European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0090NC00016.24P.1024.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Die mit Beschluss des Bezirksgerichts Fünfhaus vom 20. August 2024, GZ 41 Ps 20/23x‑112 (nunmehr AZ 41 Ps 55/24w), gemäß § 111 JN verfügte Übertragung der Zuständigkeit zur Besorgung der Pflegschaftssache an das Bezirksgericht Villach wird genehmigt.
Begründung:
[1] Die beiden Minderjährigen sind die Kinder vonDr. G* und B*. Die Obsorge für beide Minderjährigen steht aufgrund eines Vergleichs vom 6. 6. 2024 beiden Eltern zu. Die hauptsächliche Betreuung des mj S* findet im Haushalt der Mutter (Sprengel des Bezirksgerichts Villach) statt, die des mj D* im Haushalt des Vaters (Sprengel des Bezirksgerichts Döbling). In dem Vergleich wurden auch die jeweiligen Kontaktrechte geregelt.
[2] Das Bezirksgericht Fünfhaus sprach daraufhin mit – zwischenzeitig rechtskräftigem – Beschluss vom 20. 8. 2024 aus, dass die Zuständigkeit zur Besorgung der Pflegschaftssache hinsichtlich der Personensache gemäß § 111 JN dem Bezirksgericht Villach übertragen wird, in dessen Sprengel dermj S* nun seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Das Verfahren habe bisher überwiegend die Belange des mj S* betroffen. Dieser sei auch jünger, weshalb das Verfahren länger für ihn zu führen sei.
[3] Das Bezirksgericht Villach lehnte die Übernahme des Akts mit der Begründung ab, dass das Verfahren für beide Kinder gemeinsam zu führen sei, eines der Kinder lebe in Wien. Bei der am Bezirksgericht Fünfhaus zuständigen Bearbeiterin sei von einer guten Aktenkenntnis und Kenntnis der Parteien auszugehen.
Rechtliche Beurteilung
[4] Das Bezirksgericht Fünfhaus legte den Akt dem Obersten Gerichtshof gemäß § 111 Abs 2 JN vor. Es verwies darauf, dass keiner der Minderjährigen mehr im Sprengel des Bezirksgerichts Fünfhaus aufhältig sei.
[5] 1. Das Pflegschaftsgericht kann gemäß § 111 Abs 1 JN die Zuständigkeit einem anderen Gericht übertragen, wenn dies im Interesse des Minderjährigen gelegen erscheint, insbesondere wenn dadurch die wirksame Handhabung des pflegschaftsgerichtlichen Schutzes voraussichtlich gefördert wird.
[6] 2. Die Voraussetzungen für eine Übertragung der Zuständigkeit gemäß § 111 Abs 1 JN liegen in der Regel dann vor, wenn die Pflegschaftssache jenem Gericht übertragen wird, in dessen Sprengel der Mittelpunkt der Lebensführung des Pflegebefohlenen liegt (RS0047027 [T10]).
[7] Maßgebend ist aber immer das Kindeswohl (RS0047074). Es kommt außerdem darauf an, ob durch die Übertragung der Zuständigkeit zur Besorgung der pflegschaftsgerichtlichen Geschäfte an das Gericht, in dessen Sprengel sich das Kind aufhält, die wirksame Handhabung des dem Pflegebefohlenen zugedachten pflegschaftsgerichtlichen Schutzes voraussichtlich befördert wird (RS0049144 [T2]).
[8] 3. Eine Aufsplitterung des Pflegschaftsverfahrens für mehrere Kinder soll tunlich vermieden werden (RS0047074 [T3]). Bei Geschwistern sind Maßnahmen aufeinander abzustimmen und werden Informationen aus der einen Pflegschaftssache auch für die andere benötigt.
[9] 4. Im vorliegenden Fall lebt jeweils einer der Minderjährigen bei einem der Elternteile, jedoch keines mehr im Sprengel des übertragenden Gerichts. Eine Teilung der Verfahren ist – wie ausgeführt – zu vermeiden. Allein der Umstand, dass das Verfahren bisher überwiegend die Belange des mj S* betroffen hat, reicht grundsätzlich nicht aus, eine Übertragung der Zuständigkeit zu rechtfertigen. Auch dass der mj D* 2028 volljährig wird, ist ebenfalls kein Grund, das Verfahren bereits jetzt am Wohnsitz seines Bruders zu führen. Allerdings wohnt derzeit keiner der Minderjährigen mehr im Sprengel des Bezirksgerichts Fünfhaus. Von keiner der Parteien wurde ein Einwand gegen die Übertragung an den Wohnsitz des mj S* erhoben. Offenbar wird auch von den Eltern eine Übertragung der Zuständigkeit als sinnvoll erachtet.
[10] 5. Aufgrund der Zusammenschau dieser Umstände ist daher die Übertragung der Pflegschaftssache an das Bezirksgericht Villach zu genehmigen.
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