European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0140OS00101.24W.1216.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung über die Berufungen kommt dem Oberlandesgericht Innsbruck zu.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * J* des Verbrechens der Brandstiftung nach §§ 15, 169 Abs 1 StGB schuldig erkannt.
[2] Danach hat er am 1. August 2023 in F* an einer fremden Sache ohne Einwilligung des Eigentümers eine Feuersbrunst zu verursachen versucht, indem er in der im Wohnungseigentum des * S* stehenden Maisonettewohnung mit der Adresse *, fünf Brandstellen durch Entzünden von Küchenrollen oder Teilen davon unter Verwendung einer unbekannten Zündquelle erzeugte, nämlich im Badezimmer in einem Kunststoffeimer, im Wohnraum am Küchentisch, auf und neben dem dort befindlichen Ledersofa sowie im Galeriebereich auf der unter den Dachsparren gelegenen Bettmatratze, wobei die Tat beim Versuch blieb, weil durch das rasche Einschreiten der von einem Passanten verständigten Feuerwehr eine Ausbreitung des Brandes verhindert werden konnte.
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5 und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.
[4] Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurde der Angeklagte durch die Abweisung (ON 15, 6) seines in der Hauptverhandlung gestellten Antrags (ON 15, 5) auf Einholung eines psychiatrischen Gutachtens zum Beweis, dass er zur Tatzeit „infolge einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung oder einer anderen schweren, diesem Zustandsbild gleichwertigen, seelischen Störung unfähig war, das Unrecht seiner allfällig verübten bzw. versuchten Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln“, in seinen Verteidigungsrechten nicht verletzt. Denn dem Beweisantrag waren lediglich das Beweismittel und das Beweisthema, nicht aber – obwohl dies nicht offensichtlich war (vgl RIS‑Justiz RS0099453 [T12, T22, T25]) – Ausführungen zu entnehmen, welche konkreten Umstände das vom Antragsteller behauptete Ergebnis erwarten ließen (RIS‑Justiz RS0107040, RS0097641 [T17, T24]), sodass er auf eine – im Hauptverfahren unzulässige – Erkundungsbeweisführung abzielte (RIS‑Justiz RS0118123).
[5] Da bei der Prüfung der Berechtigung eines Antrags von der Verfahrenslage im Zeitpunkt der Antragstellung und den dabei vorgebrachten Gründen auszugehen ist, war das ergänzende Vorbringen in der Beschwerdeschrift unbeachtlich (RIS‑Justiz RS0099618).
[6] Die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) erachtet die Feststellungen zur „sehr eingeschränkt[en]“ Dispositions- und Diskretionsfähigkeit des Angeklagten (US 4) als offenbar unzureichend begründet, vernachlässigt jedoch, dass die Erwägungen des Erstgerichts (US 5 f), das die Konstatierungen (zusammengefasst) auf die teilweise vorhandenen Erinnerungen des Angeklagten, sein einem „klaren Tatplan“ folgendes Handeln sowie auf den Befund im Ambulanzblatt stützte und den Erinnerungslücken des Angeklagten nicht uneingeschränkt Glauben schenkte, den Kriterien der Logik und Empirie entsprechen (RIS‑Justiz RS0118317).
[7] Zu einer eigenständigen Erörterung der Umstände, dass sich der Angeklagte vor der Tat teilweise die Kopfhaare abrasiert hat und in Frauenbekleidung in das Krankenhaus eingeliefert wurde, war das Erstgericht – der Beschwerde (Z 5 zweiter Fall) zuwider – schon mit Blick auf das Gebot zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) nicht verhalten (RIS-Justiz RS0106642).
[8] Indem der Beschwerdeführer – unter Hinweis auf seine Angaben, sein Verhalten vor der Tat, die von ihm eingenommenen Substanzen sowie das mit dem Vorfall im Zusammenhang stehende Ambulanzblatt des LKH F* – eigene, gegen seine Zurechnungsfähigkeit sprechende Wertungen anstellt, bekämpft er die tatrichterliche Beweiswürdigung bloß nach Art einer im schöffen-gerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld (RIS‑Justiz RS0099455).
[9] Dass die Tatrichter die Feststellungen zur subjektiven Tatseite (US 4) neben „der geständigen Verantwortung“ des Angeklagten aus dem äußeren Tatgeschehen abgeleitet haben, ist – entgegen der weiteren Rüge (Z 5 vierter Fall) – unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit im konkreten Fall nicht zu beanstanden (vgl RIS‑Justiz RS0116882). Mit auch in diesem Zusammenhang angestellten Überlegungen zur Verantwortung des Angeklagten wird lediglich in unzulässiger Form Beweiswürdigungskritik geübt.
[10] Soweit sich die Beschwerde auf die Feststellung bezieht, wonach der Angeklagte gerade aus der Wohnung lief und zusammensackte, als die Rettungskräfte die Wohnungstüre erreichten (US 4), spricht sie keine entscheidende, also für die Schuld- oder die Subsumtionsfrage maßgebliche, Tatsache an (RIS‑Justiz RS0106268).
[11] Mit dem Hinweis auf den polizeilichen Abschlussbericht vom 22. Jänner 2024, wonach vier von fünf Brandstellen bereits vor der Intervention der Feuerwehr eigenständig erloschen waren (vgl dazu auch die Feststellungen US 4), und eine Intervention der Anwohner mit Geräten der ersten Löschhilfe aller Wahrscheinlichkeit nach erfolgreich verlaufen wäre (ON 2.2, 7), bekämpft die Rüge (nominell Z 5 erster Fall [vgl dazu aber RIS-Justiz RS0117995]) die Feststellungen zur (versuchten) Verursachung einer Feuersbrunst abermals bloß unzulässig nach Art einer Schuldberufung.
[12] Gleiches gilt für die Spekulation, dass sich „aus dem Glimmbrand der Matratze aller Wahrscheinlichkeit nach gar keine Feuersbrunst entwickeln hätte können“, ergebe sich auch aus dem Unterbleiben einer unverzüglichen Räumung des tatgegenständlichen Hauses durch die Einsatzkräfte. Die – von der Beschwerde im polizeilichen Abschlussbericht vermisste – Zahl der zum Tatzeitpunkt im Gebäude anwesenden Personen betrifft im Übrigen keine entscheidende Tatsache (13 Os 24/20h [verstärkter Senat]).
[13] Die Rechtsrüge (Z 9 lit a, nominell teilweise Z 5) behauptet, anhand der Konstatierungen zur geringen räumlichen Ausdehnung des Feuers und der Feststellung, dass es „ohne die rasche Löschung des Brandes durch die Feuerwehr (…) zur Ausbreitung des Brandes zu einem ausgedehnten, mit einfachen Mitteln nicht mehr beherrschbaren Brand kommen [hätte] können“ (US 4), könne nicht abschließend beurteilt werden, ob es ohne das Einschreiten der Feuerwehr tatsächlich zu einer Feuersbrunst iSd § 169 Abs 1 StGB gekommen wäre. Sie orientiert sich jedoch nicht an der Gesamtheit der Sachverhaltsannahmen (RIS‑Justiz RS0099810), insbesondere jenen, wonach der Bereich um die Matratze von Holz umgeben war und schon deshalb „die Gefahr“ des Übergreifens des Feuers der Matratze auf das Holzbett, in weiterer Folge auf angrenzende Holzgegenstände wie die Treppe, den Dachstuhl und das gesamte Gebäude „immanent“ war (US 5), und der Angeklagte es ernstlich für möglich hielt und sich damit abfand, durch sein Vorgehen einen ausgedehnten, mit gewöhnlichen Mitteln nicht mehr unter Kontrolle zu bringenden Brand zu verursachen (US 4; vgl auch US 7 f). Warum nach Maßgabe der Konstatierungen das Tatbild des § 169 Abs 1 StGB in Form des Versuchs (§ 15 StGB) nicht erfüllt sein sollte (vgl aber RIS‑Justiz RS0094987 [T1], RS0090314; Murschetz in WK² StGB § 169 Rz 4, 14; Bauer/Plöchl in WK2 StGB §§ 15, 16 Rz 86, 103/1), erklärt die Rechtsrüge nicht (RIS‑Justiz RS0099620). Sollte sie eine Straflosigkeit infolge Versuchsuntauglichkeit iSd § 15 Abs 3 StGB anstreben, leitet sie nicht aus dem Gesetz ab, warum fallbezogen die Tatbestandsverwirklichung auf die vorgesehene Art – losgelöst von den Besonderheiten des Einzelfalls – geradezu denkunmöglich sein sollte (RIS‑Justiz RS0115363, RS0102826).
[14] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bei der nichtöffentlichen Beratung gemäß § 285d Abs 1 StPO sofort zurückzuweisen. Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen (§ 285i StPO).
[15] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.
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