VfGH B355/79

VfGHB355/7914.6.1982

StVO 1960; keine denkunmögliche Anwendung des §5 Abs1; kein Entzug des gesetzlichen Richters; keine Willkür

Normen

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art83 Abs2
B-VG Art144 Abs1 / Prüfungsmaßstab
BVG Ämter d LReg §3 Abs3
StVO 1960 §5 Abs1
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art83 Abs2
B-VG Art144 Abs1 / Prüfungsmaßstab
BVG Ämter d LReg §3 Abs3
StVO 1960 §5 Abs1

 

Spruch:

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit Straferkenntnis vom 24. Oktober 1977 hat die Bundespolizeidirektion Linz über den Beschwerdeführer gemäß §99 Abs1 lita StVO eine Geldstrafe in der Höhe von S 10.000,-, im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzarreststrafe von 20 Tagen verhängt, weil der Beschwerdeführer am 30. Mai 1977 um 21.30 Uhr seinen PKW,

L ... auf der Kreuzung Im Haidgattern - Vogelfängerweg in Linz in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt und hiedurch gegen §5 Abs1 StVO verstoßen habe.

Die gegen dieses Straferkenntnis erhobene Berufung des Beschwerdeführers wurde mit Bescheid der Oö. Landesregierung vom 26. Juni 1979 abgewiesen.

2. Mit Bescheid vom 8. August 1979 hat die Oö. Landesregierung den Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Vorlage eines Gutachtens als verspätet zurückgewiesen, den Antrag des Beschwerdeführers auf Wiederaufnahme des Verfahrens als unbegründet abgewiesen, den Antrag des Beschwerdeführers auf Aufhebung des Bescheides im Rahmen des §68 AVG als unzulässig zurückgewiesen sowie den Antrag des Beschwerdeführers, allen genannten Anträgen die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, zum Teil abgewiesen und zum Teil zurückgewiesen.

3. Gegen beide Bescheide der Oö. Landesregierung richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher der Beschwerdeführer die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte geltend macht und die Aufhebung der Bescheide, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den VwGH beantragt.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. a) Der Beschwerdeführer erachtet sich im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter hinsichtlich beider Bescheide deshalb verletzt, weil "im Berufungsverfahren wiederholt offenbar zwei verschiedene Beamte entschieden" hätten, welche "auf Grund der Geschäftsverteilung nicht gleichzeitig für dasselbe Verfahren zuständig sein" könnten.

Nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (vgl. zB VfSlg. 8828/1980) wird das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt oder in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt.

Das ist hier deshalb nicht der Fall, weil in erster Instanz als Verwaltungsstrafbehörde die sachlich zuständige Bundespolizeidirektion Linz und in zweiter Instanz die örtlich und sachlich zuständige Oö. Landesregierung eingeschritten sind (vgl. §95 Abs1 litb sowie §94a Abs1 StVO und Art101 Abs1 B-VG).

Im übrigen ist zum Vorbringen des Beschwerdeführers zu bemerken: Eine gemäß §3 Abs3 des Bundes-Verfassungsgesetzes BGBl. 289/1925 in der Geschäftsordnung des Amtes der Oö. Landesregierung vom 9. Mai 1977, LGBl. 24/1977, hinsichtlich der Landesregierung oder einzelner ihrer Mitglieder unbeschadet deren Verantwortlichkeit vorgesehene Vertretung durch Beamte ist lediglich innerdienstlicher Natur und läßt die Zuständigkeit unverändert (vgl. VfSlg. 8637/1979 und die dort angeführte Vorjudikatur). Selbst ein Fehlen der Approbationsbefugnis im einzelnen könnte das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter nicht verletzen (s. VfSlg. 8304/1978).

b) Zu dem Vorbringen des Beschwerdeführers, er sei im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter deshalb verletzt worden, weil die Behörde über einen Fristerstreckungsantrag nicht entschieden habe, ist zu bemerken, daß dieser Umstand mit der Zuständigkeit der Behörde in keinem wie immer gearteten Zusammenhang steht und die behauptete Grundrechtsverletzung schon deshalb nicht vorliegt.

2. Der Beschwerdeführer behauptet, die belangte Behörde habe bei Erlassung des Bescheides vom 26. Juni 1979 deshalb Willkür geübt, weil sie über einen Fristsetzungsantrag nicht entschieden, sondern vielmehr ohne Fristsetzung und ohne Hinweis auf Säumnisfolgen eine Sachentscheidung getroffen habe. Darin, daß die Behörde, ohne die Vorlage des vom Beschwerdeführer angekündigten Gutachtens abzuwarten, den Bescheid vom 26. Juni 1979 erlassen habe, liege nicht nur "eine wesentliche Verletzung des Parteiengehörs mit Nichtigkeitsfolgen vor, sondern geradezu ein Willkürakt". Die angefochtenen Bescheide, insbesondere der Berufungsbescheid vom 26. Juni 1979, seien auch deshalb rechtswidrig, weil sie sich mit wesentlichen Verfahrensergebnissen, insbesondere den der Verantwortung des Beschwerdeführers entsprechenden Alternativen in den Sachverständigengutachten nicht erschöpfend auseinandersetzten, die Verantwortung und Argumentation des Beschwerdeführers nicht schlüssig und erschöpfend widerlegten und schließlich die Entscheidung auf "geradezu aktenwidrige Feststellungen" stützten. Auch sei ein wesentlicher Beweisantrag (Einvernahme eines Zeugen in Gegenwart des Beschwerdeführers) nicht erledigt worden.

Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt ua. in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteienvorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhalts (vgl. zB VfSlg. 8808/1980 und die dort angeführte Vorjudikatur).

Die belangte Behörde hat im Bescheid vom 26. Juni 1979 ihre Feststellung, daß der Beschwerdeführer in einem durch Alkoholeinwirkung bedingten fahruntüchtigen Zustand ein Kraftfahrzeug gelenkt und somit die Übertretung nach §5 Abs1 StVO zu verantworten hat, im wesentlichen damit begründet, die durch Alkoholeinwirkung bedingte Fahruntüchtigkeit des Beschwerdeführers ergebe sich aus einem medizinischen Sachverständigengutachten, welches auf Grund des weiteren Vorbringens des Beschwerdeführers durch vier ergänzende gutächtliche Äußerungen des Sachverständigen untermauert worden sei. Hingegen seien die vom Beschwerdeführer beigebrachten privaten Alternativgutachten nicht geeignet, die Annahme der Fahruntüchtigkeit des Beschwerdeführers in Frage zu stellen.

Schon daraus ist zu ersehen, daß der gegen die Behörde erhobene Vorwurf der Willkür nicht zutrifft. Die Prüfung der Richtigkeit des Sachverständigengutachtens ist nicht Sache des VfGH; selbst wenn die belangte Behörde einem Gutachten zu Unrecht gefolgt wäre, bedeutete dies (noch) keinen Eingriff in die Verfassungssphäre (vgl. VfSlg. 8496/1979). Angesichts des vom Beschwerdeführer zugegebenen Konsums von drei bis vier Gläsern "gespritzten" Weißweines mehrere Stunden vor der Inbetriebnahme des Kraftfahrzeuges sowie angesichts eines Badeunfalles des Beschwerdeführers mit dadurch verursachter Kopfprellung vom selben Tag konnte die belangte Behörde denkmöglich davon ausgehen, daß der Beschwerdeführer auch dann den Tatbestand des §5 Abs1 StVO verwirklicht hat, wenn er, unabhängig vom Ausmaß des genossenen Alkohols, auf Grund anderer zusätzlicher Komponenten fahruntauglich geworden ist (vgl. hiezu auch das Erk. des VwGH vom 29. 3. 1976 Z 1505/74).

Es kann schon auf Grund dessen keine Rede davon sein, daß die belangte Behörde bei Erlassung des Bescheides vom 26. Juni 1979 Willkür geübt hätte. Unter diesen Umständen würde auch die behauptete - von der Behörde aber in Abrede gestellte - Verletzung des Parteiengehörs keinen Verfahrensmangel bedeuten, der in die Verfassungssphäre reicht (vgl. VfSlg. 8766/1980).

3. Der Beschwerdeführer hat (abgesehen von seinem oben unter Pkt. 1. a) wiedergegebenen Vorbringen) in keiner Weise dargelegt, aus welchen Gründen er sich durch den Bescheid der Oö. Landesregierung vom 8. August 1979 in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt erachtet. Auch im Verfahren beim VfGH ist keine derartige in die Verfassungssphäre reichende Rechtsverletzung hervorgekommen.

4. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß der Beschwerdeführer durch die beiden angefochtenen Bescheide in von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in einem Recht verletzt worden ist.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

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