Normen
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art83 Abs2
MRK Art7
StGG Art5
FinStrG-Nov 1975 ArtVII §2
FinStrG-Nov 1975 ArtVII §3
FinStrG idF der Nov BGBl 335/1975 §33 Abs1
FinStrG idF vor der Nov BGBl 335/1975 §33 Abs1 lita
FinStrG idF der Nov BGBl 335/1975 §33 Abs3 lita
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art83 Abs2
MRK Art7
StGG Art5
FinStrG-Nov 1975 ArtVII §2
FinStrG-Nov 1975 ArtVII §3
FinStrG idF der Nov BGBl 335/1975 §33 Abs1
FinStrG idF vor der Nov BGBl 335/1975 §33 Abs1 lita
FinStrG idF der Nov BGBl 335/1975 §33 Abs3 lita
Spruch:
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. Die Bf. betrieb ab 1. August 1972 als Pächterin ein Gasthaus in Wien. Sie hat dafür niemals Abgabenerklärungen eingereicht. Ihre Umsätze und Gewinne wurden von der Abgabenbehörde im Schätzungsweg ermittelt.
Mit Erk. des Spruchsenates des Finanzamtes für den I. Bezirk vom 22. Juni 1978 wurde die Bf. schuldig erkannt, vorsätzlich unter Verletzung ihrer Verpflichtung zur Abgabe von Umsatzsteuer-Voranmeldungen eine Verkürzung von Vorauszahlungen an Umsatzsteuer für die Jahre 1973 bis 1975 bewirkt und fahrlässig durch Nichtabgabe von Steuererklärungen für 1975, sohin unter Verletzung ihrer abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht die Verkürzung der Alkoholabgabe, der Einkommensteuer und der Gewerbesteuer bewirkt zu haben; es wurde eine Geldstrafe in der Höhe von 30000 S verhängt (Ersatzfreiheitsstrafe 20 Tage), das Strafverfahren wegen Verkürzung der Umsatzsteuer 1972, der Gewerbesteuer und Alkoholabgabe 1972 bis 1974 sowie der Einkommensteuer 1973 und 1974 aber eingestellt. Beide gegen das Straferk. erhobenen Berufungen der Bf. und des Amtsbeauftragten hielt der Berufungssenat im Ergebnis für begründet (der von beiden Teilen für die Schuldfrage als Zeuge beantragte Betriebsprüfer war nicht vernommen worden); das Straferk. wurde aufgehoben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an den Spruchsenat zurückverwiesen.
Am 10. Mai 1979 erkannte der Spruchsenat die Bf. für schuldig, vorsätzlich unter Verletzung ihrer abgabenrechtlichen Anzeige- und Offenlegungspflicht, nämlich durch Nichtabgabe von Erklärungen zur Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuer sowie zur Alkoholabgabe für 1972 bis 1974 zu bewirken versucht und für 1975 bewirkt zu haben, daß bescheidmäßig festzusetzende Abgaben in näher bestimmtem Ausmaß verkürzt festgesetzt werden sollten bzw. wurden; wegen des Finanzvergehens der versuchten und vollendeten Abgabenhinterziehung nach §33 Abs1, Abs3 lita und §13 FinStrG wurde die Strafe mit 70000 S festgesetzt (Ersatzfreiheitsstrafe 35 Tage). Die gegen dieses Straferk. erhobenen Berufungen blieben erfolglos.
Die vorliegende Beschwerde gegen den Berufungsbescheid der Finanzlandesdirektion vom 7. November 1979 rügt die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und Unversehrtheit des Eigentums und behauptet die Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes. Die Taten hätten iS der vor dem 1. Jänner 1976 geltenden Rechtslage durch das Gericht beurteilt und gemäß §33 FinStrG alter Fassung geahndet werden müssen; §26 Abs1 FinStrG sei gleichheitswidrig, weil er die bedingte Strafnachsicht nur im gerichtlichen Finanzstrafverfahren vorsehe.
II. Die Beschwerde ist nicht begründet.
1. Im verwaltungsbehördlichen Strafverfahren wurde das FinStrG idF der Nov. 1975, BGBl. 335, angewendet. Nach ArtVII §3 dieser Nov. sind die - das Verfahren betreffenden - Bestimmungen der §§53 bis 246 FinStrG zwar grundsätzlich in der geänderten Fassung auf Verfahren anzuwenden, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes (also am 1. Jänner 1976) anhängig sind oder nach dem Zeitpunkt des Inkrafttretens anhängig werden (Abs1), doch bleiben die Änderungen der sachlichen Zuständigkeit der Gerichte und Finanzstrafbehörden auf bereits anhängige Strafverfahren ohne Einfluß (Abs2; die Abs3 und 4 kommen im vorliegenden Zusammenhang nicht in Betracht).
Nun geht die Beschwerde davon aus, daß das Strafverfahren seit dem Abschluß der Betriebsprüfung (Schlußbesprechung am 13. März 1974) anhängig sei. Das Strafverfahren wurde aber erst am 21. Oktober 1976 damit eingeleitet, daß die Bf. iS des §83 Abs2 FinStrG unter Bekanntgabe der zur Last gelegten Taten sowie der in Betracht kommenden Strafbestimmungen von der Einleitung verständigt wurde. Das Verfahren ist daher erst nach dem 1. Jänner 1976 anhängig geworden, die Zuständigkeit der Behörde nach der Fassung der Nov. 1975 zu beurteilen und das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch den angefochtenen Bescheid nicht verletzt worden.
2. In materiell-rechtlicher Hinsicht bestimmt ArtVII §2 der Nov. 1975, daß die §§1 bis 52 FinStrG in der geänderten Fassung auf Taten anzuwenden sind, die nach dem Inkrafttreten begangen werden; auf früher begangene Taten sind sie (nur) dann anzuwenden, wenn die Bestimmungen, die zur Zeit der Tat gegolten haben, für den Täter in ihrer Gesamtwirkung nicht günstiger waren (Abs1).
Die Beschwerde behauptet eine Verletzung im Eigentumsrecht unter Hinweis auf den Umstand, daß die Tatbestände des §33 FinStrG idF vor dem 1. Jänner 1976 erfordert hätten, daß der Täter "zu seinem ... Vorteil" gehandelt habe, während in der Neufassung in dieser Hinsicht keine Anforderungen gestellt würden.
Die behauptete Verfassungsverletzung könnte nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH nur vorliegen, wenn der Behörde der Vorwurf einer denkunmöglichen Gesetzesanwendung zu machen wäre. Welche Bedeutung dem durch Art7 MRK im Verfassungsrang gewährleisteten Recht, nicht wegen einer Handlung oder Unterlassung verurteilt zu werden, die zur Zeit ihrer Begehung nicht strafbar war (vgl. VfSlg. 6762/1972 und 7814/1976), für den Fall zukäme, daß die früheren Bestimmungen für die Bf. günstiger waren, kann dabei dahingestellt bleiben. Denn der Beschwerdevorwurf ist offenkundig nicht berechtigt:
Nach §33 Abs1 lita FinStrG in der Stammfassung machte sich einer Abgabenhinterziehung schuldig,
"wer zu seinem oder eines anderen Vorteil als Abgabepflichtiger ... vorsätzlich eine Abgabenverkürzung dadurch bewirkt, daß er eine abgabenrechtliche Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht verletzt. Eine Abgabenverkürzung ist bewirkt,
a) wenn Abgaben, die bescheidmäßig festzusetzen sind, nicht oder verkürzt festgesetzt wurden, ..."
Nach §33 Abs1 FinStrG idF der Nov. 1975 macht sich einer Abgabenhinterziehung schuldig,
"wer vorsätzlich unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht eine Abgabenverkürzung bewirkt."
Eine Abgabenverkürzung nach Abs1 ist gemäß §33 Abs3 ua. bewirkt,
"a) wenn Abgaben, die bescheidmäßig festzusetzen sind, nicht oder zu niedrig festgesetzt wurden, ..."
Demnach hat sich zwar der Wortlaut der Strafbestimmung geändert. Doch bedeutet das nicht notwendig eine Änderung des Inhaltes.
Nach den EB zur RV der Nov. 1975 (1130 BlgNR XIII. GP, 59) wurde auf die gesonderte Anführung des Vorteilsmomentes als Tatbestandsvoraussetzung verzichtet, weil der Abgabenverkürzung auf der einen Seite immer ein entsprechender Vorteil auf der anderen Seite gegenübersteht; der bisher im Abs1 lita bis c geregelte Eintritt des Erfolges der Abgabenverkürzung wurde in den neuen Abs3 aufgenommen, um dadurch auch die in Abs2 besonders behandelten Fälle der Abgabenhinterziehung zu erfassen. Eine Änderung im materiellen Gehalt der Strafbestimmung war also in dem von der Beschwerde berührten Punkt nicht beabsichtigt und ist dem Wortlaut auch nicht zu entnehmen. Der OGH hat bereits ausgesprochen, daß die Legaldefinition den Begriff der Abgabenverkürzung (§33 Abs1 lita alt, §33 Abs3 lita neu) uneingeschränkt beibehalten hat (EvBl. 1978/187), und auf die Fälle der Unterlassung von Erklärungen für die Jahre 1973 bis 1975 das Gesetz in der Neufassung angewendet (EvBl. 1981/142).
Auch der VfGH kann der Behörde folglich nicht entgegentreten, wenn sie §33 Abs1 und Abs3 lita FinStrG in der geltenden Fassung herangezogen hat.
3. Soweit die Bf. eine Regelung über die Zulässigkeit der bedingten Strafnachsicht im Verfahren vor der Finanzstrafbehörde vermißt, teilt der VfGH ihre Bedenken nicht. Wenn der Gesetzgeber diese Möglichkeit nur dort vorgesehen hat, wo zufolge des Gewichtes der Straftat die Zuständigkeit der Gerichte eingreift und mit der Verurteilung ein schwerer Tadel und einschneidende Folgen verbunden sind, so hat er damit nicht unsachlich gehandelt.
Es liegt also offenkundig keine vom VfGH wahrzunehmende Rechtsverletzung vor. Die Beschwerde kann folglich ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung abgewiesen werden (§19 Abs4 Z1 VerfGG).
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