European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0120OS00091.24K.1119.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Spruch:
Die Anträge werden zurückgewiesen.
Gründe:
[1] Die Zentrale Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption (WKStA) führt zu AZ 17 St 18/23x (unter anderem) gegen * F* ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Verbrechens der Untreue nach §§ 153 Abs 1 und Abs 3 zweiter Fall, 12 dritter Fall StGB und des Verbrechens der Bestechung nach § 307 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB.
[2] Soweit vorliegend von Bedeutung, wurden in diesem Verfahren am 6. Oktober 2021 im Zuge einer Durchsuchung von Orten mehrere Datenträger, Mobiltelefone, Diktiergeräte sowie umfangreiche Papierunterlagen sichergestellt und diese Gegenstände aufgrund des – im Hinblick auf das Redaktionsgeheimnis (§ 31 Abs 2 MedienG) erhobenen – Widerspruchs des Betroffenen gemäß § 112 Abs 1 StPO gesichert und beim Landesgericht für Strafsachen Wien hinterlegt.
[3] Mit Beschluss vom 22. November 2023, GZ 316 HR 256/23a-4580, erklärte das Landesgericht für Strafsachen Wien die Übermittlung von den Kategorien 2./ bis 5./ (vgl dazu ON 4580 S 8 ff) zugeordneten Daten an die WKStA für zulässig und hinsichtlich solcher der Kategorien 1./ und 6./ für unzulässig (ON 4580 S 1).
[4] Der dagegen erhobenen Beschwerde des Betroffenen * F* gab das Oberlandesgericht Wien mit Beschluss vom 17. April 2024, AZ 17 Bs 304/23i (ON 4947), nicht Folge, jener der WKStA hingegen Folge und ordnete an, dass die der Kategorie 1./d./b./ zugeordnete Datei („kaufmännische Unterlagen bezüglich Inserate samt Kooperationsverträgen, dazugehöriger Kommunikation, Rechnungen usw, aus denen der Auftraggeber ableitbar ist“ [BS 13]) zum Akt genommen werden darf (BS 1).
Rechtliche Beurteilung
[5] Dagegen richtet sich der Verletzungen der Art 8 und 10 MRK reklamierende, nicht auf ein Erkenntnis des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte gestützte Antrag des * F* auf Erneuerung des Strafverfahrens, dem keine Berechtigung zukommt.
[6] Für einen – wie hier – nicht auf ein Urteil des EGMR gestützten Erneuerungsantrag gelten alle bezogen auf die Anrufung dieses Gerichtshofs normierten Zulässigkeitsvoraussetzungen der Art 34 und 35 MRK sinngemäß (RIS‑Justiz RS0122737).
[7] Demnach hat – weil die Opfereigenschaft nach Art 34 MRK nur anzunehmen ist, wenn der Beschwerdeführer substantiiert und schlüssig vorträgt, in einem bestimmten Konventionsrecht verletzt zu sein (Grabenwarter/Pabel,EMRK7 § 13 Rz 16) – auch ein Erneuerungsantrag deutlich und bestimmt darzulegen, worin eine (vom Obersten Gerichtshof sodann selbst zu beurteilende) Grundrechtsverletzung zu erblicken sei (RIS-Justiz RS0122737 [T17]). Dabei hat sich der Rechtsbehelf mit der als grundrechtswidrig bezeichneten Entscheidung in allen relevanten Punkten auseinanderzusetzen (RIS-Justiz RS0124359, RS0128393) und – soweit er (auf Grundlage der Gesamtheit der Entscheidungsgründe) nicht Begründungsmängel aufzuzeigen oder erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit getroffener Feststellungen zu wecken vermag – seine Argumentation auf Basis der Tatsachenannahmen der bekämpften Entscheidung zu entwickeln (RIS-Justiz RS0125393 [T1]).
[8] Die Behandlung eines Erneuerungsantrags bedeutet daher nicht die Überprüfung einer gerichtlichen Entscheidung oder Verfügung nach Art einer zusätzlichen Beschwerde- oder Berufungsinstanz, sondern beschränkt sich auf die Prüfung der reklamierten Verletzung eines Rechts nach der MRK oder eines ihrer Zusatzprotokolle (vgl RIS‑Justiz RS0129606 [T2, T3], RS0132365).
[9] Gegenstand des hier in grundrechtlicher Hinsicht ausschließlich zu prüfenden Beschlusses des Oberlandesgerichts Wien als Beschwerdegericht vom 17. April 2024, AZ 17 Bs 304/23i, ist das über Widerspruch des Erneuerungswerbers gegen die Sicherstellung unter Berufung auf das Redaktionsgeheimnis (§ 31 Abs 2 MedienG) geführte Sichtungsverfahren, demnach die Prüfung, ob die Offenlegung der sichergestellten Aufzeichnungen und Datenträger eine Umgehung dieses vom Widersprechenden behaupteten gesetzlich anerkannten Verschwiegenheitsrechts bedeuten würde (vgl RIS-Justiz RS0131837).
[10] Demnach unterliegen die Kritik mangelnder Verhältnismäßigkeit der Sicherstellung und vermeintlich fehlenden Bezugs der sichergestellten Dateien zum Tatverdacht sowie das Vorbringen, die Offenlegung der der Kategorie 1./d./[b./] zugeordneten Datei bedrohe „die Struktur des Medienunternehmens“ und „die Tätigkeit der Mitarbeiter“, keiner Prüfung im Rahmen des gegenständlichen Erneuerungsantrags (vgl erneut RIS-Justiz RS0131837).
[11] Soweit der Erneuerungswerber den Einwand einer Verletzung von Art 8 MRK pauschal auf zwei – nicht im Zusammenhang mit dem Redaktionsgeheimnis stehende –Erkenntnisse des EGMR stützt, wendet er sich inhaltlich erneut bloß gegen allgemeine Voraussetzungen für die Sicherstellung.
[12] Im Übrigen beschränkt sich die Argumentation auf die Darlegung einer Verletzung im Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens durch die Aufnahme von in der Kategorie 1./d./ erfassten Buchhaltungs- und Finanzunterlagen in den Akt und die damit einhergehende Offenlegung, ohne einen Bezug zur – verfahrensgegenständlichen – allfälligen Umgehung des Redaktionsgeheimnisses herzustellen.
[13] Die Behauptung eines Eingriffs in Art 8 und 10 MRK, „da (inoffizielle) finanzielle und sensible Geschäftsinformationen mit redaktionellen Inhalten verknüpft sind und Dritten zugänglich gemacht werden“ und „oftmals […] ein innerer Zusammenhang zwischen Geschäftspartnern, Personen, mit denen Kooperationen eingegangen werden und welche Inserate schalten, mit dem Zur-Verfügung-Stellen von Informationen (Schutz des Inhalts und der Quelle)“ bestehe, orientiert sich nicht an den Feststellungen des Beschwerdegerichts, welches einen Zusammenhang zwischen der gegenständlichen Kommunikation zur Abwicklung des Verkaufs von Inseraten mit der journalistischen Tätigkeit verneinte (BS 33 und 36).
[14] Mit den darüber hinausgehenden allgemeinen Ausführungen zum Umfang des Redaktionsgeheimnisses nach § 31 MedienG wird eine Grundrechtsverletzung nicht deutlich und bestimmt dargelegt.
[15] Der Erneuerungsantrag war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – gemäß § 363b Abs 2 Z 3 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen.
[16] Gleiches gilt für den unter einem gestellten, (anders als nach Art 39 der VerfO des EGMR) innerstaatlich nicht vorgesehenen Antrag auf Zuerkennung aufschiebender Wirkung (RIS-Justiz RS0125705 [T3]).
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