn die Verwaltungsabgabe einen Ertrag abgeworfen hätte, da ja - wie bereits ausgeführt - der Begriff der Verwaltungsabgabe durchaus nicht zur Voraussetzung hat, daß die Abgabe nur die der Behörde aus ihrer Amtshandlung erwachsenen Kosten zu decken habe, darüberhinaus aber keinen Ertrag abwerfen dürfe."

II. Das Verordnungsprüfungsverfahren ist zulässig.

Das Verfahren hat keine Zweifel über die Zulässigkeit der Anlaßbeschwerde ergeben. Der VfGH hätte bei ihrer Beurteilung Tarif I Post 36 litb der VerwaltungsabgabenVO anzuwenden.

III. Die Bedenken des VfGH sind begründet. Die Worte "je angefangenen Monat" in TP36 litb waren gesetzwidrig.

1. Der VfGH hält an der im Prüfungsbeschluß dargelegten Auffassung fest, daß das VerwAbgG in bezug auf die Höhe der Abgabe dem Bestimmtheitserfordernis des Art18 B-VG genügt, weil sich der Gesetzgeber am überkommenen Begriff der Verwaltungsabgabe orientiert hat und daher im Rahmen der Höchstgrenze einerseits der Aufwand der Behörde, andererseits der Wert der Amtshandlung für den Interessenten, insbesondere der Vorteil maßgebend ist, den dieser durch die Amtshandlung vor anderen erlangt, wobei auch seine durchschnittliche Belastbarkeit zu berücksichtigen ist.

Die Landesregierung meint, frühere Fassungen des Gesetzes bewiesen die Zulässigkeit von Abgaben nach dem Maß der Bewilligungsdauer. In der Tat wäre der Vorwurf einer Gesetzwidrigkeit unberechtigt, wenn schon das Gesetz selbst die Höhe der Verwaltungsabgabe nach dem Maß der Bewilligungsdauer bemessen würde. Eine solche Bestimmung enthält aber das geltende Gesetz nicht.

Es darf auch nicht im Sinne der ihm vorangegangenen Vorschriften verstanden werden. Im Prüfungsbeschluß ist der VfGH davon ausgegangen, daß die Verwaltungsabgabe nach überkommenem Verständnis die Gegenleistung für die behördliche Amtshandlung darstellt. Sie ist deshalb wohl nicht auf die Deckung der Kosten der Amtshandlung beschränkt. Im Erkenntnis VfSlg. 1411/1931 hat der Gerichtshof klargestellt, daß die Verwaltungsabgabe auch Erträgnisse abwerfen darf. Das Problem von Tarifen der in Prüfung stehenden Art liegt aber nicht darin, daß die Gebietskörperschaft sich mit der Abgabe eine Einnahme verschafft, sondern daß sie die Gelegenheit einer behördlichen Amtshandlung zur Erschließung einer gleichsam dauernden Einnahmequelle benutzt. Läuft doch die gewählte Technik im wesentlichen auf ein Ergebnis hinaus, wie es auch einträte, wenn die Amtshandlung eine regelmäßig fortlaufende Zahlungspflicht hier zB von monatlich 150 S - auslöste; bloß eben daß dieser Betrag gleich zur Gänze fällig wird. Das verschiebt den Akzent der Abgabe insgesamt von einer Gegenleistung für die Amtshandlung hin zu einer Gegenleistung für das bewilligte Verhalten selbst. Eine solche Technik wäre nur dann unbedenklich, wenn sie ein bloßer Berechnungsmodus bliebe, dessen Ergebnis den Wert der Amtshandlung gemessen an den Abgaben für andere Amtshandlungen nicht wesentlich überschritte. Über das der Amtshandlung selbst Angemessene geht aber die in Prüfung stehende Regelung offenkundig weit hinaus. Für eine Gesamtdauer von drei Jahren erreicht sie (bei zwei Bewilligungsakten) bereits das gesetzliche Höchstausmaß, das sonst nur für die Bewilligung von Großprojekten oder Privilegien vorgesehen ist, bei welchen der Aufwand der Behörde oder der Nutzen des Berechtigten schon außer jedem Verhältnis zum Höchstausmaß der Abgabe steht. Daß das Gesetz diese Möglichkeit eröffnet, kann der VfGH ihm nicht unterstellen, weil es dann selbst unsachlich und damit verfassungsrechtlich bedenklich würde.

2. Unsachlich wäre eine solche Gesetzesauslegung deshalb, weil die behördliche Amtshandlung dann nicht mehr Grund und Grenze der Abgabe, sondern nur noch der Anlaß wäre, das bewilligte Verhalten selbst zu besteuern. Ein Verhalten aber nur deshalb zu besteuern, weil dafür eine behördliche Bewilligung erforderlich ist, würde jeder sachlichen Rechtfertigung entbehren. Das Erfordernis einer behördlichen Bewilligung zeigt nicht an, daß sich das bewilligte Verhalten als unerwünscht oder gar sozialschädlich von anderen Verhaltensweisen abhebt.

Der Einwand der Landesregierung, die Abgabe habe - auch - den Zweck, Ausnahmen von Verkehrsvorschriften in ihrer Dauer möglichst zu beschränken (und damit diese Vorschriften möglichst wirksam zu lassen), unterstellt eine Zielsetzung, die dem überkommenen Begriff der Verwaltungsabgabe nicht innewohnt und die Abgabe zu einer unsachlichen Maßnahme der Handhabung des Straßenverkehrsrechts machen würde (, deren kompetenzrechtliche Zulässigkeit hier dahingestellt bleiben mag). Gewiß können im Abgabenrecht auch andere als fiskalische Zwecke verfolgt werden. Aber auch Abgabenvorschriften müssen sachlich gerechtfertigt sein. Und es gibt keinen Grund, die Bewilligung von Ausnahmen von Verkehrsvorschriften ganz allgemein stärker einzuschränken, als das in den Verkehrsvorschriften vorgesehen ist. Eine solche Zielsetzung würde nicht berücksichtigen, daß Ausnahmen von Verkehrsgeboten und -verboten häufig durch ein erhebliches persönliches Interesse des Antragstellers gefordert werden und insbesondere dann zu bewilligen sind, wenn sich die ihm obliegenden Aufgaben anders nicht oder nur mit besonderen Erschwernissen durchführen lassen, sodaß - wie der Prüfungsbeschluß betont - Ausnahmebewilligungen häufig nur die Nachteile zu weit gefaßter genereller Normen beseitigen und für den einzelnen erträglich machen. Zurecht weist der Bf. des Anlaßverfahrens darauf hin, daß die Notwendigkeit einer Ausnahmebewilligung häufig aus Ge- oder Verboten entsteht, die den Betroffenen übermäßige Nachteile brächten (die sogar ihrerseits eine Entschädigung rechtfertigen würden), wenn sie nicht durch die Ausnahmebewilligung vermieden oder gemildert würden. Dem Wirtschaftstreibenden, der für die Zufahrt zu seinem Betrieb wegen eines Fahrverbotes auf die Erteilung einer Ausnahmebewilligung angewiesen ist, wird durch die gesetzmäßige Erteilung der Bewilligung ebensowenig eine (abzuschöpfende) Begünstigung vor anderen zuteil wie dem Bewohner eines Hauses, der die Bewilligung für eine ihm sonst verwehrte Zulieferung benötigt. Eine Abgabepflicht, die allein an die Erteilung einer Ausnahmebewilligung anknüpfte, ohne durch den Aufwand der Behörde oder den Wert der Amtshandlung für den Interessenten im Hinblick auf einen ihm vor anderen zukommenden Vorteil begrenzt zu sein, würde die Lasten daher unsachlich verteilen.

3. Hätte das Gesetz den von der Wiener Landesregierung unterstellten Inhalt, verstieße es aber auch deshalb gegen den Gleichheitssatz, weil es dann die Bewilligung von Ausnahmen von Verkehrsgeboten und -verboten ohne einleuchtenden Grund erheblich höher besteuern würde als vergleichbare andere behördliche Amtshandlungen. Für die in Rede stehende Bewilligung ist nämlich - mit Rücksicht auf die Notwendigkeit einer neuen Bewilligung spätestens nach Ablauf von zwei Jahren (§45 Abs2 Satz 2 StVO) - auf einen Zeitraum von drei Jahren hinaus die Höchstsumme zu bezahlen, die sonst für die Bewilligung von Sonderbestattungsanlagen (TP22), bau- oder naturschutzrechtliche Genehmigungen für Großvorhaben (TP45, 48 und 51 bzw. 131 und 141) oder für die Bewilligung zur Führung des Stadtwappens für Erwerbsunternehmen (TP122) vorgesehen ist. Für dieses Mißverhältnis kann der VfGH keine Rechtfertigung finden.

Gemessen an einem verfassungskonform ausgelegten Gesetz erweist sich die in Prüfung gezogene Verordnungsstelle somit als gesetzwidrig.

IV. Mit V vom 12. Feber 1985, LGBl. 8, hat die Wiener Landesregierung aufgrund des VerwaltungsabgabenG 1985, LGBl. 49/1984, eine neue VerwaltungsabgabenVO erlassen. Deren Inkrafttreten hat die in Prüfung stehende V LGBl. 11/1982 außer Kraft gesetzt (§9). Es ist daher auszusprechen, daß die in Prüfung gezogene Verordnungsbestimmung gesetzwidrig war (Art139 Abs4 B-VG). Der VfGH findet aber keinen Grund, die Wirkungen dieses Ausspruchs auf den Anlaßfall beschränkt zu lassen. Er macht daher von der in Art139 Abs6 B-VG eröffneten Möglichkeit Gebrauch, die Anwendung des gesetzwidrigen Normteiles auch auf andere Tatbestände auszuschließen.

Die Kundmachungspflicht stützt sich auf Art139 Abs5

B-VG.

Da von einer mündlichen Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht zu erwarten war, hat der Gerichtshof von einer mündlichen Verhandlung abgesehen (§19 Abs4 VerfGG).

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