OGH 7Ob171/24h

OGH7Ob171/24h20.11.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Solé als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich, Dr. Weber und Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M* M*, vertreten durch Dr. Christoph Arbeithuber, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagte Partei W*‑Aktiengesellschaft *, vertreten durch Dr. Haymo Modelhart und andere Rechtsanwälte in Linz, wegen 10.805 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 28. Februar 2024, GZ 14 R 161/23d‑45, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Linz vom 4. September 2023, GZ 11 C 737/22a‑36, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0070OB00171.24H.1120.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Versicherungsvertragsrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 751,92 EUR (darin enthalten 125,32 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Am 24. 6. 2021 kam es zu einem Hagelschaden am Gebäude des Klägers. Er hat mit der Beklagten einen Eigenheimversicherungsvertrag mit Neuwertentschädigung abgeschlossen.

[2] Art 18 der vereinbarten Allgemeinen Bedingungen für die Eigenheimversicherung (ABE 2017) lautet:

Artikel 18 – Ersatzwert; Wiederherstellung; Wiederbeschaffung; Realgläubiger

1. Gebäude

1.1 Bei Beschädigung oder Zerstörung versicherter Gebäude hat der Versicherungsnehmer Anspruch auf Ersatz der Reparatur‑ bzw. Wiederherstellungskosten bis zum Neuwert (ortsübliche Kosten laut der Neuherstellung des versicherten Gebäudes zum Zeitpunkt des Schadenereignisses), sobald folgende Voraussetzungen gegeben sind:

‑ Es ist gesichert, dass die Entschädigung zur Gänze zur Wiederherstellung verwendet wird.

[...]

1.2 Bis zum Vorliegen der oben genannten Voraussetzungen hat der Versicherungsnehmer nur Anspruch auf Ersatz der Wiederaufbaukosten bis zum Zeitwert (Neuwert abzüglich eines dem Zustand des Gebäudes, insbesondere seines Alters und seiner Abnützung entsprechenden Betrages). höchstens aber bis zum Verkehrswert (erzielbarer Verkaufspreis des versicherten Gebäudes, wobei der Wert des Grundstückes außer Ansatz bleibt).

[...]“

Rechtliche Beurteilung

[3] Da der Kläger in seiner Revision das Vorliegen der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zu begründen vermag, ist die Revision entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig. Die Zurückweisung eines ordentlichen Rechtsmittels wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO):

[4] 1.1. Art 18.1.1 ABE 2017 enthält eine sogenannte „strenge“ Wiederherstellungsklausel (7 Ob 45/15s [ABE 2008]). Ihr Zweck ist die Begrenzung des subjektiven Risikos, das entstünde, wenn der Versicherungsnehmer die Entschädigungssumme für frei bestimmbare Zwecke verwenden könnte (RS0120711 [T2, T4]). Die strenge Wiederherstellungsklausel stellt eine Risikobegrenzung dar (RS0081840) und bedeutet, dass zunächst im Versicherungsfall nur ein Anspruch auf den Zeitwert entsteht und der Restanspruch auf den Neuwert von der Wiederherstellung oder deren (fristgerechter) Sicherung abhängt (RS0120710).

[5] 1.2. Wann die Verwendung gesichert ist, hat das Gericht nach Treu und Glauben zu entscheiden (RS0081868 [T2]) und hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (RS0119959). Grundsätzlich kann eine 100%ige Sicherheit nicht verlangt werden, sondern es muss ausreichen, wenn angesichts der getroffenen Vorkehrungen keine vernünftigen Zweifel an der Durchführung der Wiederherstellung bestehen (RS0112327; RS0119959). Der Abschluss eines bindenden Vertrags über die Wiederherstellung ist grundsätzlich ausreichend (7 Ob 167/14f), auch der Kauf von Baumaterialien kann ausreichend sein (7 Ob 65/05t). Die Vorlage von Kostenvoranschlägen, Absichtserklärungen des Versicherungsnehmers, die bloße Planung, eine behelfsmäßige Reparatur oder ein noch nicht angenommenes Angebot sind hingegen für die Sicherung der Wiederherstellung nicht ausreichend (RS0112327 [T5]).

[6] 1.3. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, auch wenn das Erstgericht „davon ausgeht“, dass der Kläger die beschädigten Überdachungen reparieren lassen wird, sei darin keine ausreichende Sicherung der Wiederherstellung zu erblicken, hält sich im Rahmen der Rechtsprechung (7 Ob 186/13y [Punkt 2.]). Der Kläger hat bislang nur zwei Kostenvoranschläge eingeholt, deren Zahlung von der Beklagten abgelehnt wurde. Er wäre auch mit einer Direktabrechnung der Beklagten mit ausführenden Professionisten einverstanden. Auch damit zeigt er die Sicherstellung der Wiederherstellung nicht auf (vgl 7 Ob 217/10b). Der Kläger brachte nicht vor, die Wiederherstellung bereits begonnen oder sonst konkret nach außen tretend – etwa durch die Erteilung von bindenden Aufträgen – gesichert zu haben. Damit ist die Fälligkeit der begehrten „Neuwertspanne“ nicht eingetreten (7 Ob 186/13y).

[7] Dass dem Kläger aufgrund der Zeitwertentschädigung nach Art 18.1.2 ABE 2017 noch etwas zustünde, behauptet er selbst nicht.

[8] 2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 und § 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die fehlende Zulässigkeit der Revision hingewiesen.

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