VfGH B595/78

VfGHB595/7811.3.1981

Sbg. Anliegerleistungsgesetz; Vorschreibung von Beiträgen zu den Kosten eines errichteten Hauptkanals; keine Bedenken gegen die der Kanalerrichtung zugrundeliegende Verordnung des Gemeinderates der Landeshauptstadt Sbg. vom 28. 9. 1977, ABl. Nr. 22/1977; keine gleichheitswidrige und keine denkunmögliche Gesetzesanwendung

Normen

StGG Art5
Sbg AnliegerleistungsG §10
Sbg AnliegerleistungsG §11
Sbg Stadtrecht 1966 §77 Abs1
StGG Art5
Sbg AnliegerleistungsG §10
Sbg AnliegerleistungsG §11
Sbg Stadtrecht 1966 §77 Abs1

 

Spruch:

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Die Beschwerdeführer sind je zur Hälfte Eigentümer der zwischen der R.Straße und der K-St-gasse in Sbg. gelegenen Grundstücke Nr. 3044/5, 3044/8 und 3045/2, KG Sbg., Abteilung R., die über einen Privatkanal in der K-St-gasse entsorgt werden. Entlang der R.Straße errichtete die Landeshauptstadt Sbg. einen Hauptkanal iS des 10 des Sbg. Anliegerleistungsgesetzes (ALG), LGBl. 77/1976.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Bauberufungskommission der Landeshauptstadt Sbg. vom 26. September 1978 wurde den Beschwerdeführern unter Berufung auf §§1 Abs4 und 11 Abs1 ALG als Eigentümer am Hauptkanal liegender, bebauter Grundstücke ein Beitrag zur Errichtung des Hauptkanals in Höhe von S 95.304,50 vorgeschrieben.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Unverletzlichkeit des Eigentums gerügt und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den VwGH beantragt wird.

Die belangte Behörde hat in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II. Der VfGH hat zur Zulässigkeit der Beschwerde erwogen:

Mit dem angefochtenen Bescheid der Bauberufungskommission der Landeshauptstadt Sbg. wurden in Anwendung der Bestimmungen des ALG Beiträge zu den Kosten eines von der Landeshauptstadt Sbg. errichteten Hauptkanals vorgeschrieben. Derartige Beiträge sind ausschließliche Gemeindeabgaben, die von der Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich zu erheben (§1 Abs2 ALG) und bescheidmäßig vorzuschreiben sind (§14 Abs2 ALG).

In der Stadtgemeinde Sbg. richtete sich die Zuständigkeit zur Erhebung dieser Beiträge nach der für den Zeitpunkt der Bescheiderlassung maßgeblichen Rechtslage nach ArtII ALG in der Fassung vor dessen Aufhebung durch ArtII LGBl. 35/1980. Die Verfassungsbestimmung des ArtII ALG normierte - abweichend von der ebenfalls als Landesverfassungsrecht in Geltung stehenden Regelung des §55 Sbg. Stadtrecht 1966 -, daß sich die Zuständigkeit zur Vollziehung des ALG in der Stadtgemeinde Sbg. nach der Zuständigkeit zur Besorgung der Angelegenheiten der örtlichen Baupolizei richtet. In Angelegenheiten der örtlichen Baupolizei ist in erster Instanz der Bürgermeister und in zweiter Instanz die Bauberufungskommission der Landeshauptstadt Sbg. zuständig. Gegen deren Entscheidung steht gemäß §53 Abs2 des Sbg. Stadtrechtes 1966 kein Rechtsmittel offen.

Nach §77 Abs1 des Sbg. Stadtrechtes 1966 findet in Angelegenheiten der Gemeindeabgaben keinesfalls eine Vorstellung an die Landesregierung statt. Da die Bauberufungskommission bei Erlassung des bekämpften Bescheides in einer Angelegenheit einer Gemeindeabgabe entschieden hat, ist der Instanzenzug somit erschöpft.

Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen gegeben sind, ist die Beschwerde zulässig.

III. In der Sache hat der VfGH erwogen:

1. a) Gemäß §10 ALG soll die Gemeinde, wenn es aus hygienischen Gründen notwendig ist, mangels anderer geeigneter Unternehmen für die Abwasserbeseitigung Vorsorge treffen und die für den Anschluß von Bauten erforderlichen Hauptkanäle schaffen. Der Bereich und der Zeitpunkt, ab welchem in einem Gebiet das Erfordernis für die Errichtung von Hauptkanälen besteht, sind durch Verordnung des Gemeinderates zu bestimmen.

Gemäß §11 Abs1 ALG haben die Eigentümer der am Hauptkanal der Gemeinde liegenden, zum Bauplatz erklärten Grundstücke bei Errichtung des Hauptkanales einen Beitrag von je einem Drittel der Kosten zu leisten, gleichgültig, ob die Grundstücke an die Hauptkanäle angeschlossen sind oder nicht. Nach §1 Abs4 ALG sind für die Beitragsregelungen zum Bauplatz erklärten Grundstücken solche gleichzuhalten, auf denen Bauten bestehen, für deren Errichtung eine Bauplatzerklärung erforderlich wäre. Die Kosten sind gemäß §11 Abs3 ALG in der Weise zu ermitteln, daß der Gemeinderat den Durchschnittspreis aller Hauptkanäle im Gemeindegebiet per Längenmeter feststellt. Auf dieser Grundlage ist der Beitrag für den Bauplatz nach dessen Längenausdehnung zu berechnen, wobei als Längenausdehnung die Seite eines Quadrates gilt, das den Flächeninhalt des Bauplatzes aufweist.

Weiters ist vorgesehen, daß Grundstücke, die zu einem späteren Zeitpunkt zum Bauplatz erklärt werden und am Hauptkanal liegen, beitragspflichtig werden (§11 Abs2 leg. cit.) und daß Eigentümer von zum Bauplatz erklärten Grundstücken, für welche nach den Bestimmungen des §11 ALG keine Beitragspflicht besteht, anläßlich eines konkreten Anschlusses ihrer Grundstücke an einen Hauptkanal beitragspflichtig werden.

b) Der VfGH hat sich schon im Erk. VfSlg. 6333/1970 mit der Frage befaßt, ob gegen die damalige, in bezug auf die für diese Entscheidung wesentliche Frage nach dem Entstehen der Beitragspflicht mit der jetzigen Regelung übereinstimmende Bestimmung über die Leistung von Beiträgen zur Errichtung von Hauptkanälen in Sbg. (§4 Abs12 und 13 der Stadtbauordnung für Sbg. 1958) verfassungsrechtliche Bedenken bestehen und solche verneint. Der Gerichtshof sieht keinen Anlaß, von dieser Judikatur abzugehen.

2. a) Die Beschwerdeführer behaupten, die Gemeinde habe den in Rede stehenden Hauptkanal errichtet, ohne daß dies unbedingt erforderlich und notwendig gewesen wäre. Es bestehe im konkreten Fall überhaupt kein Bedarf zur Errichtung eines Hauptkanals bzw. der Schaffung einer Anschlußmöglichkeit an einen Hauptkanal, da ein einwandfrei funktionierender Hauptkanal schon seit langem vorhanden sei und durch diesen eine hygienische Entsorgung der den Beschwerdeführern gehörenden Liegenschaft gewährleistet sei. Auch aus hygienischen Gründen sei sohin die Errichtung eines Hauptkanals bzw. einer Anschlußmöglichkeit an einen Hauptkanal nicht notwendig und nicht erforderlich gewesen.

Damit behaupten die Beschwerdeführer der Sache nach die Gesetzwidrigkeit der der Kanalerrichtung zugrundeliegenden Verordnung des Gemeinderates der Landeshauptstadt Sbg., Beschluß des Bau- und Liegenschaftsausschusses vom 28. September 1977, kundgemacht im Amtsblatt der Landeshauptstadt Sbg. Nr. 22/1977, Seite 9.

b) Der VfGH hat jedoch keine Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit dieser Verordnung.

Die Zuständigkeit des Bau- und Liegenschaftsausschusses zur Erlassung der in Rede stehenden Verordnung ergibt sich aus Pkt. 4.2.4. des Anhanges zur Geschäftsordnung des Gemeinderates in Verbindung mit §33 Abs3 dieser Geschäftsordnung; ihre gesetzliche Deckung findet diese Ermächtigung in §40 Abs2 und 3 des Sbg. Stadtrechtes.

Auch die behauptete inhaltliche Gesetzwidrigkeit trifft nicht zu. Es ist den Beschwerdeführern zwar zuzugestehen, daß die Notwendigkeit der Errichtung dieses Hauptkanales im Hinblick auf ihre Liegenschaft nicht gegeben ist; doch stellt das Gesetz nicht auf die Notwendigkeit der Errichtung eines Hauptkanals für jede einzelne Liegenschaft ab; notwendig iS des §10 ALG ist die Errichtung eines Hauptkanals aus hygienischen Gründen nicht erst dann, wenn die Abwasserentsorgung für jede einzelne an diesem Kanal gelegene Liegenschaft nur durch die Errichtung eines solchen Hauptkanals möglich wird, sondern schon dann, wenn die Abwasserentsorgung für einen Teil der Liegenschaften aus hygienischen Gründen die Errichtung eines Hauptkanals verlangt. Eine solche Notwendigkeit liegt vor und wurde auch von den Beschwerdeführern nicht bestritten.

3. a) Bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der den Bescheid tragenden Rechtsgrundlagen könnten die Beschwerdeführer in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums nur verletzt sein, wenn die Behörde das Gesetz in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre (vgl. zB VfSlg. 8266/1978). Von einem derartigen Fehlverhalten der Behörde kann jedoch keine Rede sein.

Die Beschwerdeführer gehen davon aus, daß die von der Behörde angewendeten Bestimmungen des ALG den Inhalt hätten, "daß nur jenen Anliegern ein Kostenbeitrag vorgeschrieben werden kann, für die noch keine Anschlußmöglichkeit besteht und ein Anschluß auch tatsächlich möglich ist". Es ist den Beschwerdeführern zwar zuzugestehen, daß eine Entsorgung der in Rede stehenden Liegenschaft durch den in der R.Straße zur Errichtung gelangten Hauptkanal nur erschwert möglich ist; von einer technischen oder wirtschaftlichen Unmöglichkeit eines Anschlusses kann jedoch, wie sich aus dem Verwaltungsverfahren, insbesondere auch aus dem im Verfahren von der Behörde eingeholten Gutachten des Sachverständigen Arch.Prof. Dipl.Ing. Dr. H.R. schlüssig ergibt, nicht die Rede sein. Bei dieser Sachlage konnte die Behörde daher denkmöglicherweise den Beschwerdeführern als den Eigentümern der am Hauptkanal liegenden bebauten Grundstücke einen Kostenbeitrag zur Errichtung des Hauptkanals, gestützt auf §11 Abs1 ALG, der die Beitragsleistungspflicht unabhängig davon statuiert, ob die Grundstücke an die Hauptkanäle angeschlossen sind oder nicht, vorschreiben.

b) Eine Verletzung des Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (zB VfSlg. 8823/1980) bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen nur vorliegen, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei der Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.

Die Beschwerdeführer führen aus, daß der Gesetzgeber des ALG eine Kostenbeitragspflicht nur für jene Anlieger normiert habe, denen die Stadtgemeinde Sbg. eine Anschlußmöglichkeit gebe. Der Gesetzgeber bringe damit klar zum Ausdruck, daß einer begehrten Leistung eine angemessene Gegenleistung entgegenzustehen habe. Man könnte dieses Beschwerdevorbringen dahin gehend verstehen, daß die Beschwerdeführer der Behörde vorwerfen, dem Gesetz einen Inhalt zu unterstellen, der, hätte ihn das Gesetz, dieses verfassungswidrig machen würde, weil er das Prinzip verletze, daß eine Leistung nur bei einer angemessenen Gegenleistung begehrt werden dürfe. Daß der von der belangten Behörde dem Gesetz beigemessene Inhalt aber keine Verfassungswidrigkeit des Gesetzes in dieser Hinsicht bewirkt, ergibt sich schon aus dem bereits zitierten Erk. des VfGH VfSlg. 6333/1970.

Soweit die Beschwerdeführer die Unterstellung eines gleichheitswidrigen Inhaltes bei der Gesetzesanwendung darin erblicken, daß ihnen die Behörde einen Kanalbeitrag vorgeschrieben habe, obwohl ihre Vorgänger als Liegenschaftseigentümer schon einen Beitrag für die derzeitige Entsorgung der Liegenschaft bezahlt hatten, ist ihnen folgendes entgegenzuhalten: Die Gemeindebehörden sind dieser Frage im Verwaltungsverfahren wohl nachgegangen; im Bescheid der Bauberufungskommission der Landeshauptstadt Sbg. vom 26. September 1978 ist dargelegt, daß eine solche Zahlung nicht erfolgt ist und die Tatsache einer solchen Zahlung von den Beschwerdeführern auch nicht behauptet worden war. Erst im Vorstellungsverfahren und in diesem verfassungsgerichtlichen Verfahren wurde diese Feststellung der Behörde bestritten, doch haben die Beschwerdeführer einen Beweis für ihre Behauptung weder angeboten noch erbracht. Selbst wenn gegen eine derartige Interpretation des Gesetzes unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitsgrundsatzes Bedenken bestünden, würde das daher auf den vorliegenden Fall nicht durchschlagen.

Die Beschwerdeführer werfen der Behörde vor, daß sie den Sachverhalt nicht sorgfältig ermittelt habe. Dies ist als Vorwurf der Willkür zu werten, da nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH das Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt oder das Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt sowie ein leichtfertiges Abgehen vom Inhalt der Akten oder das Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes überhaupt als Willkür zu qualifizieren ist (vgl. VfSlg. 7328/1974). Ein solcher Fall liegt jedoch hier nicht vor. Die belangte Behörde hat den Sachverhalt hinsichtlich der Tatbestandsmerkmale des §11 ALG jedenfalls so weit ermittelt, daß nicht davon gesprochen werden kann, sie hätte einen derartigen in die Verfassungssphäre reichenden Fehler begangen.

4. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.

Das Verfahren hat nicht ergeben, daß die Beschwerdeführer in von ihnen nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt worden sind. Die festgestellte verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen schließt es auch aus, daß die Beschwerdeführer wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt wurden.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

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