Normen
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art144 Abs1 / Instanzenzugserschöpfung
MuttSchG §§24 f
AlVG §14
MuttSchG §15
AlVG §26
AlVG §56 Abs1
AlVG §58
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art144 Abs1 / Instanzenzugserschöpfung
MuttSchG §§24 f
AlVG §14
MuttSchG §15
AlVG §26
AlVG §56 Abs1
AlVG §58
Spruch:
Die Bf. ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) ist schuldig, der Bf. zuhanden ihres Vertreters die mit 11.000 S bestimmten Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen bei sonstigem Zwang zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1.a) Die Bf. ist seit März 1980 als Hausangestellte bei ein und demselben Dienstgeber beschäftigt. Aus Anlaß der Geburt ihres ersten Kindes bezog sie vom 21. April bis 11. August 1983 Wochengeld und sodann bis 16. Juni 1984 Karenzurlaubsgeld. Im Anschluß daran nahm sie ihre Tätigkeit wieder auf und arbeitete bis zum Beginn des Beschäftigungsverbots für werdende Mütter aus Anlaß der zu erwartenden Geburt ihres zweiten Kindes (das war der 2. August 1984) als Hausangestellte. Nach Ablauf des Beschäftigungsverbotes nach der Entbindung (das war der 22. November 1984) gewährte ihr der Dienstgeber wegen ihrer Mutterschaft einen Urlaub gegen Karenz der Bezüge.
b) Mit einem am 26. November 1984 gestellten Antrag begehrte die Bf. die Zuerkennung eines Karenzurlaubsgeldes. Diesem Antrag gab das Arbeitsamt Gmunden mit Bescheid vom 22. Jänner 1985 mangels Erfüllung der Anwartschaft keine Folge.
In der dagegen erhobenen Berufung vertrat die Bf. die Auffassung, daß ihr die Zeit des Wochengeldbezugs aus Anlaß der Geburt ihres zweiten Kindes auf die Anwartschaft anzurechnen sei, da sie vorher berufstätig und nachher in Karenzurlaub gewesen sei; unter Anrechnung der Zeit des Wochengeldbezugs erfülle sie die Voraussetzungen, sodaß ihr Karenzurlaubsgeld nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz (AlVG) zustehe.
Mit Bescheid des Landesarbeitsamtes Oberösterreich vom 30. Mai 1985 wurde der Berufung nicht stattgegeben und der Bescheid des Arbeitsamtes Gmunden bestätigt.
2.a) Gegen den Bescheid des Landesarbeitsamtes Oberösterreich richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der eine Rechtsverletzung infolge Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes sowie die Verletzung der Grundrechte der Unverletzlichkeit des Eigentums und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheids, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den VwGH beantragt wird.
b) Die bel. Beh. hat die Verwaltungsakten vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift jedoch abgesehen.
II. 1. Gemäß §56 Abs1 iVm §58 AlVG ist gegen Entscheidungen des Landesarbeitsamtes in Angelegenheiten des Karenzurlaubsgeldes eine weitere Berufung nicht zulässig. Der Instanzenzug ist somit erschöpft. Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist die Beschwerde zulässig.
2.a) Gemäß §26 Abs1 AlVG haben Mütter Anspruch auf Karenzurlaubsgeld, wenn sie u.a. die Anwartschaft erfüllt haben. Gemäß Abs2 dieser Bestimmung sind bei der Beantwortung der Frage, ob die Anwartschaft erfüllt ist, (mit bestimmten, hier nicht relevanten Adaptationen) §14 Abs1 und 2, bestimmte Teile des §14 Abs4 und §15 AlVG sinngemäß anzuwenden.
Gemäß §14 Abs2 leg.cit. ist bei der nicht erstmaligen Inanspruchnahme die Anwartschaft erfüllt, wenn der Arbeitslose im Fall der sinngemäßen Anwendung gemäß §26: die Mutter - "in den letzten 12 Monaten vor Geltendmachung des Anspruchs insgesamt 20 Wochen arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt war". Nach Abs4 dieser Bestimmung (auf die in §26 Abs2 insoweit ebenfalls verwiesen wird) sind u.a. Zeiten eines Wochengeldbezugs während eines arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses auf die Anwartschaft anzurechnen, sofern das Beschäftigungsverhältnis anschließend an den Wochengeldbezug fortgesetzt oder ein Karenzurlaub iS des Mutterschutzgesetzes (MSchG) in Anspruch genommen wurde.
b) Die bel. Beh. hat nun die Zeit, während der die Bf. Wochengeld bezogen hat, nicht auf die Anwartschaft für das Karenzurlaubsgeld angerechnet. Sie hat sich dabei auf das MSchG 1979 gestützt, das eine Wiederverlautbarung des MSchG 1957 und seiner bis 1979 ergangenen Novellen darstellt. Der vom Dienstgeber gewährte Karenzurlaub sei keiner "im Sinne des MSchG", weil gemäß §§24 und 25 MSchG u.a. die Bestimmung des §15 MSchG, die den Karenzurlaub regelt, für Dienstnehmerinnen, die ausschließlich zur Leistung von Diensten für die Hauswirtschaft des Dienstgebers oder für Mitglieder des Hausstandes angestellt sind, nicht anzuwenden sind.
c) Mit dieser Auslegung hat die bel. Beh. dem Gesetz einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt.
Es geht dabei - entgegen der in der Beschwerde vertretenen Ansicht - nicht darum, ob es sachlich gerechtfertigt ist, daß für Hausangestellte im Hinblick auf die spezifische Art der Erbringung ihres Dienstes und der Art und Weise des Zusammenlebens und Zusammenarbeitens in der Hausgemeinschaft §15 MSchG nicht gilt und demnach kein Anspruch auf einen Karenzurlaub besteht; vielmehr geht es hier um die Frage, ob diese Sonderregelung des MSchG für Hausangestellte Auswirkungen auf den Anspruch auf Karenzurlaubsgeld gemäß AlVG haben darf, wenn der Hausangestellten vom Dienstgeber, ohne daß er dazu verpflichtet wäre, ein Urlaub gegen Karenz der Bezüge gewährt wird.
Hätten die von der Behörde angewendeten Bestimmungen den ihnen bei der Anwendung zugemessenen Inhalt, so wären sie in der Tat gleichheitswidrig. Denn es wäre sachlich nicht zu rechtfertigen, Hausangestellten, die an sich dem Geltungsbereich des AlVG unterliegen und die Arbeitslosenversicherungsbeiträge zu entrichten haben (bzw. für die solche Beiträge zu entrichten sind), von einem keineswegs nur unwesentlichen Teil der Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung, nämlich der Zahlung eines Karenzurlaubsgeldes während des gewährten Karenzurlaubes, auszunehmen (vgl. auch VfSlg. 9372/1982).
Eine solche, im Ergebnis gleichheitswidrige Interpretation der §§26 und 14 AlVG ist aber nicht zwingend. Zwar ist es richtig, daß für die Frage, ob Karenzurlaubsgeld zusteht, gemäß §26 Abs1 die Anwartschaft erfüllt sein muß, wobei zur Beantwortung der Frage, wann die Anwartschaft erfüllt ist u.a. §14 Abs2 AlVG sinngemäß anzuwenden ist. Auch trifft es zu, daß nach dieser verwiesenen Bestimmung des AlVG im Falle der nicht erstmaligen Mutterschaft die Anwartschaft für eine Mutter dann gegeben ist, wenn sie innerhalb der Rahmenfrist von 12 Monaten vor Geltendmachung des Anspruchs insgesamt 20 Wochen arbeitslosenversicherungspflichtig war. Eine Antwort auf die Frage, wann dies zutrifft, in concreto: ob und wann Zeiten des Wochengeldbezugs auf die Anwartschaftszeiten anzurechnen sind, gibt das Gesetz in §14 Abs4 litc AlVG. Diese Bestimmung lautet im Zusammenhang:
"Auf die Anwartschaft sind folgende im Inland zurückgelegte oder auf Grund inländischer Rechtsvorschriften erworbene Zeiten anzurechnen: . . .
c) Zeiten eines Wochengeldbezuges während eines arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses, sofern das Beschäftigungsverhältnis anschließend an den Wochengeldbezug fortgesetzt oder ein Karenzurlaub im Sinne des Mutterschutzgesetzes, BGBl. Nr. 76/1957, in geltender Fassung in Anspruch genommen wurde; . . ."
Die bel. Beh. hat dies dahin verstanden, daß eine Anrechnung der Zeit des Wochengeldbezugs, falls das Beschäftigungsverhältnis nicht anschließend an den Wochengeldbezug fortgesetzt wird, nur in Frage kommt, wenn ein Anspruch auf Karenzurlaub gemäß §15 MSchG gegeben ist. Hätte die Behörde diese Bestimmung nach dem System und nach der Teleologie der Regeln über die Anwartschaft ausgelegt, so hätte sie erkennen müssen, daß Voraussetzung für die Anrechenbarkeit der Zeiten des Wochengeldbezuges nicht der Anspruch auf einen Karenzurlaub, sondern die Inanspruchnahme eines solchen ist. Es liegt nun keineswegs außerhalb des möglichen Wortsinnes dieser Bestimmung, ihr auch jene Fälle zu unterstellen, in denen ein Karenzurlaub auf Grund freiwilliger Gewährung durch den Arbeitgeber in Anspruch genommen wurde.
Hätte die Behörde die Frage, ob im vorliegenden Fall die Zeit des Wochengeldbezuges in die Anwartschaftszeit gemäß §14 Abs2 AlVG einzurechnen ist, im Rahmen des möglichen Wortsinnes der wiedergegebenen Bestimmung den Anforderungen des Gleichheitsgrundsatzes entsprechend beantwortet, so hätte sie zum Ergebnis gelangen müssen, daß diese Zeit dann einzurechnen ist, wenn - wie im vorliegenden Fall - anschließend an den Wochengeldbezug ein vom Dienstgeber gewährter Karenzurlaub in Anspruch genommen wurde, und zwar auch dann, wenn nach der Regelung des MSchG auf diesen Karenzurlaub kein Rechtsanspruch besteht.
d) Indem die bel. Beh. dies verkannt hat, hat sie dem Gesetz einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt und dadurch ihren Bescheid mit Gleichheitswidrigkeit belastet. Der Bescheid war deshalb aufzuheben.
3.a) Diese Entscheidung konnte, da von einer mündlichen Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht zu erwarten war, ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
b) Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VerfGG. Im Kostenspruch ist Umsatzsteuer in Höhe von 1.000 S enthalten.
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