OGH 1Ob111/25t

OGH1Ob111/25t30.9.2025

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Dr. Wurdinger als Vorsitzenden sowie die Hofrätin und die Hofräte Dr. Steger, Mag. Wessely‑Kristöfel, Dr. Parzmayr und Dr. Vollmaier als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. H*, emeritierter Rechtsanwalt, *, gegen die beklagte Partei Republik Österreich (Bund), vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen 70.543,76 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Endurteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 20. Juni 2025, GZ 5 R 26/25w-67, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0010OB00111.25T.0930.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Amtshaftung inkl. StEG

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Vorinstanzen wiesen mit Endurteil restliche Amtshaftungsansprüche des Klägers in der Höhe von 70.543,76 EUR sA (70.000 EUR Schmerzengeld und 543,76 EUR Ersatz für in zwei strafrechtlichen Ermittlungsverfahren aufgelaufene Barauslagen) wegen Verjährung ab.

Rechtliche Beurteilung

[2] Die außerordentliche Revision des Klägers ist mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

[3] 1. Nach § 6 Abs 1 Satz 1 AHG verjähren Ersatzansprüche nach § 1 Abs 1 leg cit in drei Jahren nach Ablauf des Tages, an dem dem Geschädigten der Schaden bekannt geworden ist. Diese Frist wird dann in Gang gesetzt, wenn dem Geschädigten neben dem Schaden der gesamte seinen Anspruch begründende Sachverhalt soweit bekannt ist, dass er eine Klage mit Aussicht auf Erfolg erheben kann (RS0034512 [T11]). Die dreijährige Verjährungsfrist beginnt nicht vor dem tatsächlichen Schadenseintritt. Mit dessen positiver Kenntnis beginnt sie aber auch schon dann zu laufen, wenn der Geschädigte die Schadenshöhe noch nicht beziffern kann, ihm noch nicht alle Schadensfolgen bekannt sind oder diese auch noch nicht zur Gänze eingetreten sind (RS0050338 [T6]; RS0034512 [T4]). Wird der Anspruch aus verschiedenen Sachverhalten (schuldhaftem Verhalten verschiedener Organe) abgeleitet, ist die Frage der Verjährung in Ansehung jeder Anspruchsgrundlage gesondert zu prüfen (RS0050355 [T2]). Wann eine ausreichende Kenntnis der maßgeblichen Umstände besteht, hängt jeweils vom Einzelfall ab (RS0034524 [T23, T41]). Der Revisionswerber zeigt nicht auf, dass dem Berufungsgericht eine zu korrigierende Fehlbeurteilung unterlaufen wäre.

[4] 2. Nach Ansicht der Vorinstanzen ist ausgehend von den vom Kläger gegen die Organe der Beklagten erhobenen Vorwürfen der letztmögliche Beginn der dreijährigen Verjährungsfrist mit 2. 3. 2018 anzusetzen, also mit dem Zeitpunkt, an dem er von der (vermeintlichen) Unterdrückung von Beweismitteln im Rahmen einer Steuerprüfung Kenntnis erlangt habe. Damit seien auch unter Berücksichtigung der Hemmung von 40 Tagen gemäß § 2 1. COVID-19-JuBG sowohl das Aufforderungsschreiben vom 27. 4. 2021 als auch die Einbringung der Klage am 1. 9. 2021 außerhalb der Verjährungsfrist erfolgt.

[5] Dem hält der Kläger entgegen, dass sein Freispruch im Finanzstrafverfahren (vom 25. 4. 2018) erst am 2. 5. 2018 rechtskräftig und das Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Verleumdung erst am (richtig:) 9. 5. 2018 eingestellt worden sei. Es sei unzulässig, während eines laufenden Strafverfahrens eine Klageführung zur Vermeidung der Verjährungsfolgen einzufordern.

[6] Bereits die Vorinstanzen haben auf die Entscheidung 1 Ob 211/14g (Pkt I.C.1) verwiesen. Dort führte der Senat in einem ähnlichen Fall, in dem der Amtshaftungsanspruch nämlich gerade nicht auf das Urteil im Strafprozess als rechtsverletzende Entscheidung, sondern auf vorgelagerte Verfahrenshandlungen bzw ‑verzögerungen gestützt wurde, aus, dass für den Beginn der Verjährung grundsätzlich auf jenen Zeitpunkt abzustellen ist, zu dem der entsprechende Schaden dem Kläger bekannt wurde und er auch auf ein Verschulden eines Organs schließen konnte. Der spätere Freispruch hat keinen Einfluss auf den Beginn der Verjährungsfrist.

[7] Das angefochtene Endurteil steht mit dieser Rechtsprechung in Einklang. Der Kläger beruft sich darauf, dass insbesondere dann, wenn Ungewissheit darüber besteht, ob überhaupt ein Schaden entstanden ist und hierüber ein Rechtsstreit behängt, man dem Geschädigten in der Regel zubilligen müsse, den Ausgang dieses Verfahrens abzuwarten, weil er erst dann über ausreichend sichere Informationen für seine Schadenersatzklage verfügt (5 Ob 2101/96y; 10 Ob 111/07g; 3 Ob 40/15a [Pkt 1.] ua). Soweit er im Rechtsmittel von Verteidigungskosten im Finanzstrafverfahren von ca 70.000 EUR als Schaden spricht, geht er allerdings nicht vom Gegenstand des Endurteils aus. Dieses hat vielmehr ein Schmerzengeldbegehren von 70.000 EUR für psychische Beeinträchtigungen des Klägers infolge der langjährigen widerrechtlichen und schädigenden Vorgehensweise der Strafverfolgungsbehörde zum Inhalt. Dass bis zum rechtskräftigen Freispruch im Strafverfahren Ungewissheit über diesen (behaupteten) Schaden bestanden hätte, ist jedoch nicht ersichtlich, zumal sich der Kläger nach seinem eigenem Vorbringen schon Anfang 2013 wegen des Ende 2012 aufgetretenen Burnouts in Therapie begeben hat. Auf die Verjährung der weiters geltend gemachten Barauslagen kommt er in der Revision nicht mehr zurück.

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