VfGH B472/82

VfGHB472/8226.6.1984

Pensionsgesetz 1965; Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes nach Aufhebung des §19 Abs4

Normen

B-VG Art140 Abs7 zweiter Satz
B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
PG 1965 §19 Abs4
B-VG Art140 Abs7 zweiter Satz
B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
PG 1965 §19 Abs4

 

Spruch:

Der Bescheid wird aufgehoben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die Bf. ist die frühere Ehefrau eines am 10. Feber 1982 verstorbenen Bundesbeamten des Ruhestandes; die Ehe war mit Urteil vom 21. Jänner 1969 nach §49 EheG aus dem Verschulden des Ehemannes geschieden worden.

Mit Bescheid vom 3. Mai 1982 stellte das Bundesrechenamt unter Bezugnahme auf §19 Abs1, 2 und 4 erster Satz iVm. §14 Abs1 des Pensionsgesetzes 1965, BGBl. 340, (zuletzt geändert durch das BG BGBl. 558/1980; im folgenden: PensionsG 1965) fest, daß der Bf. Versorgungsbezug in einem betragsmäßig angeführten Ausmaß (nämlich entsprechend ihrem zuletzt gegebenen Unterhaltsanspruch auf 35 vH des Nettoeinkommens des früheren Ehemannes) gebühre. Gegen diesen Bescheid ergriff die Bf. Berufung wegen des Ausmaßes des Versorgungsbezugs; dieser gebühre ihr - ohne die erwähnte Beschränkung auf den zuletzt gegebenen Unterhaltsanspruch - in der Höhe eines Witwenversorungsgenusses. Der Bundesminister für Finanzen wies dieses Rechtsmittel jedoch mit Bescheid vom 30. Juli 1982 mangels der in lita des zweiten Satzes im §19 Abs4 PensionsG 1965 festgelegten Voraussetzung ab, daß das Scheidungsurteil einen Ausspruch nach (der mit 1. Juli 1978, also erst nach dem hier maßgebenden Urteil in Kraft getretenen Bestimmung des) §61 Abs3 EheG enthält.

2. Gegen den Berufungsbescheid des Bundesministers für Finanzen richtet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde an den VfGH, in der die Bf. eine Verletzung näher bezeichneter verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte geltend macht und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt.

II. Aus Anlaß (auch) dieser Beschwerde leitete der VfGH gemäß Art140 Abs1 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des §19 Abs4 PensionsG 1965 ein und hob diese Gesetzesstelle mit Erk. G77/83, 71/84 vom 14. März 1984 als verfassungswidrig auf.

III. Der VfGH hat über die Beschwerde erwogen:

Wie sich aus Art140 Abs7 B-VG ergibt, bewirkt die Aufhebung einer Gesetzesbestimmung als verfassungswidrig für den Anlaßfall, daß sie auf ihn nicht mehr anzuwenden ist; aus welchen verfassungsrechtlichen Gründen die Aufhebung ausgesprochen wurde, ist hiefür ohne Belang. Die Beschwerdesache ist daher so zu beurteilen, als ob die aufgehobene Gesetzesstelle bereits im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht mehr dem Rechtsbestand angehört hätte. Demnach wäre die bel. Beh. nicht befugt gewesen, den Versorgungsbezug der Bf. im oben erwähnten eingeschränkten Ausmaß festzustellen, das ausschließlich aus der als verfassungswidrig aufgehobenen Gesetzesvorschrift herleitbar wäre. Daraus folgt, daß die Bf. durch den bekämpften Bescheid wegen der Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt wurde; der Bescheid war sohin aufzuheben.

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