OGH 10ObS51/25k

OGH10ObS51/25k3.6.2025

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten Hon.‑Prof. PD Dr. Rassi als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Annerl und Dr. Vollmaier sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Michael Mutz (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und FI Veronika Bogojevic (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei *, vertreten durch Dr. Christina Buchleitner, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau, 1081 Wien, Josefstädter Straße 80, wegen Rückforderung von Krankengeld, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom28. März 2025, GZ 8 Rs 98/24 a‑37, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:010OBS00051.25K.0603.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Sozialrecht

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Der Kläger erhielt für den Zeitraum von 7. 2. 2021 bis 30. 5. 2021 aufgrund seiner Arbeitsunfähigkeit volle Entgeltfortzahlung durch seine Dienstgeberin. Er erhielt von der beklagten Versicherungsanstalt für den Zeitraum 31. 5. 2021 bis 21. 12. 2021 Krankengeld ausgezahlt.

[2] Aufgrund einer nachträglichen Anerkennung als Dienstunfall erhielt der Kläger von seiner Dienstgeberin nachträglich volles Entgelt für den Zeitraum von 31. 5. 2021 bis 8. 8. 2021 ausbezahlt, weswegen der Kläger das in diesem Zeitraum ausgezahlte Krankengeld zur Gänze und das im Zeitraum von 9. 8. 2021 bis 21. 12. 2021 ausgezahlte Krankengeld (aufgrund einer nach § 85 B‑KUVG heranzuziehenden niedrigeren Bemessungsgrundlage) teilweise zu Unrecht bezog.

[3] Mit Bescheid vom 7. 9. 2023 verpflichtete die Beklagte den Kläger zur Rückzahlung dieses zu Unrecht bezogenen Krankengelds von insgesamt 9.700,05 EUR. In der Begründung des Bescheids stützte sich die Beklagte unter anderem auf die korrigierte Arbeits‑ und Entgeltbestätigung und darauf, dass sich nachträglich herausgestellt habe, dass das Krankengeld zu Unrecht geleistet worden sei.

[4] Der Kläger begehrte die Feststellung, dass der Rückforderungsanspruch nicht zu Recht bestehe. Es sei nicht richtig, dass dem Kläger auffallen hätte müssen, dass er zu Unrecht Krankengeld bezogen habe.

[5] Die Beklagte bestritt. Ihr sei von der Dienstgeberin des Klägers aufgrund einer nachträglichen Anerkennung als Dienstunfall die Auszahlung des vollen Entgelts bis zum 8. 8 2021 gemeldet und die Bemessungsgrundlage nach unten korrigiert worden, was die Höhe des Krankengelds bis zum 21. 12. 2021 betroffen habe.

[6] Das Erstgericht gab dem Klagebegehren hinsichtlich des Zeitraums von 9. 8. 2021 bis 21. 12. 2021 statt. Hinsichtlich des Zeitraums von 31. 5. 2021 bis 8. 8. 2021 wies es das Klagebegehren ab. Es verpflichtete den Kläger zur Rückzahlung des in diesem Zeitraum bezogenen Krankengelds von 8.229,90 EUR. Es ging davon aus, dass sich die Beklagte im gerichtlichen Verfahren nur auf die Tatbestände des Erkennen‑Müssens des unberechtigten Bezugs nach § 49 Abs 1 Fall 4 B‑KUVG und der Meldepflichtverletzung nach § 49 Abs 1 Fall 3 B‑KUVG gestützt habe, der Kläger aber nur den unberechtigten Bezug im Zeitraum von 31. 5. 2021 bis 8. 8. 2021 erkennen habe müssen.

[7] Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Der Berufung der Beklagten gab es hingegen Folge und änderte das Ersturteil dahin ab, dass es das Klagebegehren abwies und den Kläger zur Rückzahlung des im Zeitraum von 31. 5. 2021 bis 21. 12. 2021 bezogenen Krankengelds von 9.700,05 EUR binnen sechs Monaten verpflichtete. Es teilte die Beurteilung des Erstgerichts nicht, dass sich die Beklagte lediglich auf die Rückforderungstatbestände des § 49 Abs 1 Fall 3 und 4 B‑KUVG gestützt habe. Sie habe sich in der Begründung des angefochtenen Bescheids und in ihrem Vorbringen im erstinstanzlichen Verfahren ganz allgemein auf § 49 Abs 1 B‑KUVG berufen und dazu Vorbringen erstattet, das dahingehend zu verstehen sei, dass die Beklagte inhaltlich auch das Vorliegen des Rückforderungstatbestands des § 49 Abs 1 Fall 5 B‑KUVG als erfüllt ansehe. Dieser Rückforderungstatbestand sei hier erfüllt. Die ordentliche Revision ließ das Berufungsgericht nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

[8] Die dagegen erhobene außerordentliche Revision des Klägers ist mangels Aufzeigens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

[9] 1.1. Der Frage, wie ein bestimmtes Vorbringen zu verstehen ist, kommt grundsätzlich keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu (RS0042828). Auch die Frage, ob eine Feststellung noch vom Vorbringen gedeckt ist bzw sich noch im Rahmen des Klagegrundes oder der Einwendungen hält, bildet daher regelmäßig keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO (RS0040318 [T3]; RS0037972 [T15]).

[10] 1.2. Eine Überschreitung des dem Berufungsgericht zukommenden Beurteilungsspielraums bei der Auslegung des Vorbringens der Beklagten zeigt der Kläger in der Revision nicht auf. Richtig ist, dass dem beklagten Versicherungsträger im Prozess vor dem Sozialgericht die materielle Klägerrolle zukommt und dieser daher für das Vorliegen eines Rückforderungstatbestands behauptungs‑ und beweispflichtig ist (RS0086067). Entgegen der Darstellung des Klägers im Rechtsmittel stützte das Berufungsgericht seine Beurteilung aber nicht ausschließlich auf den – nach dem Standpunkt des Klägers nicht ohne Weiteres als Prozessvorbringen anzusehenden – Inhalt des bekämpften Bescheids, sondern ausdrücklich auch auf das Vorbringen der Beklagten im erstinstanzlichen Verfahren. Mit der Frage, warum dieses – auf die Meldung der Auszahlung des vollen Entgelts aufgrund der nachträglichen Anerkennung als Dienstunfall durch die Dienstgeberin des Klägers Bezug nehmende – Vorbringen der Beklagten in der Klagebeantwortung entgegen der Beurteilung des Berufungsgerichts keine Berufung auf den Rückforderungstatbestand des nachträglich festgestellten Anspruchs nach § 49 Abs 1 Fall 5 B‑KUVG darstellen soll, legt der Kläger nicht offen, sodass es ihm insofern nicht gelingt eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts aufzuzeigen.

[11] 2. Die weitere Beurteilung des Berufungsgerichts, dass der Rückforderungstatbestand des § 49 Abs 1 Fall 5 B‑KUVG aufgrund der getroffenen (und nach der nicht korrekturbedürftigen Beurteilung des Berufungsgerichts vom Prozessvorbringen der Beklagten gedeckten) Feststellungen erfüllt sei, bekämpft der Kläger nicht, sodass darauf nicht einzugehen ist. Der in der außerordentlichen Revision thematisierten Frage, ob dem Kläger der unrechtmäßige Bezug des Krankengelds auffallen hätte müssen, käme nur im Zusammenhang mit dem Rückforderungstatbestand des § 49 Abs 1 Fall 4 B‑KUVG Bedeutung zu, auf den es aber aufgrund des Bestehens des Rückforderungstatbestands des § 49 Abs 1 Fall 5 B‑KUVG nicht entscheidend ankommt.

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