VfGH B417/79

VfGHB417/7912.6.1982

Fernmeldegesetz; Privatfernmeldeanlagenverordnung; Beschlagnahme eines Sprechfunkgerätes; keine denkunmögliche Gesetzesanwendung

Normen

B-VG Art144 Abs1 / Befehls- und Zwangsausübung unmittelb
StGG Art5
FernmeldeG §3 Abs1
FernmeldeG §4 Abs2
FernmeldeG §26 Abs1
FernmeldeG §28 Abs2
PrivatfernmeldeanlagenV §12 Abs1
VStG §39 Abs2
B-VG Art144 Abs1 / Befehls- und Zwangsausübung unmittelb
StGG Art5
FernmeldeG §3 Abs1
FernmeldeG §4 Abs2
FernmeldeG §26 Abs1
FernmeldeG §28 Abs2
PrivatfernmeldeanlagenV §12 Abs1
VStG §39 Abs2

 

Spruch:

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Beschwerdeführer ist Eigentümer eines Sprechfunkgerätes, Type Zodiac, M-5012 OE, samt zugehöriger Ausstattung.

Am 5. September 1979 erschienen in der Wohnung des Beschwerdeführers in Wien Beamte der Post- und Telegraphendirektion für Wien, NÖ und Bgld. Sie beschlagnahmten das Gerät samt Zubehör unter Hinweis darauf, daß das bezeichnete Funkgerät als ortsfeste Funkstelle errichtet und eine fernmeldebehördliche Bewilligung hiefür nicht erteilt worden sei. Über die Amtshandlung wurde eine Bescheinigung mit folgendem Wortlaut ausgestellt:

"Bescheinigung

Auf Grund der §§2, 4, 8 und 28 des Fernmeldegesetzes, BGBl. Nr. 170/1949, wurden am 5. September 79 um 19.00 Uhr die Wohnräume des E. H. in 1140 Wien, R-gasse 6-16/1/9 wegen Verdachtes einer Verwaltungsübertretung nach §26 Abs1 Z ... des Fernmeldegesetzes betreten und hiebei gemäß §39 Abs2 des Verwaltungsstrafgesetzes, BGBl. Nr. 172/1950, folgende Gegenstände vorläufig in Beschlag genommen:

1 Funksprechgerät M-5012 OE Nr. 771338 kompl. mit Mikrofon 2 HF Kabeln samt 2 Stk UHF Winkelstecker; 1 Stk SWR Meter Monacor FSI-5; 1 Stk Antenne Matcher Gold Line Norwalk CT; 27 MHz Antenne ohne Fuß; 1 Stk Netzgerät Monacor RP-50."

Die Amtshandlung fand in Abwesenheit des Beschwerdeführers, jedoch in Anwesenheit seiner Gattin statt.

Am 6. September 1979 sprach der Beschwerdeführer bei der belangten Behörde vor und wies die Bewilligung der Post- und Telegraphendirektion für Tirol und Vbg. vom 25. Juni 1979 vor, mittels welcher ihm die Bewilligung erteilt wurde, "ein Sprechfunkgerät der Type M-5012 OE der Firma Zodiac in Österreich ... zu errichten und zu betreiben - durch beauftragte Personen betreiben zu lassen".

2. Gegen die Amtshandlung vom 5. September 1979 richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der begehrt wird, der VfGH möge erkennen, daß der Beschwerdeführer durch die Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch ein Organ der Fernmeldebehörde 1. Instanz durch die Beschlagnahme im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden sei.

Die Post- und Telegraphendirektion für Wien, NÖ und Bgld. hat eine Gegenschrift erstattet, in der die Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

II. Der VfGH hat über die Beschwerde erwogen:

1. a) Die angefochtene Maßnahme wurde auf Grund des Fernmeldegesetzes, BGBl. 170/1949 idF BGBl. 477/1974 (im folgenden: FG), von Organen der (örtlich zuständigen) Fernmeldebehörde erster Instanz (§§10 und 28 FG), sohin der Post- und Telegraphendirektion für Wien, NÖ und Bgld., durchgeführt. Sie ist daher dieser Behörde zuzurechnen.

b) Durch die einen Akt unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt bildende Beschlagnahme der im Eigentum des Beschwerdeführers stehenden Gegenstände wurde in dessen Rechtssphäre eingegriffen. Er ist daher beschwerdelegitimiert.

Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen gegeben sind, ist die Beschwerde zulässig.

2. a) Die Beschlagnahme greift in das Eigentumsrecht des Beschwerdeführers ein (vgl. VfSlg. 8815/1980).

Dieser Eingriff wäre nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH nur dann verfassungswidrig, wenn der ihn bewirkende Verwaltungsakt ohne jede Rechtsgrundlage ergangen wäre oder auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage beruhte, oder wenn die Behörde das Gesetz in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser einer Gesetzlosigkeit gleich käme.

Der Beschwerdeführer behauptet der Sache nach eine denkunmögliche Gesetzesanwendung durch die belangte Behörde. Diese rechtfertigt die Beschlagnahme unter Hinweis auf §§26 Abs1 und 28 Abs2 FG in Verbindung mit §39 Abs2 VStG 1950.

b) Das Recht, Fernmeldeanlagen zu errichten und zu betreiben, steht gemäß §2 Abs1 FG dem Bunde zu. Die Fernmeldebehörden können nach §3 Abs1 leg. cit. die Befugnis zur Errichtung und zum Betrieb einzelner Fernmeldeanlagen physischen oder juristischen Personen erteilen. Der Besitz und die Verwendung von Funk-, Sende- und Empfangseinrichtungen ist - von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen - nach §4 Abs2 FG nur mit Bewilligung und unter Aufsicht des Bundes (§5 FG) zulässig.

Nach §6 Abs1 der im Gesetzesrang stehenden (ArtI Abs1 Z4 des BG BGBl. 267/1972) Privatfernmeldeanlagenverordnung, BGBl. 239/1961 idF BGBl. 344/1977, ist zur Entscheidung über Anträge auf Erteilung der Bewilligung zur Errichtung und zum Betrieb einer Privatfernmeldeanlage die Fernmeldebehörde erster Instanz zuständig, in deren örtlichem Wirkungsbereich die Privatfernmeldeanlage betrieben werden soll. Soll sich eine drahtgebundene Anlage auf die Wirkungsbereiche zweier oder mehrerer Fernmeldebehörden erster Instanz erstrecken oder soll eine bewegliche Funkanlage in zwei oder mehreren solchen Wirkungsbereichen betrieben werden, so ist für die Entscheidung die Fernmeldebehörde erster Instanz zuständig, in deren örtlichem Wirkungsbereich sich der (Wohn-)Sitz des Antragstellers befindet.

§12 Abs1 der Privatfernmeldeanlagenverordnung bestimmt, daß (feste) Privatfernmeldeanlagen nur an den in der Bewilligung angegebenen Standorten, bewegliche Anlagen nur in dem in der Bewilligung angegebenen Einsatzgebiet betrieben werden dürfen. Jede Standortsänderung, bei beweglichen Anlagen jede Verwendung außerhalb des in der Bewilligung angegebenen Einsatzgebietes bedarf der vorherigen Bewilligung der zuständigen Fernmeldebehörde.

Nach §26 Abs1 FG macht sich einer Verwaltungsübertretung schuldig, wer

1. unbefugt eine Fernmeldeanlage errichtet, ändert oder betreibt,

2. unbefugt Funk- und Fernseheinrichtungen (§4) einführt, herstellt, in Verkehr setzt, besitzt oder verwahrt,

3. einer auf Grund der §§8 und 9 erlassenen Anordnung zuwiderhandelt,

4. eine bewilligte Fernmeldeanlage mißbräuchlich verwendet.

Gemäß §28 Abs1 iVm §10 leg. cit. ist zur Durchführung eines entsprechenden Verwaltungsstrafverfahrens in erster Instanz die örtlich zuständige Post und Telegraphendirektion berufen, die die Bestimmungen der Verwaltungsverfahrensgesetze anzuwenden hat (§12 FG).

§28 Abs2 leg. cit. sieht den Verfall von Gegenständen, mit denen eine strafbare Handlung begangen wurde, vor.

Liegt der Verdacht einer Verwaltungsübertretung vor, für die der Verfall von Gegenständen als Strafe vorgesehen ist, so kann die Behörde gemäß §39 Abs1 VStG 1950 zur Sicherung des Verfalles die Beschlagnahme dieser Gegenstände anordnen. Nach §39 Abs2 VStG 1950 können bei Gefahr im Verzuge auch die Organe der öffentlichen Aufsicht aus eigener Macht solche Gegenstände vorläufig in Beschlag nehmen. Sie haben darüber dem Betroffenen sofort eine Bescheinigung auszustellen und der Behörde die Anzeige zu erstatten.

c) Die bekämpfte Verwaltungstätigkeit basiert auf diesen gesetzlichen Regelungen. Sie ist daher nicht ohne jede gesetzliche Grundlage vorgenommen worden. Auch wurden gegen diese, der bekämpften Amtshandlung zu Grunde liegenden gesetzlichen Bestimmungen weder in der Beschwerde Bedenken vorgebracht, noch sind solche beim VfGH unter dem Gesichtspunkt des vorliegenden Beschwerdefalles entstanden.

d) Aber auch eine denkunmögliche Gesetzesanwendung ist der Behörde nicht anzulasten:

aa) Der Beschwerdeführer verfügt über zwei Bewilligungen zur Errichtung und zum Betrieb von Funkanlagen im Industriefrequenzbereich, eine von der Post- und Telegraphendirektion für Wien, NÖ und Bgld. ausgestellte Bewilligung vom 17. Oktober 1977 und eine von der Post- und Telegraphendirektion für Tirol und Vbg. am 25. Juni 1979 ausgestellte Bewilligung.

Die einschreitenden Beamten konnten davon ausgehen, daß sich die von der Post- und Telegraphendirektion für Wien, NÖ und Bgld. erteilte Bewilligung nach ihrem eindeutigen Wortlaut darauf bezieht, das Funksprechgerät als bewegliche Funkstelle im gesamten Bundesgebiet zu errichten und zu betreiben.

Da sich die von der Post- und Telegraphendirektion für Tirol und Vbg. erteilte Bewilligung auf keinen bestimmten Standort bezieht, gemäß §12 Abs1 der Privatfernmeldeanlagenverordnung jedoch ortsfeste Privatfernmeldeanlagen nur an den in der Bewilligung angegebenen Standorten betrieben werden dürfen, ist die Annahme nicht denkunmöglich, daß sich auch die von der Post- und Telegraphendirektion für Tirol und Vbg. erteilte Bewilligung auf eine bewegliche Privatfernmeldeanlage mit Einsatzgebiet Österreich bezieht.

Die belangte Behörde konnte daher denkmöglicherweise davon ausgehen, daß die Errichtung und der Betrieb der festen Privatfernmeldeanlage in einer Wohnung im 14. Wiener Gemeindebezirk durch keine der beiden Bewilligungen gedeckt war und daß der Beschwerdeführer eine Verwaltungsübertretung nach §26 FG begangen hatte, somit die Voraussetzung für eine Beschlagnahmeanordnung gemäß §39 Abs1 VStG vorlag.

bb) Aber auch die Annahme, daß Gefahr im Verzuge vorliege, war denkmöglich. Daß das Funkgerät als feste Anlage errichtet war, war augenscheinlich, daß es auch betrieben wurde, wurde den einschreitenden Beamten von der bei der Amtshandlung anwesenden Gattin bestätigt. Noch anläßlich der Vorsprache des Beschwerdeführers bei der belangten Behörde am 6. September 1979 hat dieser unter Hinweis auf die ihm erteilten fernmeldebehördlichen Bewilligungen die Ansicht vertreten, daß er zum Betrieb einer ortsfesten Funkanlage in Wien befugt sei. Die Beamten konnten somit vertretbarerweise damit rechnen, daß der Beschwerdeführer das Funkgerät weiterhin als feste Privatfunkanlage betreiben würde. Es war daher für den Fall der Nichtbeschlagnahme die Fortsetzung der strafbaren Handlung wahrscheinlich.

e) Der Beschwerdeführer ist sohin nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentumes verletzt worden.

f) Anhaltspunkte dafür, daß er in einem von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt worden wäre, sind im Verfahren vor dem VfGH nicht hervorgekommen.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte