OGH 2Ob199/24i

OGH2Ob199/24i12.12.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Grohmann als Vorsitzende sowiedie Hofräte MMag. Sloboda, Dr. Thunhart und Dr. Kikinger und die Hofrätin Mag. Fitz als weitere Richter in derRechtssache der klagenden Partei H*, vertreten durch Dr. Norbert Stelzer, Rechtsanwalt in Fürstenfeld, gegen die beklagte Partei P*, vertreten durch Kaan Cronenberg & Partner Rechtsanwälte in Graz, wegen 11.200 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Graz alsBerufungsgericht vom 29. Juli 2024, GZ 70 R 35/24t‑19.1, mit welchem das Urteil des Bezirksgerichts Feldbach vom 31. Jänner 2024, GZ 2 C 1267/23x‑15, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0020OB00199.24I.1212.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Schadenersatz nach Verkehrsunfall

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.032,90 EUR (darin 172,15 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Der Kläger kam am Abend des 10. 9. 2022 im Ortsgebiet von Fehring mit seinem PKW von der Fahrbahn der Landstraße ab und stieß gegen den Betonsockel eines Firmenschildes der Beklagten. Dieser Betonsockel war ca 1,3 Meter von der Fahrbahn der Landstraße entfernt und befand sich auf einem Grünstreifen zwischen der Fahrbahn und einem Geh- und Radweg, der von der Landstraße durch diesen Grünstreifen getrennt ist und auf das angrenzende Ackergelände führt.

[2] Der Kläger begehrt 11.200 EUR sA, weil das dauerhafte Aufstellen des Firmenschildes aufgrund der damit verbundenen Gefährdung des Verkehrs einer straßenbehördlichen Bewilligung nach § 82 StVO bedurft hätte.

[3] Die Beklagte wendet ein, dass der Kläger das Alleinverschulden am Unfall verantworte und das Firmenschild nicht bewilligungspflichtig sei.

[4] Das Erstgericht wies die Klage ab. Ein 1,3 Meter vom Fahrbahnrand entfernt aufgestelltes Firmenschild bedürfe keiner Bewilligung nach § 82 Abs 1 StVO.

[5] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es ließ die Revision zur Klärung der Frage zu, ob auch weiter von der Fahrbahn entfernte Gegenstände im Interesse der Verkehrssicherheit einer Bewilligungspflicht unterliegen.

[6] Dagegen richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung, mit der er eine Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen anstrebt.

[7] Die Beklagte beantragt das Rechtsmittel zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[8] Die Revision ist entgegen dem nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.

[9] 1. Nach § 82 Abs 1 StVO bedarf die Benützung von Straßen einschließlich des darüber befindlichen, für die Sicherheit des Straßenverkehrs in Betracht kommenden Luftraums zu anderen Zwecken als zu solchen des Straßenverkehrs, etwa zu gewerblichen Tätigkeiten und zur Werbung, einer straßenbehördlichen Bewilligung. Der Oberste Gerichtshof hat bereits darauf hingewiesen, dass es sich bei dieser der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs dienenden Vorschrift um eine Schutznorm im Sinne des § 1311 ABGB handelt (RS0027673). Ein Verstoß gegen § 82 Abs 1 StVO kann deshalb Schadenersatzansprüche begründen.

[10] 2. Die Bewilligungspflicht nach § 82 Abs 1 StVO betrifft die Benutzung von Straßen, worunter nach der Legaldefinition des § 2 Abs 1 Z 1 StVO eine für den Fußgänger- oder Fahrzeugverkehr bestimmte Landfläche samt den in ihrem Zuge befindlichen und diesem Verkehr dienenden baulichen Anlagen zu verstehen ist. Für die Qualifikation einer Landfläche als Straße ist nicht das Eigentumsverhältnis am Straßengrund, sondern ausschließlich das Merkmal des Fußgängerverkehrs oder Fahrzeugverkehrs entscheidend (RS0073172). Die Vorschrift des § 82 Abs 1 StVO regelt nicht nur die Benützung der Fahrbahn, sondern auch daran anschließender Teile der Straße, wie der Straßenbankette (RS0027655).

[11] 3. Nach § 2 Abs 1 Z 6 StVO ist das Straßenbankett der seitliche, nicht befestigte Teil einer Straße, der zwischen der Fahrbahn und dem Straßenrand liegt. Charakteristisch für ein Bankett ist die von der Fahrbahn verschiedene Oberflächenbeschaffenheit (RS0073320 [T3]). Ein mit einer Grasnarbe bedeckter Streifen neben der Fahrbahn ist nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs kein Bankett (RS0073316). Das Firmenschild der Beklagten befand sich somit nicht auf der Straße, sodass schon deshalb keine Bewilligung nach § 82 Abs 1 StVO erforderlich war. Soweit die Revision argumentiert, das Firmenschild habe sich unmittelbar neben einer Fahrbahn befunden, ignoriert sie die festgestellte Entfernung zur Fahrbahn. Dass das Firmenschild in die Landesstraße hineinragte, wurde nicht behauptet oder festgestellt. Ebensowenig bezweifelt die Revision die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass der Grünstreifen kein Bankett und – ebenso wie der Geh‑ und Radweg als selbständige Fläche (§ 2 Abs 1 Z 11a StVO) – kein Teil der Straße im Sinn der Legaldefinition des § 2 Abs 1 Z 1 StVO war.

[12] 4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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