OGH 5Ob148/25p

OGH5Ob148/25p30.10.2025

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Mag. Wurzer als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Painsi, Dr. Weixelbraun‑Mohr, Dr. Steger und Dr. Pfurtscheller als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache des Antragstellers T*, vertreten durch die Laback Rechtsanwalts GmbH in Wien, gegen die Antragsgegner 1. M*, vertreten durch die Leissner Kovaricek Rechtsanwälte OG in Wien, und 2. B*, vertreten durch Dr. Magdalena Frech, LL.M., Rechtsanwältin in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 1 iVm § 2 Abs 3 MRG, § 37 Abs 1 Z 8a iVm § 15 Abs 4 MRG, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Teilsachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 30. Juli 2025, GZ 39 R 84/25d‑25, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0050OB00148.25P.1030.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 37 Abs 3 Z 16 MRG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Zweitantragsgegnerin ist seit 1988 unbefristet Hauptmieterin der Wohnung Top 17 in einem Haus in W*. Der Antragsteller ist seit 1. 10. 1998 Untermieter dieser Wohnung. Der Erstantragsgegner ist seit Mai 2012 Eigentümer der Liegenschaft.

[2] Die Zweitantragsgegnerin ließ die Wohnung im Zeitraum von 1988 bis 1989 umfassend sanieren (unter anderem Erneuerung sämtlicher Fenster, Einbau einer Gasetagenheizung, Neuverlegung der elektrischen Leitungen und Neuerrichtung des Badezimmers und des WC). Von 1989 bis 1991 wohnte sie mit ihrer Familie in der Wohnung. 1994 vereinbarte sie mit den damaligen Hauseigentümern, das waren seit 1989 ihre Mutter und deren Ehemann, dass – anstelle einer Ablöse für die von ihr getätigten Investitionen für die Sanierung der Wohnung – der Hauptmietzins reduziert werde und ihr die gänzliche Untervermietung der Wohnung gestattet werde, damit sie die von ihr getätigten Investitionen „hereinbekomme“. Mit Mietvertrag vom 8. 9. 1998 vermietete die Zweitantragsgegnerin die Wohnung an den Antragsteller um einen Pauschalmietzins.

[3] Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens sind die Anträge des Antragstellers auf Anerkennung als Hauptmieter der Wohnung nach § 2 Abs 3 MRG und Aufspaltung des Pauschalmietzinses nach § 15 Abs 4 MRG.

[4] Das Erstgericht wies die Anträge ab.

[5] Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Antragstellers nicht Folge, bewertete den Entscheidungsgegenstand mit jeweils 10.000 EUR übersteigend und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

[6] Der dagegen gerichtete außerordentliche Revisionsrekurs des Antragstellers zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf.

I. Zum Antrag auf Anerkennung als Hauptmieter

[7] 1. Besteht bei Überlegung aller Umstände kein vernünftiger Grund daran zu zweifeln, dass ein Hauptmietvertrag nur zur Untervermietung durch den Hauptmieter und zur Umgehung der einem Hauptmieter nach dem Mietrechtsgesetz zustehenden Rechte geschlossen wurde, so kann der Mieter, mit dem der Untermietvertrag geschlossen wurde, begehren, als Hauptmieter des Mietgegenstands mit den sich aus dem Mietrechtsgesetz ergebenden Rechten und Pflichten anerkannt zu werden. Liegen konkrete Anhaltspunkte für eine solche Umgehungshandlung vor, so obliegt es dem Antragsgegner, das Fehlen der Umgehungsabsicht zu beweisen (§ 2 Abs 3 MRG).

[8] 1.1. Materiell-rechtliche Voraussetzung für die Anerkennung als Hauptmieter nach § 2 Abs 3 MRG ist das Vorliegen eines Umgehungsgeschäfts (RS0069660; RS0069854). Die Umgehungsabsicht muss bei beiden Parteien des formellen Hauptmietvertrags gegeben sein, wobei es genügt, wenn sie die Umgehung wenigstens in Kauf nahmen (RS0069660 [T3]).

[9] 1.2. Die Anwendung des § 2 Abs 3 MRG ist ausgeschlossen, wenn der Hauptmietvertrag nicht nur (ausschließlich) zu dem verpönten Umgehungsziel des § 2 Abs 3 MRG geschlossen wurde, sondern einen anderen Vertragszweck hatte (vgl RS0069820 [T4]).

[10] Ein solcher Sonderfall ist etwa die von der Rechtsprechung als zulässig angesehene „echte Sanierungshauptmiete“, bei der der Hauptmieter eine Wohnung im Standard anzuheben hat, dafür aber seine Investitionen durch die gestattete Untervermietung amortisieren darf. Für die Beurteilung einer dabei vorliegenden (oder eben fehlenden) Umgehungsabsicht sind vor allem wirtschaftliche Gesichtspunkte maßgebend (5 Ob 231/22i; 5 Ob 61/25v).

[11] 1.3. Nach ständiger Rechtsprechung hat grundsätzlich der Antragsteller das Vorliegen der Voraussetzungen für die Anerkennung als Hauptmieter zu beweisen, die Gegner müssen – wenn er dieser Beweispflicht im zumutbaren Ausmaß nachgekommen ist – die allein in ihrer Sphäre liegenden Umstände dartun und offenlegen, die den erbrachten Nachweis entkräften (RS0069728).

[12] Ob dieser Beweis dem Eigentümer oder Hauptmieter gelungen ist, ist aufgrund der Umstände des Einzelfalls zu beurteilen und wirft daher im Regelfall keine erhebliche Rechtsfrage auf (RS0069728 [T2]). Dies gilt gleichermaßen für die ebenso von den konkreten Umständen des Einzelfalls abhängige Beurteilung des Vorliegens einer „Sanierungshauptmiete“ und einer in diesem Fall gegebenen oder fehlenden Umgehungsabsicht.

[13] 2. Die Auffassung des Rekursgerichts, die im Jahr 1994 zwischen den damaligen Hauseigentümern und der Zweitantragsgegnerin geschlossene Vereinbarung, statt Zahlung einer Ablöse für die von der Zweitantragsgegnerin getätigten Investitionen in die Wohnung, den Hauptmietzins zu verringern und der Antragsgegnerin ein Untermietrecht einzuräumen, hätte nicht (nur) zur Umgehung der einem Hauptmieter nach dem MRG zustehenden Rechte gedient, ist im hier vorliegenden Einzelfall nicht zu beanstanden:

[14] 2.1. Das Gesetz nennt beispielhaft als konkreten Anhaltspunkt für eine Umgehungshandlung unter anderem die gänzliche Untervermietung von mehr als einer Wohnung durch denselben Hauptmieter im selben Gebäude (§ 2 Abs 3 MRG).

[15] Wenn der Antragsteller in diesem Zusammenhang auf eine Untervermietung der im Haus befindlichen Wohnung Top 8 durch die Zweitantragsgegnerin an deren (früheren) Ehemann abstellt, übersieht er, dass der (frühere) Ehemann den von der Zweitantragsgegnerin aufgrund ihres Mietvertrags für die Wohnung Top 8 geschuldeten Hauptmietzins an die Zweitantragsgegnerin bezahlte, den diese ohne Gewinn oder Verlust an die Hausverwaltung weiterleitete. Ein Indiz für eine Umgehungsabsicht lässt sich aus der bloßen Nutzung der Wohnung Top 8 durch den Ehemann (auch nach der Scheidung) daher nicht ableiten.

[16] 2.2. Die Umgehungsabsicht muss nicht schon zum Zeitpunkt des Abschlusses des Hauptmietvertrags, sondern spätestens zum Zeitpunkt des Abschlusses des Untermietvertrags vorliegen. Den Antragsgegnern wäre es daher anzulasten, wenn die Zweitantragsgegnerin den – 1988 zur Befriedigung ihres eigenen Wohnbedürfnisses und des Wohnbedürfnisses ihrer Familie ohne Umgehungsabsicht – abgeschlossen Hauptmietvertrag im Jahr 1994 nur zum Zweck der Untervermietung zum Schein aufrechterhalten hätte.

[17] 2.3. Die Vereinbarung aus 1994 zwischen den damaligen Hauseigentümern und der Zweitantragsgegnerin verfolgte den Zweck, der Zweitantragsgegnerin – anstelle der Zahlung einer Ablöse – durch die Minderung des Hauptmietzinses und Gestattung der Untervermietung der Wohnung Top 17 die Amortisation ihrer Investitionen zu ermöglichen.

[18] 2.3.1. Im Fall einer echten Sanierungshauptmiete wären Indizien für ein Umgehungsgeschäft etwa der Rückfluss des vom Hauptmieter eingehobenen Untermietzinses an den Hauseigentümer derart, dass dieser im Ergebnis mehr als den Kategoriemietzins erhält, das Fehlen von Investitionen des Hauptmieters, die Speisung solcher Investitionen aus dem Vermögen des Hauseigentümers, der das erforderliche Kapital – wenn auch über Umwege – dem Hauptmieter zur Verfügung stellt, die Beherrschung des Hauptmieters durch den Eigentümer oder das Erreichen desselben Zwecks durch Einschaltung von Familienmitgliedern oder sonstigen Strohmännern (vgl RS0069851).

[19] 2.3.2. Dass derartige Indizien vorliegen würden, hat der Antragsteller im Verfahren erster Instanz nicht behauptet. Eine Umgehungsabsicht hat er auch nicht daraus abgeleitet, dass die Zweitantragsgegnerin durch die Untervermietung mehr als die tatsächlich getätigten Investitionen amortisiert hätte. Inwiefern der zwischen dem Antragsteller und der Zweitantragsgegnerin vereinbarte Untermietzins den sonst zulässigen Mietzins übersteigen soll, hat der Antragsteller nicht konkret dargelegt. Die in diesem Zusammenhang behaupteten sekundären Feststellungsmängel liegen schon deshalb nicht vor.

[20] 2.3.3. Auch allein aus dem familiären Verhältnis zwischen der Zweitantragsgegnerin und ihrer Mutter als – zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung 1994 – Hälftehauseigentümerin lässt sich hier kein Indiz für das Vorliegen einer Umgehungsabsicht ableiten, bestand doch nach den insoweit unbekämpften Feststellungen betreffend die Wohnung zwischen den beiden eher ein Geschäfts- als ein familiäres Verhältnis.

[21] 2.3.4. Ob die von der Zweitantragsgegnerin durchgeführten Sanierungsarbeiten zu einer Anhebung der konkreten Ausstattungskategorie von D oder C auf A geführt haben, ist nicht erheblich, weil auch die „bloße“ Standardanhebung ohne die konkrete Ausstattungskategorie zu verbessern für das Vorliegen einer echten Sanierungshauptmiete ausreicht (vgl 5 Ob 231/22i).

[22] 2.4. Wenn die Vorinstanzen daher das Vorliegen eines Umgehungsgeschäfts nach § 2 Abs 3 MRG verneint haben, so ist dies weder eine Abweichung von höchstgerichtlicher Rechtsprechung noch eine im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung.

II. Zum Antrag auf Aufspaltung des Pauschaluntermietzinses

[23] 1. § 15 MRG, der ausdrücklich den „Mietzins für Hauptmiete“ regelt, sieht in seinem Abs 4 vor, dass im Vollanwendungsbereich des MRG der Vermieter oder der Hauptmieter beantragen können, dass anstelle eines Pauschalmietzinses ein aufgegliederter Mietzins zu entrichten ist. Durch diese Bestimmung wird den Parteien eines Hauptmietvertrags die Möglichkeit eröffnet, durch rechtsgestaltende Entscheidung den vereinbarten Pauschalmietzins für die Zukunft in einen dem § 15 Abs 1 MRG entsprechenden Mietzins aufzuspalten (vgl RS0111293; 3 Ob 218/09v). § 15 MRG regelt ausschließlich das Entgelt für die Überlassung eines Mietobjekts an einen Hauptmieter, hingegen ist das Entgelt für die Überlassung einer Wohnung an einen Untermieter in § 26 MRG mit der Überschrift „Untermietzins“ geregelt. § 26 MRG enthält weder eine Regelung über die Aufgliederung des Untermietzinses noch eine Verweisung auf die Anwendbarkeit des § 15 Abs 4 MRG.

[24] 2. Jede Analogie setzt eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes, mit anderen Worten eine nicht gewollte Lücke voraus (RS0098756 [T1]). Eine solche ist nur anzunehmen, wenn Wertungen und Zweck der Regelung die Annahme rechtfertigen, der Gesetzgeber hätte einen nach denselben Maßstäben regelungsbedürftigen Sachverhalt übersehen (RS0008866 [T10, T27]). Eine Analogie ist jedenfalls dann unzulässig, wenn Gesetzeswortlaut und klare gesetzgeberische Absicht in die Gegenrichtung weisen (RS0106092 [T2]).

[25] 2.1. Der vom Antragsteller geforderten analogen Anwendung des § 15 Abs 4 MRG auf den Untermietzins steht schon der eindeutige Wortlaut („Auf Antrag des Vermieters oder des Hauptmieters […]“) dieser, ausdrücklich nur den Mietzins für Hauptmietverhältnisse regelnden gesetzlichen Bestimmung entgegen. Daher hat der Fachsenat bereits wiederholt ausgesprochen, dass – weil durch eine Entscheidung nach § 15 Abs 4 MRG in vertragliche Vereinbarungen eingegriffen wird – eine extensive sowie eine analoge Anwendung dieser Bestimmung auf im Gesetz nicht geregelte Fälle ausscheidet (RS0111293; 5 Ob 285/98t; 5 Ob 198/04k; 5 Ob 218/14s). Davon abzugehen, bietet das Rechtsmittel keinen Anlass.

[26] 2.2. Daran ändert auch nichts, dass bei einem Antrag auf Überprüfung des Untermietzinses nach § 26 Abs 1 MRG ein vereinbarter Pauschalmietzins in die einzelnen Mietzinsbestandteile des § 15 Abs 1 MRG aufzugliedern ist, um die Einhaltung der Vorschriften des § 26 Abs 1 MRG überprüfen zu können. Darauf, dass es sich bei dieser Aufgliederung nicht um eine rechtsgestaltende Entscheidung nach § 15 Abs 4 MRG, sondern um die Lösung einer bloßen Vorfrage handelt, hat bereits das Rekursgericht zutreffend hingewiesen. Auch in der vom Antragsteller ins Treffen geführten Entscheidung 2 Ob 63/08s war lediglich als Vorfrage zu prüfen, ob der begehrte Mietzins gemäß § 26 Abs 1 MRG zulässig war.

[27] III. Der Revisionsrekurs ist zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).

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