OGH 5Ob114/24m

OGH5Ob114/24m14.11.2024

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat Mag. Wurzer als Vorsitzenden sowie den Hofrat Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun‑Mohr, den Hofrat Dr. Steger und die Hofrätin Dr. Pfurtscheller als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache des Antragstellers R*, vertreten durch Mag. Norbert Tanzer, Rechtsanwalt in Telfs, gegen die Antragsgegner 1. S*, 2. H*, 3. N*, alle vertreten durch Mag. Simon Pöschl, Rechtsanwalt in Innsbruck, 4. W*, vertreten durch Dr. Thomas Obholzer, Rechtsanwalt in Hall in Tirol, sowie den weiteren Miteigentümer D*, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 26. Februar 2024, GZ 2 R 175/23h‑87, mit dem der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Telfs vom 20. Juni 2023, GZ 2 MSch 1/19h‑74, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0050OB00114.24M.1114.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Wohnungseigentumsrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Sachbeschluss wird aufgehoben.

Dem Rekursgericht wird die neuerliche Entscheidung über den Rekurs des Antragstellers aufgetragen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens bleibt dem Erstgericht vorbehalten.

 

 

B e g r ü n d u n g :

 

[1] Die Streitteile sind Mit‑ und Wohnungseigentümer einer Liegenschaft. Der Erstantragsteller ist zu 104 und 19/613‑Anteilen Miteigentümer verbunden mit Wohnungseigentum an Wohnung Top 1 und Keller Top 7. Er hat seine Anteile mit Kaufvertrag vom 14. Jänner 2005 erworben. In diesem Kaufvertrag, aber auch in den Kaufverträgen sämtlicher Antragsgegner wird auf eine Benützungsregelung verwiesen, die die ausschließliche Benützung von Gartenflächen und Parkplätzen für die beiden Eigentümer der Erdgeschosswohnungen (eine davon nun im Eigentum des Antragstellers) beinhaltet. Sie sind demnach berechtigt, die jeweils zugewiesenen Grundflächen ausschließlich und alleine zu benützen und dort allenfalls Baulichkeiten, insbesondere Gartenmauern, Garagen und dergleichen zu errichten. Im Revisionsrekursverfahren ist unstrittig, dass die vom Antragsteller auf der ihm zur alleinigen Benützung zugewiesenen Fläche errichtete Doppelgarage samt Terrasse (auf deren Dach) aufgrund dieser Vorwegzustimmung nur vom Antragsteller genutzt wird und – obwohl nach wie vor allgemeiner Teil – auch nur von ihm genutzt werden kann.

[2] Der Antragsteller begehrt – soweit im Revisionsrekursverfahren noch wesentlich – die Zustimmung der Erst‑ bis Viertantragsgegner zum Bauvorhaben „Zubau Wintergartenkonstruktion sowie Errichtung einer Photovoltaikanlage“ auf dem näher bezeichneten Grundstück gemäß einem näher bezeichneten Baubescheid und Architektenplan zu ersetzen. Das Bauvorhaben betreffe nur die ihm zur alleinigen Benützung vorbehaltene Fläche und sei baubewilligt. Ein Eingriff in allgemeine Teile erfolge damit nicht. Jedenfalls ergebe sich sein berechtigtes Interesse aus dem Wunsch, umweltfreundlich und energieautark zu leben, mittels Photovoltaikanlage die Heizenergie gegen Null zu reduzieren, die Wäsche ganzjährig im Wintergarten trocknen zu lassen sowie dort Gäste zu empfangen und Feiern abzuhalten. Wintergärten samt Photovoltaikanlagen seien in der Umgebung ortsüblich. Die Gefahr einer Schädigung des Hauses oder für die Sicherheit von Personen des Hauses oder anderen Sachen sei aufgrund der mit Auflagen verknüpften Baubewilligung auszuschließen. Eine wesentliche Beeinträchtigung des äußeren Erscheinungsbildes des Hauses liege nicht vor.

[3] Die Erst‑ bis Viertantragsgegner wendeten ein, durch das Projekt werde die Außenhaut massiv verändert, weshalb es nach § 16 Abs 2 Z 1 und 2 WEG zu beurteilen sei. Es fehle an einem wichtigen Interesse des Antragstellers, die Errichtung eines 30 m2 großen Wintergartens mit 25 m2 Solaranlage sei nicht verkehrsüblich. Auch nach der WEG‑Novelle 2022 sei eine Photovoltaikanlage in Wohnungseigentumsanlagen mit mehreren Eigentümern nicht privilegiert. Die Verwirklichung des Projekts bringe eine massive Beeinträchtigung des äußeren Erscheinungsbildes des Hauses mit sich und greife erheblich in die Elektrik des Hauses ein; durch die Photovoltaik‑Module sowie die großen Glasflächen des Wintergartens komme es zu Blendungen und Hitzeentwicklungen. Aufgrund einer Veränderung der Nutzwerte sei ein Eigentumsverlust der Antragsgegner zu befürchten. Letztlich greife der Wintergarten mit seiner Konstruktion unzulässig in die Balkonkonstruktion des darüberliegenden Objekts ein, weil Wasser‑ und Luftdurchlässigkeit damit versiegelt werde. Wenn der Antragsteller zumindest gelegentlich das Dach des Wintergartens zu Reinigungszwecken oder zur Wartung der Solarpaneele betrete, dringe er in den Privatbereich der Wohnung des Viertantragsgegners ein. Ein vorgeschriebenes Entlüftungsfenster samt Schacht des Heizraums werde durch den Wintergarten überbaut und blockiert. Durch die Photovoltaikanlage und den damit zusammenhängenden Eingriff in die allgemeine Elektrik sei in Verbindung mit dem angrenzenden Holzbalkon eine Brandgefahr nicht auszuschließen.

[4] Das Erstgericht wies den Sachantrag ab. Es prüfte den Antrag nach § 16 Abs 2 Z 1 und 2 WEG, zumal selbst bei großzügigster denkmöglicher Auslegung der Nutzungsvereinbarung die Errichtung eines Wintergartens samt Photovoltaikanlage nicht vom alleinigen Benützungsrecht des Antragstellers umfasst sei. Die Außenfassade sei jedenfalls allgemeiner Teil der Liegenschaft, weshalb es ein wichtiges Interesse oder eine Verkehrsüblichkeit als Voraussetzung brauche. Beides sei aufgrund der Feststellungen zu verneinen. Eine begünstigte Maßnahme liege beim Projekt selbst bei analoger Berücksichtigung des § 16 Abs 5 WEG nicht vor. Auf die Einwendungen der Antragsgegner wegen Beeinträchtigung ihrer schutzwürdigen Interessen und der äußeren Erscheinung des Hauses sei daher nicht mehr einzugehen.

[5] Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Es behandelte die Mängelrüge (betreffend die Nichtdurchführung des beantragten Lokalaugenscheins zum Beweis der Ortsüblichkeit von Wintergärten mit Photovoltaikanlagen) und die Beweisrüge des Antragstellers nicht. Diese betraf die Feststellungen zur Verbindung des Wintergartens mit dem Balkon des Viertantragsgegners, die Ausgestaltung der Photovoltaikanlage, die Beanspruchung gemeinschaftlicher Versorgungsanlagen, aber auch die Negativfeststellungen zu vorhandenen Wintergärten mit Photovoltaikanlagen im Nahebereich der Liegenschaft. Erkennbar ging das Rekursgericht von mangelnder Relevanz der Verfahrens‑ und Beweisrüge aus. Rechtlich verneinte es nämlich nach ausführlicher Auseinandersetzung mit der Frage, ob die Nutzungsregelung eine Vorwegzustimmung zur Errichtung auch des Wintergartens beinhaltete (was der Antragsteller so nicht behauptet hatte) die Anwendbarkeit von § 16 WEG, weil die begehrte bauliche Änderung nicht eine solche am Wohnungseigentumsobjekt selbst sei, sondern auf einer Allgemeinfläche, für die der Antragsteller nur gewisse Vorzugsrechte aufgrund der Benützungsregelung habe. Auf die Verkehrsüblichkeit und das wichtige Interesse des Antragstellers – auch unter Berücksichtigung des von ihm ergänzend festgestellten Vertragstextes – komme es daher nicht an. „Der Vollständigkeit halber“ verwies es darauf, dass die Abschirmung gegenüber dem Nachbarn und persönliche Stromgewinnung kein wichtiges Interesse begründen könnten und die Verkehrsüblichkeit bei Aufstellung einer hölzernen Saunakabine auf der Wohnungseigentumsterrasse oder die Errichtung einer Photovoltaikanlage in einem anderen Fall schon als nicht zulässig angesehen worden seien.

[6] Das Rekursgericht bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 10.000 EUR übersteigend und ließ den Revisionsrekurs mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zu.

[7] Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Antragstellers, in dem er die Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen im Sinn einer Stattgebung seiner Sachanträge anstrebt und hilfsweise einen Aufhebungsantrag stellt.

[8] Die Erst- bis Drittantragsgegner beantragen in der ihnen freigestellten Revisionsrekursbeantwortung, den Revisionsrekurs mangels erheblicher Rechtsfrage zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

[9] Der Viertantragsgegner beantragt in der ihm freigestellten Revisionsrekursbeantwortung, dem Revisionsrekurs keine Folge zu geben.

[10] Weitere Wohnungseigentümer haben sich am Revisionsrekursverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

[11] Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil das Rekursgericht aufgrund seiner vom Obersten Gerichtshof nicht geteilten Rechtsauffassung die Mängel- und Beweisrüge des Antragstellers nicht erledigt hat. Er ist im Sinn einer Aufhebung der Rekursentscheidung auch berechtigt.

[12] Der Antragsteller meint im Wesentlichen, die Auffassung, § 16 WEG sei nicht anzuwenden, weil die begehrte Maßnahme nur die dem Antragsteller zur Alleinbenutzung zugewiesene Fläche betreffe, widerspreche der höchstgerichtlichen Rechtsprechung zum Änderungsbegriff. Der Wintergarten und die darauf befindlichen Photovoltaikpaneele dienten der vorteilhaften Nutzung seines Wohnungseigentumsobjekts und seien daher § 16 WEG zu unterziehen. Das Rekursgericht hätte sich damit auseinandersetzen müssen, ob die Feststellungen zur Beurteilung der Verkehrsüblichkeit und zum wichtigen Interesse und zur Interessensbeeinträchtigung der Antragsgegner ausreichen und den Verfahrensmangel infolge Unterlassung des beantragten Lokalaugenscheins zu behandeln gehabt. Rechtsprechung fehle zur Frage, inwiefern bestehende Benützungsregelungen Einfluss auf die Beurteilung der Verkehrsüblichkeit und die Wichtigkeit des Interesses des änderungswilligen Wohnungseigentümers haben, insoweit liege auch eine Abweichung von 5 Ob 48/89 vor. Letztlich wird ein Begründungsmangel aufgrund mangelhafter Fassung des Beschlusses nach § 57 Z 1 AußStrG geltend gemacht, weil das Rekursgericht sich mit der Beweisrüge nicht auseinandergesetzt und den Bewertungsausspruch nicht begründet habe.

Hiezu wurde erwogen:

[13] 1. Die behauptete Mangelhaftigkeit nach § 57 Z 1 iVm § 66 Abs 1 Z 1 AußStrG liegt nicht vor. Dass das Rekursgericht auf die Argumente in der Mängel‑ und Beweisrüge nicht einging, weil es diese für nicht rechtlich relevant hielt, ist seiner Entscheidung ausreichend zu entnehmen. Einer gesonderten Begründung für den Bewertungsausspruch – der dem Antragsteller im Übrigen die unmittelbare Anrufung des Obersten Gerichtshofs mittels außerordentlichen Revisionsrekurses ermöglichte – bedurfte es nicht.

[14] 2. Die Frage eines Verfahrensmangels wegen Nichtdurchführung des beantragten Lokalaugenscheins ließ das Rekursgericht unter Hinweis auf seine rechtliche Beurteilung dahingestellt. Eine Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens liegt dann vor, wenn das Rekursgericht den Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens infolge einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung nicht wahrgenommen hat (RS0043086 [T11]; RS0043051), so weil es die Behandlung einer Mängelrüge infolge der vermeintlichen rechtlichen Unerheblichkeit des gerügten Mangels unterlässt (RS0043051 [T5]). Dieser Fall liegt hier vor.

[15] 3.1. § 16 Abs 2 Z 1 WEG normiert die allgemeinen Voraussetzungen dafür, dass eine Zustimmung zu einer Änderung nicht verweigert werden darf und eine nicht erteilte Zustimmung gerichtlich ersetzt werden kann. Danach darf jegliche Änderung weder eine Schädigung des Hauses noch eine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen der anderen Wohnungseigentümer, besonders auch keine Beeinträchtigung der äußeren Erscheinung des Hauses und keine Gefahr für die Sicherheit von Personen, des Hauses oder von anderen Sachen zur Folge haben. Wenn für eine Änderung auch allgemeine Teile der Liegenschaft in Anspruch genommen werden, verlangt § 16 Abs 2 Z 2 WEG zusätzlich, dass die Änderung entweder der Übung des Verkehrs entspricht oder einem wichtigen Interesse des Wohnungseigentümers dient. Für bestimmte Maßnahmen, wie etwa die Errichtung von Strom‑, Gas‑, Wasser‑ oder Fernsprechleitungen, der Heizungsanlagen und ähnlichen Einrichtungen darf die Zustimmung aus diesem Grund jedenfalls nicht verweigert werden.

[16] 3.2. Für das Vorliegen von Umständen, die schon nach den in § 16 Abs 2 Z 1 WEG aufgezählten allgemeinen Voraussetzungen einer Änderung entgegenstehen, ist der widersprechende Mit‑ und Wohnungseigentümer darlegungs‑ und beweispflichtig (RS0082993). Eine Abwägung der Interessen des die Änderung beabsichtigenden Wohnungseigentümers gegen die Interessen der übrigen Wohnungseigentümer an der Unterlassung der Änderung ist dabei nicht vorzunehmen (RS0083188; RS0083240 [T4]). Schon allein die Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen anderer Miteigentümer nach § 16 Abs 2 Z 1 WEG steht der geplanten Änderung entgegen (RS0083240 [T6]).

[17] 3.3. Bereits nach dem Gesetzeswortlaut erfasst § 16 Abs 2 Z 2 WEG Änderungen, bei denen (auch) allgemeine Teile der Liegenschaft „in Anspruch genommen“ werden. Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats ist der Änderungsbegriff des § 16 Abs 2 WEG weit auszulegen, sodass auch Änderungen an allgemeinen Teilen der Liegenschaft erfasst sind, und sogar Fälle, in denen ausschließlich allgemeine Teile der Liegenschaft betroffen sind (RS0083108 [T1]; 5 Ob 213/04s). Dabei kommt es nicht darauf an, ob dem Antragsteller am betreffenden Teil der Liegenschaft bereits ein Benützungsrecht zukommt. Voraussetzung dafür, eine Änderung an allgemeinen Teilen § 16 Abs 2 WEG zu unterstellen, ist lediglich, dass die Änderung für eine vorteilhaftere Nutzung des Wohnungseigentumsobjekts dienlich ist (RS0083108 [T1]; 5 Ob 28/05m). Demgemäß wurde etwa die Genehmigung eines Flugdaches für zwei auf allgemeinen Teilen der Liegenschaft gelegene Pkw‑Abstellplätze, die im Rahmen einer Benützungsregelung an den Wohnungseigentümer zur ausschließlichen Benützung zugewiesen waren (damals) § 13 Abs 2 WEG 1975 unterstellt (5 Ob 299/99b). Die Entscheidung 5 Ob 97/12v wendete § 16 Abs 2 WEG auf die Errichtung eines Balkons auf einer allgemeinen Gartenfläche an.

[18] 3.4. Anders wäre es dann, wenn der Antragsteller die Zuweisung eines Teils einer Allgemeinfläche an ihn als Wohnungseigentümer und damit eine Änderung der wohnungseigentumsrechtlichen Kategorien begehrt hätte; dies würde der Einstimmigkeit bedürfen und wäre einer gerichtlichen Entscheidung nicht zugänglich. Diesfalls wäre das Begehren nicht vom Änderungsrecht nach § 16 Abs 2 WEG umfasst (5 Ob 38/01a; RS0117159).

[19] 4.1. Hier begehrte der Antragsteller allerdings nicht die Zuweisung eines Teils der Allgemeinfläche an ihn zwecks Eingliederung in sein Wohnungseigentumsobjekt. Gegenstand seines Sachantrags ist nur, die Zustimmung der Antragsgegner zu einem konkreten Bauvorhaben im Bereich der Doppelgarage zu ersetzen, die auf der ihm zur Alleinbenützung zugewiesenen Fläche von ihm errichtet worden war. Grundsätzlich kommt aufgrund dieser Benutzungsvereinbarung dem Antragsteller die ausschließliche rechtliche Verfügungsgewalt über diesen Teil zu (5 Ob 73/14t; 5 Ob 40/12m). Seinem alleinigen Nutzungs‑ und Verfügungsrecht steht § 828 ABGB, wonach kein Teil einer gemeinsamen Sache bei Uneinigkeit der Miteigentümer Veränderungen vornehmen darf, auch im Bereich des Wohnungseigentums aber dann entgegen, wenn eine Widmungsänderung oder ein Eingriff in die Substanz in die Rechtssphäre der übrigen Teilhaber vorliegt und deren wichtige Interessen berührt werden (RS0013205; RS0013604). Dies ist hier aufgrund der geplanten Baumaßnahmen, die jedenfalls auch allgemeine Teile betreffen, der Fall. Es handelt sich bei den begehrten Baumaßnahmen um bleibende Substanzveränderungen, die – da allgemeine Teile betroffen sind – entweder der Zustimmung aller Mit‑ und Wohnungseigentümer oder eben der Genehmigung des Gerichts nach den Kriterien des § 16 Abs 2 WEG bedürfen. Dass diese Bestimmung auf die nach dem Sachantrag begehrten Baumaßnahmen nicht anzuwenden wäre, weil es sich um eine nur einvernehmlich vorzunehmende Verfügung im Sinne einer Änderung der wohnungseigentumsrechtlichen Kategorie handeln würde, ist dem Inhalt des Antrags nicht zu entnehmen. Die rechtliche Beurteilung des Rekursgerichts ist daher insoweit nicht zu teilen.

[20] 4.2. Da diese rechtliche Beurteilung des Rekursgerichts nicht trägt, bedarf es einer Prüfung der Voraussetzungen des § 16 Abs 2 Z 1 und 2 WEG für die Zulässigkeit der begehrten Änderung. Die vom Erstgericht hiezu getroffenen Feststellungen wurden im Rekurs mit Mängel‑ und Beweisrüge bekämpft, die das Rekursgericht – ausgehend von seiner vom erkennenden Senat nicht gebilligten Rechtsauffassung – wegen Irrelevanz nicht behandelte. Ein gesicherter Sachverhalt, auf dessen Basis eine Beurteilung der Kriterien des § 16 Abs 2 Z 1 und 2 WEG für die geplante Änderung erfolgen könnte, liegt dem Obersten Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, somit nicht vor. Die Hinweise „der Vollständigkeit halber“, die Abschirmung gegenüber den Nachbarn und die persönliche Stromgewinnung reiche für ein wichtiges Interesse nicht aus und die Verkehrsüblichkeit der konkret geplanten Veränderung sei zu verneinen, weil die Aufstellung einer hölzernen Saunakabine auf einer Wohnungseigentumsterrasse sowie die Errichtung einer Photovoltaikanlage als nicht zulässig angesehen worden seien, lassen eine ausreichende Grundlage im Sachverhalt vermissen. Zur Behauptung des Antragstellers, in der näheren Umgebung des Hauses seien derartige Wintergärten samt Photovoltaikanlagen mehrfach vorhanden (mittlerweile sogar am Haus selbst) – wozu das Erstgericht eine Negativfeststellung traf – wird eine Behandlung der Mängel‑ und Beweisrüge erforderlich sein. Im Zusammenhang mit dem Vorbringen des Antragstellers zu seinem wichtigen Interesse wird im Sinn der – einen vergleichbaren Sachverhalt betreffenden – Entscheidung 5 Ob 48/89 zu berücksichtigen sein, dass der Bereich, auf den sich der Antrag bezieht, zwar nach wie vor allgemeiner Teil ist, aber (nach den Behauptungen des Antragstellers) zur Gänze seiner alleinigen Nutzung zugewiesen ist. Auch dies wird bei der Beurteilung des wichtigen Interesses zu bedenken sein. Die Beweisrüge zu den Negativfeststellungen betreffend die konkrete Ausgestaltung der Photovoltaikanlage und den damit verfolgten Absichten wird ebenfalls zur abschließenden Beurteilung des wichtigen Interesses zu behandeln sein. Ob die Beweisrüge zu den Feststellungen in Bezug auf die – behaupteten – Beeinträchtigungen der übrigen Miteigentümer von Relevanz ist, wird je nach Ergebnis der Behandlung der Mängel‑ und Beweisrüge zur Frage der Verkehrsüblichkeit und des wichtigen Interesses zu entscheiden sein. Wenn auch dem Rechtsanwender nach der ständigen Rechtsprechung des Fachsenats (RS0109643 [T10, T12]) ein Ermessensspielraum bei der Beurteilung der Voraussetzungen des § 16 Abs 2 Z 1 und 2 WEG zukommt, bedarf die Ausübung dieses Ermessens doch einer gesicherten Sachverhaltsgrundlage, die hier fehlt.

[21] 4.3. In Stattgebung des außerordentlichen Revisionsrekurses war die Entscheidung des Rekursgerichts daher aufzuheben und diesem die neuerliche Entscheidung nach Erledigung der Mängel‑ und Beweisrüge aufzutragen.

[22] 5. Der Kostenvorbehalt des Erstgerichts im Sinn des § 78 Abs 1 letzter Satz AußStrG umfasst auch die Kosten des Revisionsrekursverfahrens.

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