OGH 3Ob134/24p

OGH3Ob134/24p28.10.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.‑Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun‑Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R* L*, vertreten durch Mag. Franz Doppelhofer, Rechtsanwalt in Seiersberg‑Pirka, gegen die beklagte Partei S* L*, vertreten durch Mag. Martin Divitschek und andere Rechtsanwälte in Deutschlandsberg, wegen § 35 EO, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 24. April 2024, GZ 4 R 111/23g‑19, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Deutschlandsberg vom 26. April 2023, GZ 3 C 869/22v‑13, teilweise abgeändert wurde, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0030OB00134.24P.1028.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Exekutionsrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 602,54 EUR (darin enthalten 100,42 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

[1] Der der Oppositionsklage zugrunde liegende betriebene Anspruch der Beklagten auf Leistung einer Ausgleichszahlung in mehreren Teilbeträgen resultiert aus einer Scheidungsfolgenvereinbarung vom 3. 12. 2007.

[2] Mit Beschluss vom 11. 3. 2013 bewilligte das Erstgericht der Beklagten zu AZ 2 E 732/13g zur Hereinbringung der letzten beiden Teilbeträge von insgesamt 21.600 EUR sA unter anderem die Forderungsexekution nach § 294a EO alt (idF vor der GREx BGBl I 2021/86). Die Drittschuldnerin (PVA) gab eine positive Drittschuldnererklärung ab, leistete aufgrund von Vorpfandrechten allerdings erst wenige Monate vor Einbringung der vorliegenden Oppositionsklage Zahlungen an die Beklagte.

[3] Mit Beschluss vom 31. 3. 2022 bewilligte das Erstgericht der Beklagten zu AZ 2 E 517/22b zur Hereinbringung derselben Forderung die Exekution durch zwangsweise Pfandrechtsbegründung an den 22/25‑Anteilen des Klägers an einer Liegenschaft in *.

[4] Bei einer durchgehenden Berechnung der Verzugszinsen besteht noch eine offene Forderung der Beklagten von 6.081,40 EUR. Unter der Annahme, dass der Beklagten – wie vom Kläger behauptet – für den Zeitraum vom 5. 3. 2013 bis 24. 3. 2019 zufolge Verjährung keine Verzugszinsen zustehen, wäre die Forderung der Beklagten vollständig getilgt.

[5] Mit Oppositionsklage vom 2. 8. 2022 begehrte der Kläger, 1. festzustellen, dass der betriebene Anspruch der Beklagten erloschen sei, 2. die von der Beklagten gegen ihn zu AZ 2 E 732/13g und AZ 2 E 517/22b des Erstgerichts geführten Exekutionsverfahren für unzulässig zu erklären und das an seinen Liegenschaftsanteilen begründete Pfandrecht zu löschen. Die Beklagte habe vom 5. 3. 2013 bis zur Antragstellung am 25. 3. 2022 keine Eintreibungsschritte gesetzt, weshalb ihr Verzugszinsen erst wieder ab 25. 3. 2019 zustehen würden. Die übrigen Verzugszinsen seien verjährt, weshalb die betriebene Forderung zur Gänze getilgt sei.

[6] Die Beklagte entgegnete, dass die Gehaltsexekution zu AZ 2 E 732/13g nach wie vor anhängig sei. Solange die Gehaltsexekution nicht beendet sei, könnten die Verzugszinsen nicht verjähren.

[7] Das Erstgericht wies die Oppositionsklage ab. Die Verzugszinsen seien nicht verjährt, weil die Gehaltsexekution bis zur vollständigen Tilgung der hereinzubringenden Forderung (Kapitalsforderung samt Zinsenforderung) nicht beendet sei. Zudem sei nicht nachvollziehbar, warum auch die Verzugszinsen für den Zeitraum vom 5. 3. 2013 bis 4. 3. 2016 verjährt sein sollen.

[8] Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers teilweise Folge und sprach aus, dass der Anspruch der Beklagten, zu dessen Hereinbringung ihr (unter anderem) die Forderungsexekution nach § 294a EO alt und die Exekution durch zwangsweise Pfandrechtsbegründung bewilligt worden sei, in dem einen Betrag von 5.317,69 EUR sA übersteigenden Ausmaß erloschen sei. Das Mehrbegehren, darüber hinaus auszusprechen, dass die betriebenen Ansprüche zur Gänze erloschen seien und das exekutive Pfandrecht an den Liegenschaftsanteilen des Klägers gelöscht werde, wurde hingegen abgewiesen. Da die zur Einziehung überwiesene gepfändete Geldforderung nicht geringer sei als die betriebene Forderung und sich daher zur vollständigen Befriedigung des Gläubigers eigne, sei die Exekution erst beendet, wenn sie durch Vollzugsmaßnahmen zum vollen Erfolg geführt habe. Davon ausgehend sei die Gehaltsexekution zu AZ 2 E 732/13g noch nicht beendet, weshalb die Verjährungsfrist für die Verzugszinsen noch gar nicht zu laufen begonnen habe. Der betriebene Anspruch sei daher noch nicht getilgt. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil zur Frage, ob nach Abgabe einer positiven Drittschuldnererklärung in einer durch Zustellung des Zahlungsverbots kanalisierten Forderungsexekution nach § 294a EO alt auf fortlaufende Bezüge eine Verjährung der Verzugszinsen gemäß § 1480 ABGB auch dann eintrete, wenn an den gepfändeten Bezügen des Verpflichteten vorrangige Pfandrechte bestehen, höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle.

[9] Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Klägers, die auf eine gänzliche Klagsstattgebung abzielt.

[10] Mit ihrer Revisionsbeantwortung beantragt die Beklagte, das Rechtsmittel der Gegenseite zurückzuweisen, in eventu diesem den Erfolg zu versagen.

Rechtliche Beurteilung

[11] Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.

[12] 1.1 Im Anlassfall ist strittig, ob die titulierten Verzugszinsen für den Zeitraum vom 5. 3. 2013 bis 24. 3. 2019 im Hinblick auf die Gehaltsexekution nach § 294a EO alt verjährt sind.

[13] 1.2 Forderungen, die durch ein rechtskräftiges Urteil zugesprochen oder durch einen die Exekution begründenden Vergleich oder Vertrag anerkannt sind, verjähren auch dann gemäß den §§ 1478, 1479 ABGB erst nach 30 Jahren, wenn für sie – wie zB für Zinsen, Abgaben, Renten oder Dienstleistungen, aber auch für Unterhaltsforderungen – sonst eine kürzere Verjährungsfrist gilt. Wird in einem Urteil jedoch nicht bloß auf Zahlung bereits verfallener, sondern auch auf die künftig anfallenden Zinsen erkannt, so unterliegen die nach der Rechtskraft des Urteils anfallenden Zinsen der in § 1480 ABGB festgesetzten dreijährigen Verjährung. Die in einem Urteil (oder Vergleich) für die Zukunft zuerkannten Zinsen verjähren daher in drei Jahren (RS0003297 [T1]; 3 Ob 126/95; 1 Ob 142/16p).

[14] Allerdings wird die Verjährung durch jede rechtskräftige Exekutionsbewilligung unterbrochen. Die Verjährung beginnt dann mit dem letzten Exekutionsschritt bzw mit der Beendigung der Exekution neu zu laufen (RS0085090; 1 Ob 142/16p).

[15] 2.1 Beendet ist die Exekution im Allgemeinen dann, wenn der betreibende Gläubiger nicht mehr damit rechnen kann, dass von Amts wegen weitere Exekutionsschritte gesetzt werden (RS0085090 [T2] = 3 Ob 2280/96g).

[16] 2.2 Zur Forderungsexekution auf unbeschränkt pfändbare einmalige Forderungen, wie etwa Bankguthaben, wird in der Rechtsprechung überwiegend vertreten, dass diese grundsätzlich mit der Zustellung der Exekutionsbewilligung (des Zahlungsverbots) an den Drittschuldner, spätestens aber mit der Ausfolgung des Erlöses an den betreibenden Gläubiger beendet ist (RS0085090). Eine Beendigung der Forderungsexekution nach § 294 EO nahm der Oberste Gerichtshof auch dann an, wenn ein weiterer Erfolg der Exekution auszuschließen war, etwa wenn gewiss war, dass die zur Einziehung überwiesene gepfändete Forderung geringer als die betriebene Forderung war und sich daher nicht zur vollständigen Befriedigung des betreibenden Gläubigers eignete (3 Ob 96/13h, Pkt 1.2; 3 Ob 206/15p, Pkt I.2).

[17] 2.3 Bei der hier zu beurteilenden Gehaltsexekution nach § 294a EO alt (nunmehr § 295 EO) handelt es sich um einen Sonderfall, weil diese auf die Einbringlichmachung wiederkehrender Geldleistungen gerichtet ist. In diesem Fall hat der Drittschuldner einen Tilgungsplan zu erstellen und die betriebenen Forderungen nach ihrem Rang so lange zu befriedigen, als dem Schuldner die gepfändeten Geldleistungen zustehen. Auch wenn keine weiteren gerichtlichen Exekutionshandlungen stattfinden und die gänzliche Befriedigung in der Regel nicht sogleich erfolgt, sind dennoch pflichtgemäße Drittschuldnerzahlungen ohne weiteres Zutun des Gläubigers in Zukunft zu erwarten, sodass ein weiterer Erfolg der Exekution keineswegs ausgeschlossen ist. Dementsprechend kann bei positiver Drittschuldnererklärung nicht gesagt werden, nach der Zustellung des Zahlungsverbots an den Drittschuldner fänden keine Exekutionsschritte im Rahmen der bewilligten Gehaltsexekution mehr statt und die Exekution stehe daher ohne weiteren Exekutionsantrag des betreibenden Gläubigers still. Im Gegenteil: Solange eine bewilligte Exekution anhängig ist, darf wegen der materiellen Rechtskraft der Exekutionsbewilligung dieselbe Exekution (dieselben Parteien, derselbe Exekutionstitel, derselbe betriebene Anspruch, dasselbe Exekutionsmittel und dasselbe Exekutionsobjekt) nicht noch einmal bewilligt werden.

[18] In diesem Sinn wurde in der Entscheidung zu 3 Ob 206/15p ausgeführt, dass eine Beendigung der Exekution dann vorliege, wenn diese durch Vollzugsmaßnahmen zum vollen Erfolg geführt habe, also das Ziel durch vollständige zwangsweise Befriedigung erreicht worden sei. Beendet sei eine Exekution darüber hinaus auch dann, wenn alle in Betracht kommenden Exekutionsschritte gesetzt seien, auch wenn das Ziel, nämlich die Befriedigung des betriebenen Anspruchs, nicht (zur Gänze) erreicht worden sei.

[19] 2.4 Ausgehend von den dargelegten Grundsätzen gelangt der Senat zum Ergebnis, dass die Gehaltsexekution mit der Zustellung des Drittverbots zwar kanalisiert (vgl 3 Ob 201/93; 3 Ob 247/10k), aber damit in verjährungsrechtlicher Hinsicht nicht auch beendet ist. Vielmehr kann unter dem Gesichtspunkt der Verjährung von der Beendigung der Gehaltsexekution erst dann ausgegangen werden, wenn sie zur vollständigen Befriedigung des betreibenden Gläubigers geführt hat oder im Rahmen der laufenden Exekution keine Drittschuldnerzahlungen mehr zu erwarten sind und der betreibende Gläubiger keinen zur Fortführung dieser Exekution erforderlichen Antrag stellt und mit keinen weiteren, ohne sein Zutun erfolgenden Vollzugsschritten rechnen kann.

[20] 2.5 Der Entscheidung zu 3 Ob 2280/96g, auf die sich der Kläger stützt, lag keine Exekution auf beschränkt pfändbare Forderungen (§ 290a EO) zugrunde und auch die tragende Begründung der Entscheidung zu 3 Ob 107/95 (EvBl 1996/100), auf die die Entscheidung zu 3 Ob 2280/96g verweist, nimmt nicht auf eine solche Exekution und keinen vergleichbaren Sachverhalt Bezug. Aus diesen Entscheidungen lässt sich für den Standpunkt des Klägers daher nichts gewinnen.

[21] 3. Zusammenfassend ist die Entscheidung des Berufungsgerichts damit nicht zu beanstanden. Der Revision war daher der Erfolg zu versagen.

[22] Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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