OGH 4Ob53/24h

OGH4Ob53/24h19.11.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schwarzenbacher als Vorsitzenden sowie den Vizepräsidenten Hon.‑Prof. PD Dr. Rassi, die Hofrätinnen Mag. Istjan, LL.M., und Mag. Waldstätten sowie den Hofrat Dr. Stiefsohn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei * GmbH, *, vertreten durch die Eckert . Nittmann Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. *, 2. *, beide vertreten durch die Winkler Reich‑Rohrwig Illedits Wieger Rechtsanwälte-Partnerschaft in Wien, wegen Aufkündigung, über die Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Berufungsgericht vom 25. Jänner 2024, GZ 19 R 74/23b‑39, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Baden vom 11. Oktober 2023, GZ 7 C 1119/22m‑32, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0040OB00053.24H.1119.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit 552,66 EUR (darin enthalten 92,11 EUR an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Die Klägerin war seit 2002 Mieterin einer Liegenschaft und Eigentümerin des darauf befindlichen Superädifikats, die gemeinsam als Verkaufs- und Lagerhalle samt Parkplätzen genutzt wurden.

[2] Ab 1. 5. 2016 (unter)vermietete die Klägerin sowohl Liegenschaft als auch Superädifikat an die Beklagten.

[3] Im September 2022 verkaufte die Klägerin das Superädifikat. Laut Kaufvertrag hat die Klägerin die Beendigung des Mietvertrags mit den Beklagten zu bewirken. Die körperliche Übergabe des Superädifikats an die Käuferin sollte voraussichtlich erst am 30. 6. 2023 (nach Räumung durch die Beklagten) erfolgen und die wirtschaftliche Nutzung am Superädifikat bis dahin bei der Klägerin verbleiben. Die Käuferin trat außerdem allfällige Ansprüche aus dem Mietvertrag mit den Beklagten der Klägerin zur gerichtlichen Betreibung ab.

[4] Zugleich mit dem Verkauf des Superädifikats beendete die Klägerin als Mieterin der Liegenschaft ihren eigenen Bestandvertrag einvernehmlich per 30. 6. 2023.

[5] Die Vorinstanzenerklärten die am 6. 10. 2023 bei Gericht eingelangte Aufkündigung für rechtswirksam und verpflichteten die Beklagten zur Räumung, obwohl die Beklagten unter anderem die Aktivlegitimation der Klägerin bestritten hatten.

[6] Laut Berufungsgericht ergebe sich die Aktivlegitimation der Klägerin für die Aufkündigung der Liegenschaft aus ihrer Rechtsposition als Unterbestandgeberin. Die Käuferin habe ihre gesamten Rechte als (neue) Vermieterin des Superädifikats an die Klägerin abgetreten, sodass entgegen der Ansicht der Beklagten für das Superädifikat keine unzulässige Prozessstandschaft im Aufkündigungsverfahren vorliege.

[7] Es ließ die ordentliche Revision zu, weil Rechtsprechung fehle, unter welchen Voraussetzungen der Veräußerer eines Bestandobjekts auch noch nach dem Eigentumsübergang zur Aufkündigung aktiv legitimiert sei.

Rechtliche Beurteilung

[8] Ungeachtet des – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruchs des Berufungsgerichts ist die Revision der Beklagten nicht zulässig.

[9] 1. Thema im Revisionsverfahren ist nur noch die Aktivlegitimation zur Aufkündigung des nicht dem MRG unterliegenden Mietvertrags zwischen der Klägerin als Vermieterin und den Beklagten als Mietern.

[10] 2. Die Beklagten argumentieren, dass nach ständiger Rechtsprechung eine Vertragsübernahme des Mietvertrags durch die Käuferin vor dem Eigentumsübergang der Bestandsache nur mit Zustimmung der Beklagten möglich sei.

[11] 2.1. Veräußert der Bestandgeber das Bestandobjekt, so übernimmt der Erwerber gemäß § 1120 ABGB (beziehungsweise § 2 Abs 1 MRG) die bestehenden Bestandverträge kraft Gesetzes. Dieser Übergang tritt grundsätzlich erst mit Einverleibung des Eigentumsübergangs im Grundbuch ein (RS0104141).

[12] Ein Eintritt des Erwerbers in bestehende Bestandverträge vor Einverleibung seines Eigentumsrechts im Grundbuch setzt voraus, dass ihm der Veräußerer im Vertrag Besitz, Verwaltung und Nutznießung überlässt und der Bestandnehmer überdies der Vertragsübernahme zumindest schlüssig zustimmt (RS0021129).

[13] Werden dagegen nicht Rechte und Pflichten des Bestandgebers als Gesamtpaket, sondern bloß seine Rechte (Forderung auf Bezahlung des Bestandzinses mit Recht zur Kündigung) an den Erwerber übertragen, ist diese Abtretung unabhängig von der Zustimmung des Bestandnehmers wirksam (RS0021129 [T1]).

[14] 2.2. Weder aus dem Sachverhalt noch aus den Ausführungen des Berufungsgerichts ergeben sich Anhaltspunkte dafür, dass Klägerin und Käuferin die Übernahme des gesamten Mietvertrags zwischen Klägerin und Beklagten durch die Käuferin vereinbart hätten.

[15] Die von den Beklagten monierte Abweichung von der ständigen Rechtsprechung liegt damit nicht vor.

[16] 3. Nur der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass sich auch die vom Berufungsgericht für erheblich erachtete Rechtsfrage nicht stellt. Dass das Eigentum am Superädifikat schon vor der Aufkündigung durch die Klägerin auf die Käuferin übergegangen sei, wurde weder vorgebracht noch festgestellt. Nach Abfrage aus den öffentlichen Registern ist vielmehr ersichtlich, dass die Urkundenhinterlegung für das Superädifikat erst am 8. 11. 2022 – also nach der Aufkündigung – erfolgte.

[17] 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 Abs 1, § 50 Abs 1 ZPO.

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