VfGH B562/78

VfGHB562/7813.10.1980

Gebührengesetz 1957, keine denkunmögliche Anwendung des §33 TP16 Abs1

Normen

StGG Art5
GebührenG 1957 §33 TP16 Abs1 Z1 litb
HGB §335
KapitalverkehrsteuerG §2 Z1
StGG Art5
GebührenG 1957 §33 TP16 Abs1 Z1 litb
HGB §335
KapitalverkehrsteuerG §2 Z1

 

Spruch:

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I.1. Der Beschwerdeführer schloß am 4. März 1977 mit der Firma Rechenzentrum West für Industrie und Volksbanken GmbH einen "Vertrag über die Errichtung einer unechten stillen Gesellschaft" ab. Nach dem Wortlaut des Vertrages beteiligte sich der Beschwerdeführer "als atypischer stiller Gesellschafter gegen Anteil am Gewinn und Verlust mit einer bar zu leistenden Einlage von S 600.000,- an der Firma Rechenzentrum West für Industrie und Volksbanken Ges.m.b.H.Sch.". Das Gesellschaftsverhältnis begann am 1. Jänner 1977 und wurde auf die Dauer von 10 Jahren unkündbar abgeschlossen. In §4 des Vertrages wird normiert, daß der stille Gesellschafter (atypische stille Gesellschafter) am Gesellschaftsvermögen, somit auch an den stillen Reserven des Unternehmens und am Firmenwert (Betriebsbestehenswert) aliquot seiner Einlage beteiligt sei. Aliquot seiner Einlage bedeute, daß alle Einlagen der stillen Gesellschafter und das eingezahlte Stammkapital gleich hundert zu setzen seien und sich aus dem Vergleich dieser Beteiligungsziffern das Beteiligungsverhältnis des stillen Gesellschafters ergebe. §9 des Vertrages bestimmt, daß der stille Gesellschafter berechtigt sei, an der Generalversammlung der Rechenzentrum West GmbH teilzunehmen und das gleiche Stimmrecht wie die Gesellschafter der GmbH genieße. Im Falle der Auflösung des Beteiligungsverhältnisses steht gemäß §13 des Vertrages dem ausscheidenden stillen Gesellschafter oder dessen Erben der aliquote Anteil am Gesellschaftsvermögen einschließlich der stillen Reserven und des seit Bestehen erarbeiteten Firmenwertes zu. Soweit der Vertrag keine Regelungen enthält, gelten gemäß §15 die gesetzlichen Bestimmungen des Handelsgesetzbuches über die stille Gesellschaft.

Das Finanzamt unterwarf diesen Vertrag der Rechtsgeschäftsgebühr für Gesellschaftsverträge gemäß §33 TP16 Abs1 Z1 litb GebG. Mit Bescheid der Finanzlandesdirektion für Sbg. wurde die gegen den Gebührenbescheid erhobene Berufung als unbegründet abgewiesen. Nach §335 HGB sei die stille Gesellschaft eine Gesellschaft, bei der der stille Gesellschafter sich an dem Handelsgewerbe eines anderen in einer Weise beteilige, daß er in das Vermögen des Geschäftsinhabers eine Vermögenseinlage leiste und dafür am Gewinn des Geschäftsbetriebes teilnehme. Die Vermögenseinlage müsse in das Vermögen des Geschäftsinhabers übergehen; der stille Gesellschafter dürfe am Geschäftsvermögen nicht beteiligt sein. Da dies im vorliegenden Fall nicht zutreffe, liege eine stille Gesellschaft nicht vor.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentumes gerügt wird. Es liege eine Beteiligung als stiller Gesellschafter an einer Kapitalgesellschaft vor, die gemäß §2 Z1 KapitalverkehrsteuerG der Gesellschaftssteuer unterliege, während für die Vorschreibung einer Rechtsgebühr keine gesetzliche Grundlage bestehe. Für den Fall der Abweisung der Beschwerde wird die Abtretung an den VwGH beantragt.

Die belangte Behörde hat in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. Das Recht auf Unversehrtheit des Eigentums wird nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH durch einen in das Eigentum eingreifenden Bescheid einer Verwaltungsbehörde - und daher auch durch die Vorschreibung einer Abgabe - nur dann verletzt, wenn dieser gesetzlos ergangen ist, wenn er sich auf eine verfassungswidrige Rechtsgrundlage stützt, oder wenn die Rechtsvorschrift denkunmöglich angewendet wurde.

Der angefochtene Bescheid stützt sich auf §33 TP16 Abs1 Z1 litb GebG.

Diese Bestimmung lautet:

TP16 Gesellschaftsverträge

(1) Gesellschaftsverträge, ausgenommen solche über Kapitalgesellschaften iS des Kapitalverkehrssteuergesetzes, wodurch sich zwei oder mehrere Personen zur Verfolgung eines Erwerbszweckes verbinden,

1. a) ...

b) bei Widmung von Vermögenswerten vom Werte der bedungenen Vermögenseinlage oder ihrer Erhöhung ... 2 v. H.,

mindestens jedoch 500 S,

...

Der Bescheid ist somit nicht gesetzlos ergangen. Auch wurden Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der angewendeten Gesetzesbestimmungen weder vorgetragen, noch sind solche beim VfGH unter dem Gesichtspunkt dieses Beschwerdefalles entstanden. Der Beschwerdeführer könnte daher im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums nur durch eine denkunmögliche Gesetzesanwendung verletzt worden sein. Einen solchen Fehler wirft der Beschwerdeführer der belangten Behörde aber zu Unrecht vor:

Der angefochtene Bescheid geht davon aus, daß der gegenständliche Vertrag als Gesellschaftsvertrag iS des §33 TP16 Abs1 Z1 litb GebG anzusehen sei. Die Vertragsteile hätten sich unter Widmung von Vermögenswerten zur Verfolgung eines Erwerbszweckes verbunden. Nach Ansicht der belangten Behörde handle es sich bei dem gegenständlichen Vertragsverhältnis nicht um eine stille Gesellschaft iS der §§335 ff. HGB, sondern um eine Vereinigung zum Zwecke des gemeinsamen Erwerbes. Solche Verträge unterlägen nach §33 TP16 Abs1 Z1 litb GebG der Gebühr von dem der Gesellschaft von allen Gesellschaftern gewidmeten Vermögen, während die Beteiligung als stiller Gesellschafter am Handelsgewerbe einer Kapitalgesellschaft der Gesellschaftssteuer unterliege und keine Gebührenpflicht begründe.

Nach der vorliegenden Vereinbarung ist der "stille Gesellschafter" am gesamten Gesellschaftsvermögen, somit auch an den stillen Reserven des Unternehmens und am Firmenwert im Verhältnis der Einlagen beteiligt. Ebenso ist er mit seiner Einlage am Gewinn und Verlust des gesamtem Handelsgewerbes beteiligt. Im Falle der Auflösung des Beteiligungsverhältnisses steht dem ausscheidenden "stillen Gesellschafter" oder dessen Erben der aliquote Anteil am gesamten Gesellschaftsvermögen einschließlich der stillen Reserven und des seit Bestehen erarbeiteten Firmenwertes zu. Eine derartige Vereinbarung geht jedenfalls über den Typus der stillen Gesellschaft hinaus. Es kann der belangten Behörde keine denkunmögliche Anwendung der zitierten Bestimmung des GebG vorgeworfen werden, wenn sie bei dieser Sachlage die Einlage des Beschwerdeführers als eine Einlage nach §33 TP16 Abs1 GebG qualifiziert hat, um so weniger, als sie die Qualifikation als stille Gesellschaft in Übereinstimmung mit Äußerungen in der Literatur (Wahle in Klang, 2. Auflage, V, 545) und mit der Rechtsprechung des VwGH (VwSlg. 878 F/1954) verneint hat.

2. Die Verletzung eines sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes ist vom Beschwerdeführer weder behauptet worden, noch sonst im Verfahren hervorgekommen. Ob die Entscheidung richtig ist, wird der VwGH zu prüfen haben.

3. Die Beschwerde war daher abzuweisen.

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