OLG Wien 7Ra44/05z

OLG Wien7Ra44/05z29.3.2005

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichtes Dr.Hellwagner (Vorsitzender), den Richter des Oberlandesgerichtes Dr.Sonntag und die Richterin des Oberlandesgerichtes Dr.Stürzenbecher-Vouk (Senat gemäß § 11a Abs. 2 ASGG) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei *****, vertreten durch Ferner Hornung & Partner Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wider die beklagte Partei *****, vertreten durch Mag.Hubert Wagner, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 77.188,51 s.A., infolge des Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 22.12.2004, 22 Cga 156/04b-40, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluss abgeändert, sodass er einschließlich seines nicht bekämpften Teiles wie folgt lautet:

"1.) Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 607,01 (hierin enthalten EUR 101,17 USt.) bestimmten Kosten des Antrages auf Fällung eines Versäumungsurteiles vom 11.12.2001 binnen 14 Tagen zu bezahlen.

2.) Der Antrag der beklagten Partei auf Ersatz der Kosten im Streit vor dem Handelsgericht Wien wird als verspätet zurückgewiesen. Diese Kosten des Verfahrens werden als weitere Prozesskosten beim Urteil berücksichtigt werden."

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit EUR 133,63 (hierin enthalten EUR 22,27 USt.) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens zu bezahlen.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.

Text

Begründung

Am 9.7.2001 erhob die klagende Partei beim Handelsgericht Wien Klage gegen den Beklagten aufgrund behaupteter Machenschaften des Beklagten im Zuge von Unternehmensgründungen in Tschechien und der Slowakei auf Zahlung von S 688.693,-- (EUR 50.049,27) s.A.

Da der Beklagte dem Auftrag zur Klagebeantwortung nicht fristgerecht nachkam, beantragte die klagende Partei am 11.12.2001 die Fällung eines Versäumnisurteiles und verzeichnete Kosten für die Klage, einen Zustellantrag und den Antrag auf Fällung des Versäumungsurteiles. Das Versäumungsurteil wurde vom Handelsgericht Wien am 14.12.2001 unter antragsgemäßer Bestimmung der von der klagenden Partei verzeichneten Kosten erlassen (ON 4).

Am 6.12.2002 beantragte der Beklagte die Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung des Versäumungsurteiles (ON 5). Nach Erhebungen über den Zustellvorgang hob das Handelsgericht Wien mit Beschluss vom 30.4.2003 die Vollstreckbarkeitsbestätigung zum Versäumungsurteil auf und stellte das Versäumungsurteil dem Beklagtenvertreter zu (ON 20).

Der Beklagte erhob dagegen rechtzeitig Widerspruch und gleichzeitig die Einrede der sachlichen Unzuständigkeit des Handelsgerichtes Wien (ON 21).

In der Verhandlung vom 1.10.2003 wurde vom Handelsgericht Wien der Einwand der sachlichen Unzuständigkeit mit den Parteien erörtert und die Entscheidung darüber vorläufig vorbehalten. Das Versäumungsurteil wurde nicht aufgehoben und dies von den Parteien auch nicht releviert. Besprochen wurde der Einwand der Streitanhängigkeit, der Beklagte führte aus, in der Slowakei sei ein Verfahren anhängig. Unpräjudiziell der Entscheidung über die Einrede der Unzuständigkeit und der Streitanhängigkeit trug der Klagevertreter die Klage vor, sodann wurde die Klagsforderung eingehend erörtert. Der beklagten Partei wurde eine Frist von zwei Wochen zur Vorlage von Urkunden zu den Einwänden der Unzuständigkeit bzw. Streitanhängigkeit eingeräumt. Anschließend wurde ein Prozessprogramm in der Sache selbst erstellt und die Tagsatzung auf unbestimmte Zeit erstreckt (ON 27). Im Schriftsatz vom 7.11.2003 ON 30 führte der Beklagte in der Sache selbst aus.

Mit Beschluss vom 13.2.2004 ON 32 wies das Handelsgericht Wien die Klage wegen sachlicher Unzuständigkeit zurück. Dagegen erhob die klagende Partei Rekurs. Mit Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien vom 16.6.2004 (ON 36) wurde der angefochtene Beschluss insoweit abgeändert, dass die Rechtssache an das Erstgericht überwiesen wurde.

In der Verhandlung vom 22.12.2004 führte das Erstgericht das Verfahren zunächst gemäß § 412 ZPO durch Verlesung des gesamten bisherigen Akteninhaltes neu durch und hielt sodann fest, dass am 14.12.2001 ein Versäumungsurteil erlassen worden sei, gegen das rechtzeitig Widerspruch erhoben worden sei. Die klagende Partei begehrte, dem Beklagten die Kosten für das Versäumungsurteil vom 14.12.2001 "aufzutragen", der Klagevertreter legte betreffend den Antrag auf Fällung des Versäumungsurteiles vom 11.12.2001 auch Kostennote.

Nach Erörterung, dass hinsichtlich des Aufhebens des Versäumungsurteiles keine abgesonderte Verhandlung stattgefunden habe, hob das Erstgericht das Versäumungsurteil vom 14.12.2001 infolge des rechtzeitigen Widerspruches auf und verkündete den angefochtenen Beschluss, wonach (unter anderem) der Antrag der klagenden Partei auf Ersatz der Kosten des Versäumungsurteiles zurückgewiesen werde. Die Kosten des Verfahrens würden als weitere Prozesskosten beim Urteil berücksichtigt werden. Die Parteien beantragten Beschlussausfertigung.

Das Erstgericht begründete diesen Beschluss im wesentlichen damit, dass die klagende Partei dieses Kosten nicht rechtzeitig verzeichnet habe, sondern trotz aufrechten Versäumungsurteils vor dem Handelsgericht Wien in der Sache verhandelt habe.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs der klagenden Partei mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss dergestalt abzuändern, dass der Beklagte zum Ersatz der Kosten in Höhe von EUR 607,01 verpflichtet werde.

Der Beklagte beantragte, dem Rekurs nicht Folge zu geben. Der Rekurs ist berechtigt.

Die Rekurswerberin führt zusammengefasst aus, dass auch die Kosten des Antrages auf Fällung eines Versäumungsurteiles vom 11.12.2001 bereits durch das Versäumungsurteil des Handelsgerichtes Wien vom 14.12.2001 bestimmt gewesen seien und eine entsprechende Kostenersatzpflicht der beklagten Partei bis zur Aufhebung des Versäumungsurteiles damit bereits gegeben gewesen sei. Eine Verzeichnung der Kosten für diesen Antrag sei daher nicht angezeigt gewesen und wäre ein entsprechender Antrag auf Zuspruch der Kosten für die Fällung des Versäumungsurteiles vor Aufhebung des Versäumungsurteiles mangels rechtlichen Interesses zurückzuweisen gewesen. Dies zeige sich auch daran, dass der Widerspruch, so lange er nicht als verspätet zurückgewiesen worden sei oder das Versäumungsurteil beschlussmäßig aufgehoben worden sei, zurückgenommen werden könne.

Diesen Ausführungen ist beizupflichten.

Anzuwenden sind auf den vorliegenden Fall die Bestimmungen der §§ 396 ff ZPO idF vor der ZVN 2002 (Art. XI Abs. 2 BGBl I 76/2002). Die relevanten Bestimmungen lauten wie folgt:

§ 397a (1): Gegen ein nach § 396 gefälltes Versäumungsurteil steht dem Ausgebliebenen der mit vorbereitendem Schriftsatz zu erhebende Widerspruch zu; ...

(3) Ist der Widerspruch verspätet eingebracht, so ist er vom Prozessgericht mit Beschluss zurückzuweisen. Sonst hat das Prozessgericht ohne Abhaltung einer neuerlichen ersten Tagsatzung nach § 244 vorzugehen; der Widerspruch des Beklagten ist hiebei als rechtzeitig überreichte Klagebeantwortung zu behandeln. Zu Beginn der Streitverhandlung ist das Versäumungsurteil mit Beschluss aufzuheben, auch wenn die dafür anberaumte Tagsatzung nach § 170 nicht durchgeführt wird; der Zustellung einer schriftlichen Ausfertigung dieses Beschlusses bedarf es nicht, ein Rechtsmittel ist gegen ihn nicht zulässig.

(4) Derjenigen Partei, die den Widerspruch erhoben hat, ist der Ersatz aller Kosten aufzuerlegen, die durch ihre Versäumung und die Verhandlung über den Widerspruch verursacht worden sind.

(5) Der Widerspruch kann längstens bis zum Ergehen eines der im Abs. 3 genannten Beschlüsse zurückgenommen werden; ...

§ 398 (1): Wurde vom Beklagten die Klagebeantwortung nicht rechtzeitig überreicht, so kann der Kläger die Erlassung des Versäumungsurteiles in der Hauptsache (§ 396) beantragen. Der Vorsitzende des Senates hat darüber als Einzelrichter binnen acht Tagen ohne Anberaumung einer Verhandlung zu erkennen. Der § 397a ist sinngemäß anzuwenden, wenn der Beklagte bei der ersten Tagsatzung nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten war.

Das Versäumungsurteil besteht weiter, so lange es nicht durch einen Beschluss im Sinne des § 397a Abs. 3 ZPO aufgehoben wurde, und steht einer neuerlichen Verhandlung und Entscheidung entgegen (JBl 1983, 266). In dieser Entscheidung wurde vom OGH sogar die Auffassung vertreten, dass das trotz des noch nicht aufgehobenen Versäumungsurteiles durchgeführte Verfahren und das Streiturteil nichtig seien.

In EvBl 1986/137 wurde diese Nichtigkeitsfolge ausdrücklich abgelehnt und ausgesprochen, wenn das Versäumungsurteil vom Erstgericht versehentlich nicht aufgehoben worden sei, dann sei die Beschlussfassung im Rechtsmittelverfahren nachzuholen. Die beschlussmäßige Aufhebung des Versäumungsurteiles stelle einen bloßen Formalakt dar (letztere Ansicht wurde auch in JBl 1983, 266 vertreten).

Nach dem das Gericht den Beschluss auf Aufhebung des Versäumungsurteiles verkündet hat, ist die mündliche Streitverhandlung fortzusetzen (Deixler-Hübner in Fasching/Konecny² III § 397a ZPO Rz 11).

Der Widerspruchswerber hat dem Gegner gemäß § 397a Abs. 4 ZPO die Kosten des frustrierten Besuchs der ersten mündlichen Streitverhandlung, für den schriftlichen Antrag auf Fällung des Versäumungsurteiles sowie die Kosten einer allenfalls entrichteten Pauschalgebühr zu ersetzen (vgl. Deixler-Hübner, aaO, Rz 12 zu § 397a ZPO).

Die Auferlegung eines Kostenersatzes nach § 397a Abs. 4 ZPO setzt einen Antrag des Klägers auf Kostenzuspruch voraus. Wurde nach Aufhebung des Versäumungsurteiles in der Sache selbst verhandelt und hat der Kläger das Kostenverzeichnis erst am Ende dieser Verhandlung in der Sache selbst vorgelegt, führt dies gemäß § 54 Abs. 1 ZPO zum Verlust des Kostenersatzanspruches (WR 320).

Das Versäumungsurteil ist eine in § 52 Abs. 1 erster Satz ZPO angeführte Entscheidung. Der Beschluss hingegen, mit dem das Versäumungsurteil infolge des Widerspruches aufgehoben wurde, ist eine der in § 52 Abs. 1 zweiter Satz genannten Entscheidungen, sodass die Verzeichnung von Kosten für den Antrag auf Fällung des Versäumungsurteiles nicht etwa als vorzeitige Verzeichnung für die Entscheidung über den Widerspruch angesehen werden kann (OLG Innsbruck, 1 R 81/02z = RIS-Justiz EI 00106).

Es ist zweckmäßig, über die vom Ausgang des Verfahrens unabhängige Kostenersatzpflicht des Widersprechenden gemäß § 397a Abs. 4 ZPO erst am Ende der Tagsatzung zu entscheiden, in der sowohl über den Widerspruch als auch zur Hauptsache verhandelt wird, und im Protokoll auch den Zeitpunkt des Eingehens in die Hauptsache festzuhalten (ÖBl 1981, 84).

Zusammenfassend ergibt sich aus dieser dargestellten Rechtsprechung, dass eine Verzeichnung der Kosten des Antrages auf Erlassung des Versäumungsurteiles erst nach Aufhebung des Versäumungsurteiles erfolgen kann - worauf die Rekurswerberin im Hinblick auf § 397a Abs. 5 ZPO zutreffend verweist -, aber vor Eingehen in die Hauptsache nach Aufhebung des Versäumungsurteiles erfolgen muss.

Diesen Voraussetzungen hat die klagende Partei jedoch entsprochen, in dem sie in der Verhandlung vom 22.12.2004 (ON 39) vor dem Erstgericht noch vor Verkündung des Beschlusses auf Aufhebung des Versäumungsurteiles diesbezüglich Kostennote gelegt hat. Dass das Handelsgericht Wien vor der Aufhebung des Versäumungsurteiles rechtswidrigerweise bereits auch in der Sache selbst verhandelt hat, kann an dieser Beurteilung nichts ändern, weil zu diesem Zeitpunkt das Versäumungsurteil vom 14.12.2001 samt Kostenzuspruch an die klagende Partei nicht beseitigt war. Dem Rekurs war daher Folge zu geben und dem Beklagten der Ersatz der Kosten des Antrages auf Erlassung des Versäumungsurteiles aufzuerlegen.

Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens beruht auf den §§ 2 ASGG, 41 und 50 ZPO sowie 11 RATG, wobei zu berücksichtigen war, dass Kostenrekurse nur nach TP 3A des RATG zu honorieren sind. Der Ausspruch über die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses beruht auf den §§ 2 ASGG, 528 Abs. 2 Z 3 ZPO.

Oberlandesgericht Wien

1016 Wien, Schmerlingplatz 11

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