Normen
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
BSVG §23 Abs5 zweiter Satz
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
BSVG §23 Abs5 zweiter Satz
Spruch:
Der zweite Satz im §23 Abs5 des Bauern-Sozialversicherungsgesetzes - BSVG, BGBl. 559/1978, wird nicht als verfassungswidrig aufgehoben.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. a) Beim VfGH ist zu Z B249/85 das Verfahren über eine auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde anhängig, der folgender Sachverhalt zugrundeliegt:
aa) Der Bf. ist Landwirt. Er ist nach dem Bauern-Sozialversicherungsgesetz - BSVG, BGBl. 559/1978, sozialversichert und beitragspflichtig.
Außer Eigengrund bewirtschaftet er auch Pachtgrund, darunter zwei Flächen im Ausmaß von 0,5553 und 0,4017 ha. Diese Flächen wurden den vorgelegten Aktenunterlagen zufolge früher als Weingärten genutzt, wurden jedoch im November 1981 gerodet und seither als Acker verwendet. Der Bf. pachtete diese Grundflächen ab 1. April 1983 und benützt sie seither als Acker. Obgleich die Grundeigentümer die Änderung der Kulturgattung bereits Ende des Jahres 1981 dem Finanzamt Eisenstadt gemeldet hatten, nahm das Finanzamt die entsprechenden Wertfortschreibungen zwar zum 1. Jänner 1982 vor, dies aber erst mit Einheitswertbescheiden vom 1. August 1984, die wenige Tage danach zugestellt wurden.
bb) Der Landeshauptmann von Bgld. stellte als Einspruchsbehörde (§182 BSVG iVm. §§412 ff. ASVG) mit dem - den Gegenstand des erwähnten verfassungsgerichtlichen Beschwerdeverfahrens bildenden - Bescheid vom 14. März 1985 (gemäß §62 Abs4 AVG berichtigt mit Bescheid vom 20. März 1985) gemäß §23 BSVG die Höhe der jeweils für bestimmte Zeiträume zwischen 1. April 1983 und 31. Dezember 1984 sowie die Höhe der ab 1. Jänner 1985 für den Bf. geltenden monatlichen Beitragsgrundlage fest.
cc) Strittig zwischen der Behörde und dem Bf. war im Administrativverfahren, ob bei Bemessung der Beiträge in Ansehung der Pachtgrundstücke noch die für sie als Weinbauflächen festgestellten - höheren - Einheitswerte (wie dies im Bescheid des Landeshauptmannes bis zum 1. Oktober 1984 angenommen wird) oder aber bereits ab Beginn der Pachtung die für sie als Ackerflächen festgestellten - niedrigeren - Einheitswerte (wie dies der Bf. wünschte) maßgebend waren.
dd) Die Behörde ging hiebei nach §23 Abs5 zweiter Satz BSVG vor.
Diese Bestimmung und die mit ihr in Verbindung stehenden Vorschriften lauten (wobei der in Prüfung gezogene Satz - s. unten I.2. - hervorgehoben ist):
"§23. (1) Grundlage für die Bemessung der Beiträge in der Kranken- und Pensionsversicherung ist für die gemäß §2 Abs1 Z1 Pflichtversicherten, soweit im folgenden nichts anderes bestimmt wird, der Versicherungswert des land(forst)wirtschaftlichen Betriebes (monatliche Beitragsgrundlage).
(2) Der Versicherungswert ist ein Hundertsatz des Einheitswertes des land(forst)wirtschaftlichen Betriebes. Hiebei ist von dem zuletzt festgestellten Einheitswert des land(forst)wirtschaftlichen Betriebes auszugehen. ...
(3) Bei Bildung des Versicherungswertes gemäß Abs2 sind in den nachstehenden Fällen folgende Werte als Einheitswerte zugrunde zu legen:
a) ...
b) wenn der Pflichtversicherte Miteigentümer eines auf gemeinsame Rechnung und Gefahr geführten land(forst)wirtschaftlichen Betriebes ist, der im Verhältnis seines Eigentumsanteiles geteilte Einheitswert;
c) bei Verpachtung einer land(forst)wirtschaftlichen Fläche ein um den anteilsmäßigen Ertragswert der verpachteten Fläche verminderter Einheitswert;
d) bei Zupachtung einer land(forst)wirtschaftlichen Fläche ein um zwei Drittel des anteilsmäßigen Ertragswertes der gepachteten Fläche erhöhter Einheitswert;
e) ...
(4) ...
(5) Änderungen des Einheitswertes gemäß Abs3 litb, c und d sowie durch sonstige Flächenänderungen werden mit dem ersten Tag des Kalendermonates wirksam, der der Änderung folgt. Sonstige Änderungen des Einheitswertes werden mit dem ersten Tag des Kalendervierteljahres wirksam, das der Zustellung des Bescheides der Finanzbehörde erster Instanz folgt. Im übrigen ist Abs3 entsprechend anzuwenden.
(6) ..."
ee) In Anwendung des §23 Abs5 zweiter Satz BSVG wurden mit dem den Gegenstand des eingangs erwähnten Beschwerdeverfahrens bildenden Bescheid die Beiträge derart bemessen, daß bis 30. September 1984 die für Weinbauflächen festgestellten höheren Einheitswerte und erst ab 1. Oktober 1984 (die finanzbehördlichen Wertfortschreibungsbescheide waren Anfang August 1984 zugestellt worden) die für Ackerflächen festgestellten niedrigeren Einheitswerte maßgebend waren.
b) Beim VfGH ist weiters zu Z B123/86 das Verfahren über eine auf Art144 B-VG gegründete Beschwerde gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Vbg. vom 16. Jänner 1986 anhängig. Ihr liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Sozialversicherungsanstalt der Bauern stellte mit Bescheid vom 1. August 1985 fest, daß die Bf. in der Zeit vom 1. Juli 1979 bis 20. März 1985 in der Unfallversicherung der Bauern gemäß §3 Abs1 Z1 und Abs2 BSVG pflichtversichert gewesen sei und hiefür bestimmte Monatsbeiträge zu entrichten habe.
Dem dagegen von der Bf. erhobenen Einspruch wurde mit dem zitierten Bescheid des Landeshauptmannes von Vbg. gemäß §66 Abs4 AVG 1950 keine Folge gegeben.
Begründend wurde dazu ua. ausgeführt:
"... Gemäß §3 Abs1 Z1 und Abs2 BSVG besteht für Personen, die einen land(forst)wirtschaftlichen Betrieb iS des LAG führen, Pflichtversicherung in der Unfallversicherung der Bauern, sofern der land(forst)wirtschaftliche Betrieb einen Einheitswert von S 2.000,-
erreicht oder übersteigt.
Aufgrund des Einheitswertbescheides vom 18. März 1981 (Hauptfeststellungsbescheid zum 1. Jänner 1979, wirksam ab 1. Jänner 1980), ausgestellt vom Finanzamt Feldkirch, Z 030-1-0614/4, wurde die forstwirtschaftlich genutzte Fläche im Ausmaß von 0,3830 Hektar mit einem Einheitswert von S 2.000,- bewertet.
Aufgrund ArtIII Abs3 der 5. BSVG-Nov. (BGBl. 590/1981) wurde der am 18. März 1981 vom Finanzamt Feldkirch erstellte Einheitswert erst mit 1. Jänner 1983 wirksam. Für die Zeit zuvor war der als landwirtschaftlich genutzte Fläche ausgewiesene Grund mit S 3.000,-
bewertet.
Laut Artfortschreibungsbescheid des Finanzamtes Feldkirch vom 5. Juni 1985 wurde diese forstwirtschaftliche Fläche mit S 0,- bewertet.
Gemäß §3 Abs2 letzter Satz BSVG müssen Änderungen des Einheitswertes, welche nicht durch Flächenänderungen hervorgerufen werden, im Bereich der Bäuerlichen Unfallversicherung mit dem 1. Tag des Kalendervierteljahres berücksichtigt werden, das der Zustellung des Bescheides der Finanzbehörde 1. Instanz folgt.
Der am 5. Juni 1985 erstellte Bescheid des Finanzamtes Feldkirch konnte sohin erst ab dem 1. Juli 1985 berücksichtigt werden. ..."
2. Aus Anlaß dieser beiden Beschwerdeverfahren beschloß der VfGH, gemäß Art140 Abs1 B-VG von amtswegen Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des zweiten Satzes im §23 Abs5 BSVG einzuleiten.
Er ging vorläufig davon aus, daß diese bundesgesetzliche Bestimmung in beiden Anlaßbeschwerdeverfahren präjudiziell sei.
Gegen sie hatte er das Bedenken, daß sie dem auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitsgrundsatz widerspreche. Er begründete dies näher wie folgt:
"Zwar scheint es sinnvoll zu sein, bei Bemessung der in der Bauernsozialversicherung zu entrichtenden Beiträge an die Einheitswerte iS des Bewertungsgesetzes 1955 anzuknüpfen und daher eine Änderung der Beitragsgrundlage von einer Änderung der Einheitswerte abhängig zu machen, sei es, daß dies zu einer Herabsetzung, sei es, daß dies zu einer Erhöhung der Beitragsgrundlagen führt. Der VfGH vermag aber vorerst keine sachliche Rechtfertigung dafür zu erkennen, daß diese Änderung erst 'mit dem ersten Tag des Kalendervierteljahres wirksam wird, das der Zustellung des Bescheides der Finanzbehörde erster Instanz folgt', dies auch dann, wenn die Änderung des Einheitswertes zu einem (wesentlich) früheren Stichtag, - also rückwirkend - erfolgte. Damit, daß die Änderung der Beitragsgrundlage starr an den Zeitpunkt der Bescheidzustellung anknüpft, hängt anscheinend die jeweilige Beitragshöhe ganz wesentlich von rein manipulativen Umständen ab. Dies führt - wie der VfGH vorläufig annimmt - unter Bedachtnahme darauf, daß der bis zur Bescheiderlassung und Bescheidzustellung verstreichende Zeitraum verhältnismäßig lang sein kann (wie in diesem Beschwerdeverfahren mehrere Jahre), zu einer sachlich nicht zu rechtfertigenden Unterscheidung zwischen beitragspflichtigen Landwirten in materiell gleicher Lage (vgl. zB VfSlg. 7708/1975; VfGH 10. 10. 1985 G45, 65/85).
Es scheint, daß Aspekte der Verwaltungsökonomie die getroffene Regelung nicht zu rechtfertigen vermögen. Ferner nimmt der VfGH vorläufig an, daß ein lange währendes Auseinanderklaffen zwischen dem Stichtag des Wirksamwerdens der Wertfortschreibung und jenem der Änderung der Beitragsgrundlage nicht bloß relativ selten vorkommt; es kann daher anscheinend nicht von einem Härtefall gesprochen werden, den der Gesetzgeber nach der ständigen Judikatur des VfGH vernachlässigen könnte.
Eine verfassungskonforme Auslegung des zweiten Satzes im §23 Abs5 BSVG (nämlich derart, daß es nicht auf den Zeitpunkt der Zustellung des finanzbehördlichen Bescheides ankomme, sondern auf den Zeitpunkt, zu dem die Änderung der Einheitswerte dem finanzbehördlichen Bescheid zufolge eintreten soll) scheint nach dem Wortlaut dieses zweiten Satzes und iZm. dem vorangehenden ersten Satz ausgeschlossen zu sein.
3. Die Bundesregierung erstattete Äußerungen. Sie beantragt, die in Prüfung gezogenen Bestimmungen nicht als verfassungswidrig aufzuheben und begründet dies wie folgt:
"Die Bundesregierung verkennt nicht, daß die in §23 Abs5 zweiter Satz BSVG vorgesehene Anknüpfung an den Zeitpunkt der Zustellung eines finanzbehördlichen Bescheides geeignet ist, Bedenken im Hinblick auf den auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitssatz zu erwecken. Sie teilt auch die Ansicht des VfGH, daß die Beitragshöhe im Einzelfall von manipulativen Umständen abhängen kann, vor allem weil die Zeitspanne zwischen dem im finanzbehördlichen Bescheid genannten Wirksamkeitszeitpunkt der Einheitswertänderung und dem Wirksamwerden dieser Änderung für die Sozialversicherung sehr lang werden kann. Die Bundesregierung muß folglich auch anerkennen, daß es tatsächlich bei der gewählten Regelung zu einer Unterscheidung zwischen beitragspflichtigen Landwirten in materiell gleicher Lage kommen kann.
Allerdings vermag die Bundesregierung der daraus vom VfGH gezogenen Schlußfolgerung, daß einer solchen Unterscheidung schon alleine deshalb die sachliche Rechtfertigung ermangle, nicht zu folgen.
Wie der VfGH in seiner Beschlußbegründung andeutet, hält er es für sachlich vertretbar, daß bei der Bemessung der für die Bauern-Sozialversicherung zu entrichtenden Beiträge grundsätzlich an die Einheitswerte iS des Bewertungsgesetzes 1955, BGBl. 148, angeknüpft wird und daher auch eine Änderung der Beitragsgrundlage von einer Änderung der Einheitswerte abhängig gemacht wird. Die Bundesregierung hält darüber hinaus die dem Bauern-Sozialversicherungsgesetz zugrundeliegende Regelungstechnik nicht nur für sachlich angemessen, sondern als die einzig administrierbare auch für unentbehrlich.
Einziger Anhaltspunkt für das Ausmaß der erzielten Einkünfte aus selbständiger Erwerbstätigkeit, die eine Pflichtversicherung in der Sozialversicherung der Bauern begründet, ist der Einheitswert des land- bzw. forstwirtschaftlichen Betriebes, wie er von den Finanzbehörden jeweils festgestellt und den Liegenschaftseigentümern in Bescheidform zugestellt wird. Dieser Wert ist freilich anders als das in einem Einkommensteuerbescheid festgehaltene Ausmaß der steuerlichen Einkünfte nur ein Anhaltspunkt, der einen Schluß auf das Ausmaß der erzielten Erwerbseinkünfte zuläßt. Ein solcher Näherungswert kann zT erhebliche Unterschiede im Tatsächlichen nicht völlig ausschließen.
Es scheint der Bundesregierung nun bedeutsam, auch darauf hinzuweisen, daß im §23 Abs5 des Bauern-Sozialversicherungsgesetzes zwei völlig verschiedene Arten der Änderung von Einheitswerten geregelt sind. Während jene Einheitswertänderungen, die auf Änderungen der Miteigentumsanteile, des Ausmaßes der verpachteten bzw. gepachteten Flächen und auf sonstige Flächenänderungen zurückgehen, den Versicherten sowie der Bauern-Sozialversicherung vom Zeitpunkt ihres Entstehens ziffernmäßig bekannt sind und daher bereits mit dem ersten des Kalendermonates wirksam werden können, der der Änderung folgt, bedarf es bei allen anderen Änderungen einer Bewertung durch die Finanzbehörden. Wie der VfGH anzudeuten scheint, hält er, abgesehen von der in der in Prüfung gezogenen Gesetzesstelle gewählten Lösung (Zeitpunkt der Bescheidzustellung), nur ein Abstellen auf den im finanzbehördlichen Bescheid genannten Wirksamkeitszeitpunkt für denkbar.
Um darlegen zu können, weshalb der Gesetzgeber in §23 Abs5 zweiter Satz nicht auf den im finanzbehördlichen Bescheid genannten Wirksamkeitszeitpunkt, sondern auf den Zeitpunkt der Bescheiderlassung abgestellt hat, erscheint es zweckmäßig, die in Betracht kommenden Fälle näher zu umschreiben. Es handelt sich um Fälle der Einheitswertänderungen, die auf einer allgemeinen Feststellung beruhen (Hauptfeststellung nach §20 des Bewertungsgesetzes 1955, BGBl. 148), oder denen eine Neufeststellung im Rahmen der Vorschreibung (§21 des Bewertungsgesetzes) bzw. eine Nachfeststellung (§22 leg. cit.) zugrundeliegt. Es erscheint bemerkenswert, daß bei der letzten Hauptfeststellung (zum 1. 1. 1979) die bescheidmäßige Erledigung durch die Finanzbehörden trotz des Einsatzes der elektronischen Datenverarbeitung geraume Zeit in Anspruch genommen hat. Von den Auswirkungen einer Hauptfeststellung sind aber alle Versicherten betroffen, abgesehen von den wenigen Fällen, in denen die neuen Einheitswerte mit jenen der letzten Hauptfeststellung inhaltlich übereinstimmen.
Nach den Angaben der Sozialversicherungsanstalt der Bauern sind diesem Versicherungsträger von den Finanzbehörden
am 10. 12. 1980 ............................. 189.625,
am 18. 2. 1981 ............................. 150.355,
am 28. 4. 1981 ............................. 143.490,
am 27. 7. 1981 ............................. 94.612,
am 30. 10. 1981 ............................. 59.086, und
am 28. 1. 1982 ............................. 39.677
Bescheide über Einheitswertänderungen übermittelt worden.
Die überwiegende Anzahl dieser Bescheide ist auf die Ergebnisse der Hauptfeststellung zum 1. 1. 1979 zurückzuführen. Daraus ergibt sich, daß unter der Annahme einer Regelung, die eine sozialversicherungsrechtliche Auswirkung der Einheitswertänderungen mit dem Zeitpunkt anordnet, der sich aus dem Bescheidinhalt ergibt, in insgesamt rund mehr als 670000 Fällen von Sozialversicherungsträgern ein in der Vergangenheit geregelter Zeitpunkt zu berücksichtigen wäre. Dieser Zeitpunkt lag bei Bescheidzustellung teilweise bis zu zwei Jahre zurück. Der Versicherungsträger hätte diese Fälle aber nicht nur unter Bedachtnahme auf das Beitragsrecht neu zu prüfen; vielmehr ist die für die Bemessung der Beiträge maßgebliche und vom Einheitswert abgeleitete Größe (Beitragsgrundlage) auch für die Pensionsbemessungsgrundlage ausschlaggebend, sodaß unter dem Gesichtspunkt der geänderten Einheitswerte auch bereits abgeschlossene Pensionsverfahren neu aufzurollen wären. Der Einheitswert ist im Sozialversicherungsrecht darüber hinaus noch von Bedeutung für
1. Beginn und Ende der Pflichtversicherung in der Sozialversicherung der Bauern (§§2, 3, 6 und 7 BSVG),
2. für das Ruhen einer Pension aus einer gesetzlichen Pensionsversicherung bei Erzielung von Einkünften aus selbständiger behördlicher Erwerbstätigkeit (§§94 ASVG, 60 GSVG und §56 BSVG),
3. für das gänzliche Ruhen der Bauernpension (§56 BSVG),
4. für den Anspruch auf Alterspension (§253 Abs1 ASVG, §130 Abs1 GSVG, §121 Abs2 BSVG),
5. für den Ausgleichszulagenanspruch dem Grunde bzw. der Höhe nach (§292 ASVG, §149 GSVG, §140 BSVG).
Nach Ansicht der Bundesregierung zeigt diese demonstrative Aufzählung, daß Einheitswertänderungen bei der Vollziehung sozialversicherungsrechtlicher Vorschriften nicht nur von der Sozialversicherungsanstalt der Bauern, sondern von allen Trägern der gesetzlichen Pensionsversicherung zu berücksichtigen sind.
Dem Gesetzgeber war die Problematik der Berücksichtigung von Einheitswertänderungen, wie sie nunmehr in der in Prüfung gezogenen Bestimmung normiert ist, sehr wohl bewußt. Als Alternative wäre ihm nur die bereits oben dargestellte Möglichkeit offengestanden, nämlich an den im finanzbehördlichen Bescheid genannten Wirksamkeitszeitpunkt anzuknüpfen. Wegen der zentralen Bedeutung des Einheitswertes im gesamten Sozialversicherungsrecht der Bauern hätte eine solche Regelung aber eine finanziell kaum erträgliche Erschwerung der Vollziehung der sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften bedeutet.
Im Erkenntnis VfSlg. 8871/1980 hat der VfGH iZm. der sog. 'Durchschnittsbetrachtung' folgendes ausgeführt:
'Das Ausmaß der solcherart hinzunehmenden ungleichen Auswirkungen einer generellen Norm hängt allerdings nicht nur vom Grad der Schwierigkeiten ab, die eine nach den verschiedenen Sachverhalten differenzierendere Lösung der Vollziehung bereiten würde, sondern auch vom Gewicht der angeordneten Rechtsfolgen. Bestehen diese - wie hier - in einer Bevorzugung bei der Verteilung von Geldmitteln, so könnten sie allenfalls gerechtfertigt sein, wenn sie das notwendige Mittel wären, höhere Kosten einer anderen Lösung zu vermeiden.'
Die Bundesregierung sieht nun in der in Prüfung gezogenen Vorschrift eine Regelung, die das einzige rechtstechnische Mittel ist, die sehr hohen Kosten einer anderen denkbaren Lösung - nämlich dem Abstellen auf den im finanzbehördlichen Bescheid genannten Wirksamkeitszeitpunkt - zu vermeiden.
Die Bundesregierung ist daher abschließend der Ansicht, daß bei Berücksichtigung des Gesamtsystems der Bauernsozialversicherung, welches nur sinnvoll erscheint, wenn als Grundlage der Einheitswert eines land- bzw. forstwirtschaftlichen Betriebes herangezogen werden kann, ein Anknüpfen an die Zustellung des Bescheides unumgänglich ist, auch wenn dabei eine Ungleichbehandlung einzelner beitragspflichtiger Landwirte in materiell gleicher Lage in Kauf genommen werden muß. Diese Fälle sind als vom Gesetzgeber vernachlässigbare Härtefälle iS der ständigen Judikatur des VfGH anzusehen, weshalb die in Prüfung gezogene Regelung auch nicht im Hinblick auf den Gleichheitssatz verfassungswidrig ist."
4. Der Vertreter der Sozialversicherungsanstalt der Bauern führte in der mündlichen Verhandlung vor dem VfGH vom 1. Oktober 1986 - der Sache nach zusammengefaßt - folgendes aus:
Es sei bisher übersehen worden, daß §23 Abs7 BSVG auch Versicherungstatbestand des §2 ist, der die Kranken- und Pensionsversicherung regle. Diese Bestimmung sei 1970 geschaffen worden, damit den Versicherten nicht rückwirkend, wenn sie Prämie vorläufig bezahlt haben, die Versicherungsansprüche weggenommen werden müssen. So würden in der Krankenversicherung zB die hohen Spitals- und Heilungskosten übernommen. - Manche Einheitswertfeststellungen seien nach seiner Information einige Jahre beim Finanzamt anhängig. Die Bauern-Sozialversicherungsanstalt zahle inzwischen die Kosten aus der (aufgrund des rechtskräftigen Einheitswertbescheides) festgestellten Versicherung. Wenn man nun auf den Zeitpunkt der Wirksamkeit des Einheitswertbescheides abstelle, müsse man 5 Jahre rückwirkend die Prämien zurückzahlen und die Leistungen zurückfordern. Dies könne praktisch gar nicht durchgeführt werden. Die Bauern-Sozialversicherungsanstalt könne zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht entscheiden, ob jemand einen Leistungsanspruch hat, da sie nicht wisse, ob der Antragsteller versichert ist. - Der Einheitswert spiele eine Rolle bei der Rentenzuerkennung, bei der Beitragsgrundlage, beim Ruhen der Rente usw. Es gäbe nicht nur Herabsetzungen, sondern auch viele rückwirkende Erhöhungen des Einheitswertes. Der Bauer müsse rückwirkend Beiträge nachzahlen, verliere rückwirkend Pensionsansprüche, es werde rückwirkend das Ruhen der Pension ausgesprochen usw. - Auch die Meldevorschriften müßten berücksichtigt werden. Ein Versicherter sei nur in der Lage, Tatsachen zu melden, die ihm bekannt sind. Der Versicherte könne nicht wissen, daß bei der gleichen Fläche der Einheitswert auf Null sinken oder daß der Einheitswert sich beispielsweise durch Viehkäufe ändern könne. Der Versicherte könne seiner Meldepflicht nur ab dem Zeitpunkt nachkommen, in dem er den Bescheid des Finanzamtes erhält.
Der Vertreter der Sozialversicherungsanstalt der Bauern beantragte abschließend, die Bestimmung nicht als verfassungswidrig aufzuheben.
II. Der VfGH hat erwogen:
1. Die Anlaßbeschwerden sind zulässig.
Der VfGH wird daher über sie in der Sache zu entscheiden haben. Hiebei hätte er die in Prüfung gezogene bundesgesetzliche Bestimmung, die die Frage des Wirksamkeitsbeginnes einer Einheitswertänderung regelt, anzuwenden; sie ist also in beiden Fällen präjudiziell in der Bedeutung des Art140 Abs1 B-VG.
Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, sind die Gesetzesprüfungsverfahren zulässig.
2. Die Bedenken (s. oben I.2.) haben sich jedoch nicht als zutreffend erwiesen.
a) Zwar ist die Äußerung der Bundesregierung nicht geeignet, sie zu zerstreuen:
aa) Die Bundesregierung räumt nicht bloß im allgemeinen ein, daß die in Prüfung gezogene Gesetzesbestimmung dazu führen kann, daß beitragspflichtige Landwirte in materiell gleicher Lage unterschiedlich behandelt werden, sondern belegt dies auch mit konkreten Angaben, die nachweisen, daß tatsächlich die jeweils zwischen dem im finanzbehördlichen Bescheid genannten Wirksamkeitszeitpunkt der Einheitswertänderung und dem Zeitpunkt der Zustellung dieses Bescheides (der für das Wirksamwerden dieser Änderung für den Bereich der Bauernsozialversicherung maßgebend ist) liegende Zeitspanne mehrere Monate bis mehrere Jahre währt. Dies zeigt einerseits, daß nicht bloß die theoretische Möglichkeit einer völlig unterschiedlichen Behandlung der Beitragspflichtigen besteht, sondern diese auch tatsächlich stattfindet, andererseits, daß zwischen der eingetretenen Änderung des Einheitswertes und deren Wirksamwerden für die Beitragshöhe häufig Jahre vergehen.
bb) Diese Konsequenzen treten nicht bloß in vernachlässigbaren Einzelfällen ein, sondern liegen im System der getroffenen Regelung, sodaß zu ihrer Rechtfertigung nicht davon gesprochen werden kann, es handle sich bloß um (relativ seltene) Härtefälle, die bei einer Durchschnittsbetrachtung vernachlässigbar sind (vgl. hiezu die ständige Judikatur des VfGH, zB VfSlg. 5318/1966, 5484/1967).
cc) Die Bundesregierung meint, das Anknüpfen an die Bescheidzustellung sei unumgänglich, auch wenn dabei eine Ungleichbehandlung der einzelnen beitragspflichtigen Landwirte in Kauf genommen werden müsse; eine andere Regelung wäre nur mit unverhältnismäßigen Kosten administrierbar.
Zwar ist der Bundesregierung darin beizupflichten, daß verwaltungsökonomische Überlegungen bei Prüfung der Sachlichkeit eines Gesetzes mit einzubeziehen sind; derartige Überlegungen rechtfertigen aber nicht jede Art der Regelung, sondern müssen in angemessenem Verhältnis zur damit in Kauf genommenen differenzierten Behandlung ihrer Adressaten stehen (vgl. zB VfSlg. 8871/1980).
b) Der von der Sozialversicherungsanstalt der Bauern erhobene Einwand materieller Unzukömmlichkeiten im Falle einer rückwirkenden Berücksichtigung der Einheitswertfeststellung in laufenden Versicherungsverhältnissen greift jedoch durch.
Die Regelung des §23 über die Beiträge zur Kranken- und Pensionsversicherung, die nach §30 für die Unfallversicherung entsprechend anzuwenden ist, darf in der Tat nicht isoliert betrachtet werden. Ob eine Beitragsregelung sachlich ist, läßt sich in der Regel nicht ohne Blick auf das gesamte Versicherungsverhältnis abschließend beurteilen (vgl. zB VfSlg. 9365/1982). Daß auch im Sozialversicherungsrecht Beitrags- und Leistungsrecht eng miteinander verknüpft sind, bedarf keiner näheren Darlegung. Es genügt dazu der Hinweis, daß schon die Versicherungspflicht regelmäßig nur dann besteht, wenn der Einheitswert des Betriebes einen bestimmten Betrag übersteigt: §2 Abs2 BSVG verlangt für die Krankenversicherung einen Einheitswert von mehr als 13000 S, §2 Abs3 für die Pensionsversicherung einen solchen von mehr als 33000 S und §3 Abs2 für die Unfallversicherung mehr als 2000 S (wenn auch ein niedrigerer Einheitswert dann nicht schadet, wenn der Lebensunterhalt überwiegend aus dem Ertrag des Betriebes bestritten wird).
Eine rückwirkende Bedachtnahme auf Änderungen des Einheitswertes, die nicht vor der Feststellung des Finanzamtes möglich ist, müßte sich daher folgerichtig nicht nur auf der Beitrags-, sondern auch auf der Leistungsseite und insbesondere bei Feststellung der Versicherungspflicht auswirken.
Es kann dem Gesetzgeber aber nicht entgegengetreten werden, wenn er ein rückwirkendes Aufrollen des gesamten Versicherungsverhältnisses ebenso vermeiden will wie eine einseitige Berücksichtigung herabgesetzter Einheitswerte auf der Beitragsseite bei unveränderter Lage auf der Leistungsseite (§72 BSVG) und daher den Gleichlauf von Beitrags- und Leistungsrecht bzw. Versicherungspflicht wahrt. Ist die Anknüpfung an den Einheitswert des Betriebes unter den besonderen Verhältnissen der Land- und Forstwirtschaft an sich sachlich gerechtfertigt - was der VfGH im Prüfungsbeschluß nicht in Zweifel gezogen hat -, so kann man schwerlich annehmen, daß die Verfassung den Gesetzgeber verhält, zur Wahrung eines angemessenen Verhältnisses zwischen Beitrag und Leistung die Rückforderung schon erbrachter Leistungen vorzusehen oder den erwarteten Versicherungsschutz rückwirkend zu versagen oder aber Leistungen nach Maßgabe anderer Einheitswerte anzuordnen, als sie den Beiträgen zugrundeliegen. Unter diesen besonderen Umständen muß nach Auffassung des Gerichtshofs der Nachteil aus dem zufälligen Zeitpunkt der Festsetzung des Einheitswertes durch das Finanzamt ausnahmsweise doch in Kauf genommen werden.
Die in Prüfung gezogene Bestimmung ist sohin nicht wegen Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz als verfassungswidrig aufzuheben.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)