OGH 1Ob114/25h

OGH1Ob114/25h11.11.2025

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Dr. Wurdinger als Vorsitzenden sowie die Hofrätin und die Hofräte Dr. Steger, Mag. Wessely‑Kristöfel, Dr. Parzmayr und Dr. Vollmaier als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei * R*, vertreten durch die Schoeller Pilz Rechtsanwälte GmbH in Graz, gegen die beklagten Parteien 1. H* GmbH & Co KG, *, und 2. H* GmbH, *, beide vertreten durch Mag. Maximilian Kralik, LL.M., Rechtsanwalt in Wien, wegen 78.646,22 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Endurteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 26. Mai 2025, GZ 4 R 187/24k‑78, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0010OB00114.25H.1111.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Zivilverfahrensrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Das Österreichische Patentamt (ÖPA) registrierte am 16. 3. 2010 die vom Kläger angemeldete Wortbildmarke „A*“. Die vom Kläger mit einer Einschätzung der Marke beauftragten beklagten Rechtsanwaltsgesellschaften gaben mit Schreiben vom 14. 6. 2010 bekannt, aus dem übermittelten Ähnlichkeitsprotokoll des ÖPA keine Marken erkennen zu können, die der bereits registrierten gefährlich werden könnten (keine verwechselbare Ähnlichkeit).

[2] Am 18. 6. 2014 forderte der Ö* als Inhaber der Wortmarke „S*“ den Kläger zur Löschung der Marke auf. Da der Geschäftsführer der Zweitbeklagten daraufhin erklärte, den Kläger aufgrund einer Kollision nicht weiter vertreten zu können, beauftragte dieser den Geschäftsführer der nunmehrigen Klagevertreterin mit seiner rechtsfreundlichen Vertretung in dieser Angelegenheit.

[3] Mit der dem Kläger am 12. 9. 2017 zugestellten Entscheidung vom 18. 11. 2015 gab die Nichtigkeitsabteilung des ÖPA dem Antrag auf Löschung der Marke statt. Die Löschung erfolgte am 11. 4. 2018.

[4] Der Kläger begehrte von den Beklagten zuletzt (nach Klagsausdehnung) den Ersatz von 78.646,22 EUR sA an infolge der Löschung frustrierten Aufwendungen insbesondere für Werbe‑ und PR-Maßnahmen, um die Marke im Geschäftsverkehr bekannt zu machen, einschließlich der Rückforderung des geleisteten Anwaltshonorars von 300 EUR.

[5] Mit dem (unangefochten in Rechtskraft erwachsenen) „Teilzwischenurteil“vom 2. 7. 2019 wies das Erstgericht einen Teil des ursprünglichen Leistungsbegehrens von 14.464 EUR sA sowie das Feststellungsbegehren ab und sprach aus, dass in Ansehung des restlichen Klagebegehrens (von 73.998,66 EUR) der Anspruch dem Grunde nach zu Recht besteht. Die Einschätzung der Beklagten sei nicht lege artis gewesen und begründe daher einen Schadenersatzanspruch des Klägers.

[6] Mit Endurteil sprach das Erstgericht dem Kläger 15.231,15 EUR sA zu und wies das darüber hinausgehende Begehren (von 63.415,07 EUR sA) ab. Aufwendungen nach September 2014 (Anwaltswechsel) seien nicht (mehr) durch die (fehlerhafte) Einschätzung der Beklagten nutzlos geworden.

[7] Das Berufungsgericht wies das verbliebene Klagebegehren – mit Ausnahme eines rechtskräftigen Zuspruchs von 300 EUR sA für das Anwaltshonorar – zur Gänze ab.

[8] Die Beklagten hätten auch jene Kosten nicht zu ersetzen, welche dem Zeitraum vor der Übernahme der Rechtsvertretung durch den Geschäftsführer der nunmehrigen Klagevertreterin entstammten. Unter Berücksichtigung der festgestellten „Vergessenswirkung“ hätten sämtliche vor dem Anwaltswechsel gesetzten Werbe‑ und PR-Maßnahmen bereits vollständig ihre Wirkung entfaltet, bevor der Kläger die Marke nicht mehr habe verwenden können, zumal die letzte derartige Investition nach den Feststellungen am 5. 9. 2014 getätigt worden sei und sohin zum Zeitpunkt der Zustellung der Entscheidung des ÖPA am 12. 9. 2017 bereits mehr als drei Jahre vergangen gewesen seien. Der Kläger habe angesichts der noch mehr als drei Jahre andauernden Verwendung der Marke daher den vollständigen Nutzen aus seinen Aufwendungen gezogen und seine Investitionen seien durch die Löschung der Marke nicht nutzlos geworden.

Rechtliche Beurteilung

[9] Die außerordentliche Revision des Klägers ist mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

[10] 1. Der Oberste Gerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Rechtsansicht, dass bei einem Zwischenurteil über den Grund des Anspruchs eine Partei nicht nur durch den Urteilsspruch, sondern auch durch die Urteilsgründe beschwert sein kann (RS0040958). Dieser Rechtsprechung liegt die Erwägung zugrunde, dass der Spruch des Zwischenurteils erst durch die Begründung seine einschränkende Konkretisierung erfahren kann (7 Ob 23/89; 3 Ob 146/99p Pkt Aa); 1 Ob 9/05p Pkt I.2.; RS0040958 [T7]). Da das Zwischenurteil über den Grund des Anspruchs innerhalb des Rechtsstreits insoweit Bindungswirkung entfaltet, als die Frage des Anspruchsgrundes nicht neuerlich aufgerollt werden darf (RS0040736; RS0040864), kommt auch der Einschränkung des geltend gemachten Anspruchs für das fortgesetzte Verfahren über die Anspruchshöhe bindende Wirkung zu (7 Ob 23/89). Für dieses kann es daher von Bedeutung sein, ob etwa nur einer von mehreren geltend gemachten Rechtsgründen dem Grunde nach bejaht worden ist (7 Ob 184/13d; 2 Ob 91/10m Pkt 2., jeweils mwN).

[11] Hier liegt ein solcher Fall der einschränkenden Konkretisierung des Urteilsspruchs durch die Gründe vor, hat doch das Erstgericht im Zwischenurteil festgehalten, dass spätestens ab der [Übernahme der] Rechtsvertretung durch den Geschäftsführer der nunmehrigen Klagevertreterin [ab Oktober 2014] die Einschätzung der Beklagten nicht mehr ursächlich für die Handlungen und/oder Unterlassungen des Klägers war. Da der Kläger kein Rechtsmittel gegen das Zwischenurteil erhoben hat, wurde damit bindend entschieden, dass nach dem September 2014 entstandene Aufwendungen des Klägers mangels Kausalzusammenhangs zwischen dem schädigenden Ereignis und dem Schaden (vgl RS0102003 [T6]; RS0040990 [T3]) dem Grunde nach nicht zu Recht bestehen.

[12] Soweit der Kläger sich im Revisionsverfahren über das Endurteil gegen diese Beurteilung wendet, missachtet er die Präklusionswirkung des Zwischenurteils (RS0040864).

[13] Auf die Hilfsbegründung des Berufungsgerichts, sein Anspruch in Bezug auf jene Investitionen, die er ab der Übernahme seines neuen Rechtsvertreters getätigt habe, würde auch am Rechtswidrigkeitszusammenhang scheitern, kommt es daher nicht an.

[14] 2. Die Ausführungen des Klägers zur Verjährung laufen ins Leere, weil das Berufungsgericht nicht von einer Verjährung seiner Ansprüche ausgegangen ist.

[15] 3. Damit verbleibt der Einwand des Klägers, das Berufungsgericht habe zu Unrecht angenommen, dass ihm auch der Ersatz der bis zum 5. 9. 2014 getätigten Aufwendungen nicht zustünde, weil er daraus bis zur Löschung der Marke den vollständigen Nutzen gezogen habe.

[16] Entgegen seiner Meinung führt das Berufungsgericht sehr wohl aus, unter „Vergessenswirkung“ sei zu verstehen, dass das angesprochene Publikum den Aufwand, der für den Aufbau der Marke getätigt worden sei, nach Ablauf einer bestimmten Zeitspanne „vergessen“ habe, also dass die Wirkungen der Marke und die damit verbundenen Investitionen im Laufe der Zeit verblassen würden, wobei es darauf hinweist, dass sowohl der Kläger als auch die Beklagten dieses Begriffsverständnis teilten. Damit setzt sich der Kläger nicht auseinander. Vielmehr kritisiert er – in dritter Instanz unzulässigerweise (vgl RS0113643 [T1]) – nur das den erstinstanzlichen Feststellungen zur„Vergessenswirkung“ zugrunde gelegte Sachverständigengutachten als fehlerhaft. Einen Verstoß des Sachverständigen gegen zwingende Denkgesetze vermag er allerdings nicht darzulegen (vgl RS0043404). Seine Behauptung, eine „Vergessenswirkung“ trete nur ein, wenn die Verwendung der Marke eingestellt werde, verkennt, dass der von den Vorinstanzen angenommenen „Vergessenswirkung“ der Gedanke zugrunde liegt, dass eine Marke – solange sie verwendet wird – eben kontinuierlich beworben werden muss, um im Bewusstsein des angesprochenen Publikums zu bleiben.

[17] Soweit der Kläger in der Feststellung der Dauer der „Vergessenswirkung“ mit drei Jahren das vermeintlich unrichtige Ergebnis der Anwendung des § 273 ZPO erblickt, wendet er sich gegen die erstinstanzliche Beweiswürdigung, was in dritter Instanz unzulässig ist (etwa RS0042903 [T2, T4, T7, T8]).

[18] „Wiederbeschaffungskosten“ werden im Rechtsmittel weder beziffert noch näher dargelegt, sodass darauf nicht weiter einzugehen ist.

[19] 4. Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens (Verstoß gegen § 182a ZPO) liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

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