VfGH B426/86

VfGHB426/862.10.1987

Vorschreibung von Umsatzsteuer für bf. Gesellschaft (Ziviltechnikerbüro) ohne Gewährung des begünstigten Steuersatzes nach §10 Abs2 Z7 litc UStG 1972; eine freiberufliche Tätigkeit wird im Prinzip (nur) von natürlichen Personen ausgeübt; wenn der Abgabepflichtige seine an sich freiberufliche Tätigkeit in Form und im Rahmen einer juristischen Person ausübt, muß er auch die Nachteile in Kauf nehmen, die mit diesem System verbunden sind; hier keine Bedenken gegen die Differenzierung zwischen juristischen und natürlichen Personen; keine Rechtsverletzung

Normen

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
UStG 1972 §10 Abs2 Z7
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
UStG 1972 §10 Abs2 Z7

 

Spruch:

1. Das Verfahren wird, soweit im angefochtenen Bescheid über die Umsatzsteuer für das Jahr 1982 abgesprochen wird, eingestellt.

2. Die bf. Gesellschaft ist durch den angefochtenen Bescheid, soweit er die Vorschreibung von Umsatzsteuer für das Jahr 1984 betrifft, weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird insoweit abgewiesen.

und dem VwGH zur Entscheidung darüber abgetreten, ob die bf. Gesellschaft durch den angefochtenen Bescheid in einem sonstigen Recht verletzt worden ist.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 6. März 1986 wurden Berufungen der bf. Gesellschaft gegen zwei am 22. November 1985 zugestellte Bescheide des Finanzamtes Mödling betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich der Umsatzsteuer für das Jahr 1982 sowie die Vorschreibung von Umsatzsteuer für das Jahr 1984 abgewiesen.

2. Gegen diesen letztinstanzlichen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher sich die bf. Gesellschaft im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt erachtet und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.

II. Die bf. Gesellschaft hat mit Schriftsatz vom 18. Dezember 1986 die Beschwerde, soweit im angefochtenen Bescheid über die Umsatzsteuer für das Jahr 1982 abgesprochen wird, zurückgezogen.

Das Verfahren ist daher insoweit einzustellen.

III. Der VfGH hat im übrigen über die Beschwerde erwogen:

1. Bei der Vorschreibung der Umsatzsteuer für das Jahr 1984 hat die Abgabenbehörde den begünstigten Steuersatz des §10 Abs2 Z7 litc UStG auf die bf. Gesellschaft, deren

Tätigkeit der eines Ziviltechnikerbüros für Kulturtechnik entspricht, nicht zur Anwendung gebracht. Die bel. Beh. hat dies im wesentlichen damit begründet, der Gesetzgeber lasse mit der Formulierung des §10 Abs2 Z7 UStG klar erkennen, daß damit nur Personen begünstigt werden sollten, die selbst die in dieser Gesetzesbestimmung genannten Tätigkeiten besorgen, nicht aber solche Personen, denen derartige Tätigkeiten anderer (natürlicher Personen) nur rechtlich zurechenbar seien, ohne daß sie aufgrund ihrer Rechtsform derartige Tätigkeiten selbst ausüben könnten. Die bel. Beh. hat auch auf die ständige Rechtsprechung des VwGH (zB VwGH 1. 7. 1982 Z82/15/0014 und 24. 5. 1984 Z83/15/0118) hingewiesen, wonach das Bild der freien Berufe dadurch gekennzeichnet ist, daß deren Angehörige die ihrer Qualifikation entsprechenden Leistungen persönlich erbringen.

2. In der Beschwerde wird vorgebracht, es sei gleichheitswidrig, wenn bei völlig gleichgelagerter Tätigkeit für eine natürliche Person ein begünstigter, nämlich genau der halbe Steuersatz zur Anwendung komme, für eine juristische Person jedoch nicht, obwohl auch eine juristische Person naturgemäß nur durch natürliche Personen handeln, also tätig werden und die begünstigte Tätigkeit entfalten könne. Es erscheine nicht einsichtig, warum nur deshalb, weil etwa Wirtschaftstreuhänder aus standesrechtlichen oder sonstigen der Berufsordnung zugrundeliegenden Überlegungen ihre Tätigkeit in Form von juristischen Personen ausüben könnten, wenn alle gesetzlichen Vertreter dem Wirtschaftstreuhandberuf angehören, diese begünstigt sein solle, während eine andere juristische Person, welche die gleiche Tätigkeit wie ein begünstigter Personenkreis ausübe, für die aber eine derartige Vorschrift nicht gelte, nicht in den Genuß der gleichen steuerlichen Begünstigung kommen sollte.

3.a) Der VfGH hat zu der hier maßgeblichen Frage im Erkenntnis VfSlg. 9286/1981 (die dort bf. Gesellschaft betrieb ein Schreib-, Übersetzungs- und Vervielfältigungsbüro) ausgeführt (S 354 f), es könne dem Gesetzgeber nicht entgegengetreten werden, wenn der litb des §10 Abs2 Z7 UStG der Inhalt beizumessen wäre, daß bestimmte Tätigkeiten nur unter der Voraussetzung steuerlich begünstigt sein sollten, daß sie in Anbetracht bestimmter Berufsbilder - nämlich der in dieser Gesetzesstelle genannten freien Berufe - von natürlichen Personen erbracht werden. Daran ändere auch nichts, daß in litd der Z7 die der freiberuflichen Tätigkeit entsprechenden Leistungen der Wirtschaftstreuhandgesellschaften genannt und damit in den Genuß der Begünstigung einbezogen seien. Der VfGH sei vielmehr der Ansicht, daß die Anführung der genannten Berufsgesellschaften ihre sachliche Rechtfertigung in der Besonderheit der für diese Berufsgesellschaften vom Gesetzgeber getroffenen Regelung finde. So seien gemäß §29 der Wirtschaftstreuhänder-Berufsordnung, BGBl. 125/1955, Gesellschaftsverhältnisse, und zwar sowohl in Form von Personengesellschaften als auch in Form von juristischen Personen für Wirtschaftstreuhänder nur unter der Voraussetzung zulässig, daß alle gesetzlichen Vertreter dem Wirtschaftstreuhandberuf angehören und daß Gesellschafter ausschließlich Wirtschaftstreuhänder oder Ehegatten von solchen sind.

Von diesem Standpunkt ist der VfGH im Erkenntnis VfSlg. 9666/1983 nicht abgerückt. Zunächst ist darauf zu verweisen, daß sich der Gerichtshof in diesem Erkenntnis mit der Unterscheidung zwischen natürlichen und juristischen Personen nicht zu befassen brauchte, weil die Bf. natürliche Personen waren. Der VfGH ist in dem genannten Erkenntnis von seiner Rechtsprechung seit dem Erkenntnis VfSlg. 7384/1974 (wonach §10 Abs2 Z7 UStG dahin auszulegen sei, daß darin eine steuerliche Begünstigung für einige freiberufliche Tätigkeiten natürlicher Personen und in litd diesen Tätigkeiten entsprechende Leistungen bestimmter anderer Rechtsträger enthalten seien) unter Hinweis auf die in der Zwischenzeit ergangene Judikatur der beiden Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts (VfSlg. 9311/1982 und 9396/1982 sowie VwSlg. 5234 F/1978, in allen diesen Fällen waren die Bf. natürliche Personen) nur insoweit abgerückt, als der VfGH - vom Berufstypus ausgehend - keinen Unterschied zwischen der freiberuflichen Tätigkeit eines Architekten und der gewerblichen eines Baumeisters gesehen hat (s. hiezu die Ausführungen auf S 256 in VfSlg. 9666/1983) und hiebei auf die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit des Abgabepflichtigen abgestellt hat.

b) Im vorliegenden Fall stellt sich aber nicht nur die Frage nach dem Berufstyp, sondern zusätzlich auch die nach der Organisationsform.

Der VfGH sieht keinen Anlaß, von seiner bisherigen Rechtsprechung (auch) diesbezüglich abzugehen und von dem in der Rechtsprechung beider Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes wiederholt ausgesprochenen Grundgedanken abzurücken, daß eine freiberufliche Tätigkeit im Prinzip (nur) von natürlichen Personen ausgeübt wird. Von ähnlichen Überlegungen ist der VfGH auch in seiner Rechtsprechung nach dem Erkenntis VfSlg. 9666/1983 ausgegangen (vgl. die allgemeinen Gedanken im Erkenntnis VfSlg. 10035/1984, S 434).

Im übrigen darf im gegebenen Zusammenhang nicht außer Betracht bleiben, daß die Gewährung der steuerlichen Begünstigung auch eine Folge der vom Abgabepflichtigen gewählten Rechtsform ist. Wenn der Abgabepflichtige von seinem Recht, seine Tätigkeit in Form (und im Rahmen) einer juristischen Person auszuüben Gebrauch macht, weil er diese Rechtsform für sich als die offenbar günstigere betrachtet, dann muß er auch die Nachteile in Kauf nehmen, die mit diesem System verbunden sind (vgl. hiezu im Einkommensteuerrecht VfSlg. 11260/1987).

4. Da somit unter dem Gesichtspunkt des vorliegenden Beschwerdefalles keine Bedenken gegen eine Differenzierung zwischen juristischen und natürlichen Personen bestehen und da im Verfahren auch nicht hervorgekommen ist, daß die bf. Gesellschaft durch den angefochtenen Bescheid - soweit er die Vorschreibung von Umsatzsteuer für das Jahr 1984 betrifft - in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt wurde, ist die Beschwerde abzuweisen.

und antragsgemäß dem VwGH abzutreten.

Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 Z2 VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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