VfGH B409/79

VfGHB409/7930.11.1983

Tir. BauO 1978; Festlegung von Beiträgen an die Gemeinden zu den Kosten der Verkehrserschließung aus Anlaß einer Baubewilligung; keine Bedenken gegen §19 Abs12 im Hinblick auf das Gleichheitsgebot

Normen

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art15 Abs1
Tir BauO §19 Abs12 idF LGBl 37/1978
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art15 Abs1
Tir BauO §19 Abs12 idF LGBl 37/1978

 

Spruch:

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. a) Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde St. Jakob in Defereggen am 10. Oktober 1977 war dem Erstbf. die Bewilligung zum Neubau eines Wohnhauses mit Geschäft und Fremdenpension auf den GP ../1 und ../3, KG St. J in Defereggen, nach Maßgabe der vorgelegten Pläne erteilt worden.

Dieser erstinstanzliche Bescheid ist ebenso in Rechtskraft erwachsen wie ein weiterer Bescheid des Bürgermeisters vom 15. September 1978, mit welchem bei dem genannten Neubau Planänderungen betreffend eine Erweiterung des Kellergeschoßes, den Ausbau von zwei Zimmern im Dachgeschoß und die Neuanlage der Zufahrt zum Gebäude bewilligt worden waren. Der Bescheid vom 15. September 1978 bezog sich auf ein Ansuchen mit unverändertem Bauplatzanteil, aber mit einer um 1094 Kubikmeter erhöhten Baumasse.

Beizufügen bleibt, daß der bewilligte Neubau unmittelbar neben einem (kleineren) 1952 entstandenen Altbau errichtet wurde, welcher anläßlich des Neubaues abgerissen wurde.

b) Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Gemeindevorstandes der Gemeinde St. Jakob in Defereggen vom 16. August 1979 wurde den beiden Bf. als Eigentümern des Bauplatzes gemäß §19 der Tir. Bauordnung (TBO) idF LGBl. Nr. 43/1978 ein Erschließungsbeitrag vorgeschrieben.

Die gegen diesen Abgabenbescheid von den Bf. erhobene Vorstellung hat die Tir. Landesregierung mit Bescheid vom 11. September 1979 als unbegründet abgewiesen.

2. Gegen den Vorstellungsbescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher sich die Bf. im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt erachten und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragen.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. Nach §19 Abs1 TBO (und zwar sowohl in der Stammfassung, LGBl. Nr. 42/1974, als auch idF der ersten Bauordnungs-Nov. LGBl. Nr. 37/1978) entsteht für Eigentümer eines Bauplatzes mit dem Eintritt der Rechtskraft der Baubewilligung die Verpflichtung, der Gemeinde einen Beitrag zu den Kosten der Verkehrserschließung (Erschließungsbeitrag) zu leisten.

Gemäß dem Abs2 dieses Paragraphen ist der Erschließungsbeitrag "die Summe des Bauplatzanteiles Abs3 und des Baumassenanteiles (Abs4)".

Der Erschließungsbeitrag ist nach Baubeginn mit Bescheid vorzuschreiben (Abs7, erster Satz).

Nach dem zweiten Satz des Abs7 idF der Nov. LGBl. Nr. 37/1978 ist der Berechnung des Erschließungsbeitrages der im Zeitpunkt des Eintrittes der Rechtskraft der Baubewilligung geltende Einheitssatz zugrunde zu legen.

Mit der genannten Nov. wurde dem §19 auch ein Abs12 angefügt, der folgenden Wortlaut hat:

"Für die Ermittlung des Baumassenanteiles ist die Baumasse eines abgebrochenen Gebäudes oder Gebäudeteiles von der Baumasse des Neu- bzw. Zubaues abzuziehen, wenn die Baumasse des abgebrochenen Gebäudes oder Gebäudeteiles Grundlage für die Ermittlung eines Beitrages zu den Kosten der Verkehrserschließung nach diesem Gesetz oder nach früheren Rechtsvorschriften war."

2. Die Bf. haben im Verwaltungsverfahren geltend gemacht, daß bei der Bemessung des Erschließungsbeitrages ein bisheriger Bestand von 1011 Quadratmeter an Bauplatz und von 2305 Kubikmeter an Baumasse nicht in Abzug gebracht worden sei.

Hiezu hat die Behörde im angefochtenen Bescheid festgestellt, daß nach der seit 1. September 1978 geltenden Rechtslage für die Ermittlung des Baumassenanteiles die Baumasse eines abgebrochenen Gebäudes oder Gebäudeteiles von der Baumasse des Neubaues nur dann abzuziehen sei, wenn die Baumasse des abgebrochenen Gebäudes oder Gebäudeteiles Grundlage für die Ermittlung eines Beitrages zu den Kosten der Verkehrserschließung nach der TBO oder nach früheren Rechtsvorschriften gewesen sei. In Ermangelung eines solchen Beitrages in der Vergangenheit hätte die Anrechnungsregel des §19 Abs12 TBO im vorliegenden Fall nicht angewendet werden können.

3. a) Die Bf. bringen vor, die bel. Beh. habe §19 Abs12 TBO fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt.

Wie sich aus Überschrift und Inhalt des §19 TBO ergebe, handle es sich beim Verkehrserschließungsbeitrag nämlich um eine zweckbezogene Sonderabgabe. Diese Bestimmung habe einen Vorläufer in der Abgabe zum Straßenbauaufwand nach dem Landesgesetz vom 8. Feber 1960, LGBl. Nr. 10, gehabt. Auch diese Abgabe sei nach der Baumasse multipliziert mit einem festen Einheitssatz berechnet worden und nach Rechtskraft des Baubewilligungsbescheides vorzuschreiben gewesen. Vor dem Inkrafttreten dieses Landesgesetzes sei die Gemeinde gemäß §14 der im LGBl. Nr. 12/1978 (richtig: 1928) wiederverlautbarten Tir. Landesbauordnung berechtigt gewesen, bei Bauten, die neues Baugelände erschließen, den Bauwerber zu einem angemessenen Beitrag zu jenen Kosten des dem Baugrund anliegenden Straßengrundes zu verhalten, die der Gemeinde durch die Baureifmachung des Grundes erwuchsen.

Daraus und aus dem Verursacherprinzip ergebe sich, daß für Neubauten, für welche die Baubewilligung erst nach dem Inkrafttreten der TBO erteilt worden sei, kein Beitrag für Erschließungsleistungen der Gemeinde nach §19 TBO erhoben werden könne, die vor dem 1. Jänner 1975 erbracht worden und daher dem vorher bestandenen Bauvolumen und der entsprechenden Infrastruktur adäquat gewesen seien. Daraus folge weiters, daß Grundlage einer Beitragspflicht nach §19 TBO nur ein Bauvolumen sein könne, das den zu dem erwähnten Stichtag gegebenen Bestand übersteige, und daß der Erschließungsbeitrag von einem bestimmten Bauobjekt also insoweit nicht eingehoben werden könne, als Bauplatz und Baumasse den Altbestand nicht überschreiten.

Wenn auf einem Bauplatz, auf dem ein Neu- oder Zubau errichtet werde, bereits ein Haus stehe, so sei der Erschließungsbeitrag gemäß §19 Abs11 TBO von der Baumasse des Neubaues und von einem Bauplatzanteil zu entrichten, der dem Verhältnis der Baumasse des Neubaues zu der Summe der Baumasse der bestehenden Gebäude und des Neubaues entspreche. Das stimme mit dem Grundsatz überein, daß nur ein zusätzliches Bauvolumen mit der Abgabe zu belasten sei. Wenn man im Zuge der Errichtung des Neubaues - wie im vorliegenden Fall - den Altbestand abbreche, so entstehe durch diesen Abbruch zunächst ein "Weniger" an Bauvolumen und damit grundsätzlich auch an verkehrsmäßiger Belastung. Daher müsse bei der Berechnung des Baumassenanteiles des Erschließungsbeitrages für den Neubau die Baumasse des abgebrochenen Altbaues angerechnet werden, wenn dieser Grundsatz eingehalten werden solle. Dies stehe nur scheinbar im Widerspruch zum Abs12 des §19 TBO. Der Widerspruch löse sich nämlich bei einer anderen Auslegung des zweiten Halbsatzes dieser Bestimmung auf. Danach sei der Altbestand auch dann, wenn er im Zuge der Bauführung abgebrochen wurde, bei der Ermittlung des Baumassenanteiles abzuziehen, wenn er Grundlage für die Berechnung eines Beitrages zu den Kosten der Verkehrserschließung nach diesem Gesetz oder nach früheren Rechtsvorschriften war. Für den im Jahre 1952 errichteten Altbau hätten die Bestimmungen der Bauordnung 1928 gegolten. Da er im Ortskern gelegen sei, hätte er keiner gesonderten Beitragspflicht unterlegen, vielmehr sei die dem damaligen Stand entsprechende Infrastruktur in diesem Gemeindeteil aus dem allgemeinen Aufkommen an Gemeindeabgaben finanziert worden. Wenn nun die Bezahlung dieser Steuern als Beitrag zu den Kosten der Verkehrserschließung nach früheren Rechtsvorschriften anerkannt werde, sei §19 Abs12 TBO widerspruchslos auch auf den vorliegenden Fall anwendbar.

Wenn die bel. Beh. aber diese Bestimmung so auslege, daß auch für jenen Teil, um den das Bauvolumen der Gemeinde durch den Abbruch verringert worden sei, iZm. dem Neubau Erschließungsabgabe zu entrichten sei, dann seien die Bf. gegenüber den übrigen Gemeindeangehörigen einer "Sonderbelastung" unterworfen und somit im Gleichheitsrecht verletzt worden.

b) Gegen die Festlegung von Beiträgen an die Gemeinden zu den Kosten der Verkehrserschließung durch den Landesgesetzgeber äußern auch die Bf. keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Ebensowenig sind derartige Bedenken gegen die Vorschrift des §19 Abs12 TBO, mit der vermieden wird, daß eine Baumasse mehrmals als Grundlage für die Ermittlung eines Beitrages zu den Kosten der Verkehrserschließung herangezogen wird, vorgebracht worden oder beim VfGH entstanden.

Diese Bestimmung bewirkt zwar, daß für Baumassen, die lediglich an Stelle früherer Baumassen getreten sind (für welche niemals ein Erschließungsbeitrag oder ein diesem gleichkommender Beitrag nach früheren Rechtsvorschriften entrichtet wurde und bei Fortbestand der alten Baumasse auch weiterhin nicht zu entrichten gewesen wäre), ebenfalls ein Erschließungsbeitrag fällig wird. Dies führt aber zu keinem gleichheitswidrigen Ergebnis, weil es dem Landesgesetzgeber - ohne gegen den Gleichheitsgrundsatz zu verstoßen - freistünde, auch hinsichtlich bereits bestehender Bauwerke die Verpflichtung zur - erstmaligen - Entrichtung eines besonderen Verkehrserschließungsbeitrages festzulegen. Wenn der Gesetzgeber sich darauf beschränkt hat, eine derartige Abgabepflicht nicht schlechthin, sondern nur in der Form einzuführen, daß - bei erstmaliger Beitragsleistung - die ganze Baumasse ohne Abzug niedergerissener Altbauten heranzuziehen ist, liegen dieser unterschiedlichen Behandlung auch Unterschiede im Tatsächlichen zugrunde.

Daraus ergibt sich auch, daß die bel. Beh., die bei der Auslegung des §19 Abs12 TBO von diesem Inhalt des Gesetzes ausgegangen ist, dem Gesetz keineswegs fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt hat.

Der behauptete Verstoß gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz hat somit nicht stattgefunden.

4. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß die Bf. in von ihnen nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt wurden.

Die Beschwerde ist daher abzuweisen.

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