OGH 1Ob48/24a

OGH1Ob48/24a24.10.2024

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofrätin und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Wessely‑Kristöfel und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Familienrechtssache der Antragstellerin Mag. P* H*, vertreten durch Dr. Wilfried Plattner, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen den Antragsgegner P* H*, vertreten durch Ing. Dr. Joachim Stock, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse, über die außerordentlichen Revisionsrekurse beider Parteien gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 16. Februar 2024, GZ 52 R 72/23d‑130, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Innsbruck vom 20. September 2023, GZ 33 Fam 18/19z‑123, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0010OB00048.24A.1024.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Familienrecht (ohne Unterhalt)

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

I. Dem Revisionsrekurs des Antragsgegners wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden im Umfang des Zuspruchs der dem Antragsgegner auferlegten Ausgleichszahlung von 490.000 EUR aufgehoben.

Dem Erstgericht wird die Beschlussfassung über die Ausgleichszahlung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Entscheidung über die das Revisionsrekursverfahren des Antragsgegners betreffenden Kosten wird dem Erstgericht vorbehalten.

II. Der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragstellerin wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Ehe der Parteien wurde 2018 geschieden. Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens ist ausschließlich die Höhe einer vom Mann nach § 91 Abs 3 iVm § 94 Abs 1 EheG zu leistenden Ausgleichszahlung für den Entfall der privaten Nutzung eines Hauses auf Mallorca, das im Eigentum eines wirtschaftlich dem Mann zuzurechnenden Unternehmens stand. Über das (sonstige) der Aufteilung unterliegende Vermögen schlossen die Parteien einen gerichtlichen Teilvergleich.

[2] Das Verfahren ist seit 2019 anhängig. Im ersten Rechtsgang wies der Senat Revisionsrekurse gegen einen zur – noch immer strittigen – Ausgleichszahlung ergangenen Aufhebungsbeschluss des Rekursgerichts zurück (1 Ob 12/22d). Aufgrund der Ergebnisse des fortgesetzten Verfahrens ist nun von folgendem Sachverhalt auszugehen:

[3] Dem Mann war als „wirtschaftlichem“ Eigentümer eines spanischen Unternehmens, dessen alleiniger Geschäftsführer er war, die Privatnutzung des unternehmenszugehörigen Hauses eingeräumt. Dieses Haus war 2008 um insgesamt 1.455.000 EUR „erworben“ worden, damit „dort Zeit mit der Familie“ verbracht werden konnte. Von 2013 bis 2017 verbrachten die damaligen Eheleute jeweils zwei Wochen im Jahr zu Urlaubszwecken in diesem – seit 2010 (gemeint offenkundig: sonst) fremdvermieteten – Haus, dies auch noch nach dem Auszug des Mannes aus der Ehewohnung Ende 2015. 2018 war die Frau (gemeinsam mit den beiden Kindern der Parteien) zwei Wochen auf Urlaub in Mallorca auf einer Liegenschaft des Vaters des Mannes. Die Miete für ein vergleichbares Nachbarhaus (wie das privat genutzte) beträgt in der Hauptsaison knapp 7.000 EUR in der Woche. Während des anhängigen Aufteilungsverfahrens wurde die Liegenschaft im April 2021 (um 1.460.000 EUR) verkauft. Auch nach dem Verkauf kann der Mann mit seiner neuen Familie Liegenschaften (richtig:) des von ihm kontrollierten Unternehmens auf Mallorca privat nutzen.

[4] Zum Nutzungsentgang brachte die Frau vor, das Ferienhaus sei von der Familie jährlich ca 13,5 Wochen genutzt worden, hauptsächlich in der Hochsaison (Schulferien). Für eine vergleichbare Villa in unmittelbarer Nähe würden pro Woche 6.237 EUR (zwischenzeitlich sogar 7.000 EUR) an Miete verlangt. Ihr Gebrauchsverlust belaufe sich daher auf 81.000 EUR jährlich, unter Berücksichtigung ihres Alters errechne sich ein Wert von 1.343.000 EUR.

[5] Der zwischenzeitliche Verkauf der Liegenschaft sei nur erfolgt, um ihren Anspruch zu vereiteln bzw zu reduzieren. Beim Verkaufdes Hauses handle es sich um ein Scheingeschäft, der Mann nutze es nach wie vor. Ihr Nutzungsrecht habe auch die Möglichkeit der Beherbergung von Freunden umfasst, es sei daher vom Gebrauchsverlust der gesamten Liegenschaft auszugehen. Die Vermietung der Liegenschaft sei ursprünglich nicht geplant gewesen, während aufrechter Lebensgemeinschaft habe sie als Feriendomizil während der gesamten Sommerferien und weiterer Ferienzeiten gedient. Die Reduktion der Familienurlaube ab 2013 sei darauf zurückzuführen, dass der Mann ab 2012 das Interesse daran verloren habe. Dies könne nicht zu ihren Lasten gehen. Die Parteien hätten beabsichtigt, das Haus auch als Alterssitz und auch ohne die dann erwachsenen Kinder zu verwenden.

[6] Der Mann hielt dem entgegen, die Liegenschaft sei zwischenzeitlich verkauft und im Mai 2021 übergeben worden. Seither könne er sienicht mehr nutzen. Sein spanisches Unternehmen beabsichtige, mit dem Verkaufserlös wiederum eine Liegenschaft anzukaufen, zu entwickeln, zwischenzeitlich zu vermieten und mit Gewinn zu veräußern. Da ihm der Gebrauch der Liegenschaft nicht erhalten bleibe, bestehe für die Frau kein Anspruch auf Berücksichtigung eines Gebrauchsverlustes. Der Verkauf habe nichts mit dem Ausgleichsanspruch der Frau zu tun, sondern sei aufgrund der hohen Betriebskosten und der damit einhergehenden Unwirtschaftlichkeit schon lange beabsichtigt gewesen. Seit der Übergabe dieser Liegenschaft nutze er für seine Aufenthalte eine andere Liegenschaft auf Mallorca.

[7] Die Liegenschaft sei von beiden Parteien und den beiden Kindern genutzt worden. Die Frau habe somit nicht die gesamte Liegenschaft nutzen können. Die Liegenschaft sei ab 2010 vermietet worden, von da an sei sie bis 2016 nur jeweils zwei Wochen in den Sommerferien für den Aufenthalt der Familie reserviert worden.

[8] Das Erstgericht verpflichtete den Mann zu einer Ausgleichszahlung von 180.000 EUR an die Frau. Bei der Ausgleichszahlung sei nicht vom Wert des Ferienhauses auszugehen, da dies einer wertmäßigen Einbeziehung in die Aufteilungsmasse gleichkäme, was § 82 EheG ja gerade zu vermeiden suche. Auszugehen sei von der Miete von 7.000 EUR wöchentlich für eine vergleichbare Villa. Aufenthalte in einem vergleichbaren Haus im Umfang von zwei Wochen für 15 Jahre würden daher 210.000 EUR kosten, die Hälfte davon entspräche 110.000 EUR. Dabei sei davon auszugehen, dass ein Firmen‑PKW auch keine längere Lebensdauer aufweise als 15 Jahre. Nach den Grundsätzen der Billigkeit erscheine eine Abgeltung in der Höhe von 180.000 EUR angemessen.

[9] Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Mannes nicht, der Frau jedoch teilweise Folge und verpflichtete den Mann zu einer Ausgleichszahlung von 490.000 EUR. Den ordentlichen Revisionsrekurs ließ es mangels über den Einzelfall hinausgehender Bedeutung nicht zu.

[10] Rechtlich führte es aus, die weitere Lebenserwartung der Frau betrage statistisch betrachtet „zum maßgeblichen Zeitpunkt (Einbringung des Aufteilungsantrags am 29. 3. 2019)“ 35 Jahre. Auf diesen Zeitpunkt sei deshalb abzustellen, weil der Gebrauchsnutzen ja bereits zuvor weggefallen sei und es nicht sachgerecht erscheine, wenn die nicht unwesentlich vom Gerieren der Parteien abhängige Dauer des Verfahrens den Anspruch schmälere. Bei einer jährlichen Nutzung im Ausmaß von zwei Wochen entspreche dies einer Gesamtnutzungsdauer von 70 Wochen. Da für ein vergleichbares Feriendomizil pro Woche knapp 7.000 EUR zu zahlen seien, ergebe dies 490.000 EUR. Eine Abzinsung dieses Betrags, die vom Mann gar nicht verlangt werde, sei nicht vorzunehmen, weil auch die zukünftig zu erwartenden Preissteigerungen für Ferienhäuser zu berücksichtigen seien. Eine „Quotierung des Nutzungsanteils“ der Frau infolge der gemeinsamen Nutzung der Liegenschaft während aufrechter ehelicher Lebensgemeinschaft erfolge nicht, weil das Feriendomizil aufgrund seiner Größe problemlos von mehreren Personen gleichzeitig genutzt werden konnte (anders als bei einem Kraftfahrzeug, dessen Nutzung durch mehrere Personen nicht zeitgleich erfolgen könne).

[11] Die Veräußerung der Liegenschaft durch das vom Mann beherrschte spanische Unternehmen sei für den Ausgleichsanspruch nicht relevant. Der Mann nütze nach dem Verkauf weiterhin eine andere Liegenschaft (auf Mallorca) für private Zwecke. Dass sein spanisches Unternehmen aus betriebswirtschaftlichen Gründen gezwungen gewesen wäre, die Liegenschaft (und nicht etwa die andere) zu veräußern, behaupte er nicht. Sein Argument, das Feriendomizil sei unwirtschaftlich gewesen, sei schon deshalb nicht nachvollziehbar, weil die Liegenschaft gerade als Feriendomizil für die Familie angeschafft worden und eine Vermietung ursprünglich nicht geplant gewesen sei. Daraus, dass die Liegenschaft samt Villa nach dem Vorbringen des Mannes bereits im Jahr 2018 zum Preis von 1,6 Mio EUR angeboten worden sei, drei Jahre später aber um einen wesentlich geringeren Preis von 1,46 Mio EUR veräußert worden sei und ein weiteres Jahr später vom Erwerber – nach Vornahme von Adaptionen in nicht feststellbarer Höhe – um 2,49 Mio EUR zum Verkauf angeboten worden sei, ergäben sich erhebliche Zweifel an einer von betriebswirtschaftlichen Überlegungen getragenen Entscheidung zur Veräußerung. Damit sei der Vorwurf der Frau nicht von der Hand zu weisen, wonach die Veräußerung allein ihren Ausgleichsanspruch vereiteln solle.

[12] Gegen diese Entscheidung richten sich außerordentliche Revisionsrekurse beider Seiten. Der Mann strebt den Entfall einer Ausgleichszahlung an, die Frau eine Erhöhung auf 1.343.000 EUR. Hilfsweise stellen beide Seiten Aufhebungsanträge.

Rechtliche Beurteilung

[13] I. Der außerordentliche Revisionsrekurs des Mannes, der nach Freistellung von der Frau beantwortet wurde, ist entgegen dem nach § 71 Abs 1 AußStrG nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts zulässig, weil (jüngere) Rechtsprechung zur Bemessung einer nach § 91 Abs 3 EheG iVm § 94 Abs 1 EheG aufzuerlegenden Ausgleichszahlung fehlt. Er ist auch berechtigt.

[14] 1. Der Anspruch der Frau besteht dem Grunde nach zu Recht:

[15] 1.1. Das Rekursgericht führte im ersten Rechtsgang aus, dass der Frau für die entgangene Nutzung des Hauses auf Mallorca ein Ausgleichsanspruch nach § 91 Abs 3 iVm § 94 Abs 1 EheG zustehe, und hob die angefochtene Entscheidung (nur) zur Ermittlung von deren Höhe auf. Der Senat wies die gegen diese Entscheidung gerichteten Rekurse beider Seiten zurück. Damit war die Frage, ob der Anspruch der Frau dem Grunde nach besteht, an sich abschließend geklärt.

[16] 1.2. Die während des Verfahrens erfolgte Veräußerung der Liegenschaft ist zwar als neue Tatsache nicht von vornherein unbeachtlich (RS0042031 [T3]). Sie kann aber am Ergebnis des ersten Rechtsgangs nichts ändern.

[17] (a) Maßgebend für die Qualifikation einer Sache als eheliche Ersparnis oder eheliches Gebrauchsvermögen ist nach ständiger Rechtsprechung der Zeitpunkt der Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft (RS0057331). Es ist kein Grund erkennbar, warum das nicht auch für die Anwendung von § 91 Abs 3 EheG gelten soll. Diese Bestimmung stellt ausdrücklich darauf ab, dass eine unternehmenszugehörige Sache „während aufrechter ehelicher Gemeinschaft“ dem Gebrauch beider Gatten gedient hat, und dass der Gebrauch nach der Scheidung einem der Gatten erhalten blieb. Das war hier nach den Feststellungen jedenfalls bis zur Veräußerung der Fall.

[18] (b) Die Veräußerung selbst beruhte – aufgrund seiner beherrschenden Stellung im Unternehmen – allein auf der Entscheidung des Mannes. Dabei bringt er selbst vor, dass dafür keine betriebswirtschaftliche Notwendigkeit bestand. Jedenfalls unter dieser Voraussetzung ist die Veräußerung, die der bisherigen Gestaltung der Lebensverhältnisse widersprach, nach der § 91 Abs 1 EheG zugrunde liegenden Wertung unbeachtlich. Diese Bestimmung erfasst auch Dispositionen nach Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft (RS0057933); sie soll verhindern, dass ein Ehegatte durch einseitiges Handeln die Grundlagen für die Aufteilungsentscheidung verändert (RS0057919). Genau dies träfe hier aber zu, hätte die Veräußerung dem Grunde oder auch der Höhe nach Einfluss auf den Anspruch der Frau. Besondere Umstände, weshalb dies im Einzelfall aus Gründen der Billigkeit anders gesehen werden könnte, sind nicht erkennbar: Für die Veräußerung bestand keine Notwendigkeit, und der Mann kann noch immer andere Liegenschaften des Unternehmens auf Mallorca privat nutzen.

[19] 2. Über die Höhe des Anspruchs kann noch nicht abschließend entschieden werden:

[20] 2.1. Ausgangspunkt für die Erwägungen zur Höhe der Ausgleichszahlung ist § 91 Abs 3 EheG. Diese Bestimmung lautet:

Gehört eine körperliche Sache, die während aufrechter ehelicher Lebensgemeinschaft dem Gebrauch beider Ehegatten gedient hat, zu einem Unternehmen, an dem einem der beiden Ehegatten ein Anteil zusteht, und bleibt nach Scheidung, Aufhebung oder Nichtigerklärung der Ehe nur einem Ehegatten der Gebrauch dieser Sache erhalten, so hat das Gericht dies bei der Aufteilung ehelichen Gebrauchsvermögens und ehelicher Ersparnisse zu Gunsten des anderen Ehegatten angemessen zu berücksichtigen.

 

[21] Diese Regelung sollte schon in der ursprünglichen Fassung von § 91 EheG – damals noch als dessen Abs 2 – die Konsequenzen der Unternehmensausnahme nach § 82 Abs 1 Z 3 EheG mildern: Zwar bleibt das auch privat genutzte Unternehmensvermögen als solches von der Aufteilung ausgeschlossen, doch hat das Gericht den Umstand des privaten Gebrauchs durch beide Gatten bei der nachehelichen Vermögensaufteilung zu Gunsten des anderen Ehegatten angemessen zu berücksichtigen.

[22] 2.2. In den Gesetzesmaterialien wird dazu als Beispiel ein Personenkraftwagen angeführt, der zum Unternehmen eines Ehegatten gehört, aber von beiden Ehegatten „auch“ für private Zwecke benützt wird. Der Umstand, dass dem Ehegatten, dem das Unternehmen gehört, das Fahrzeug auch nach der Scheidung der Ehe weiterhin zum privaten Gebrauch zur Verfügung stehen wird, „soll bei der Aufteilung entsprechend berücksichtigt werden“. Angezeigt erschiene es, ein zum ehelichen Gebrauchsvermögen gehörendes weiteres Fahrzeug dem anderen Ehegatten zuzuweisen (JAB 915 BlgNR 14. GP  19). In diesem Sinn erachtete der damals im Justizministerium federführende Ent (Die Eherechtsreform 1978, NZ 1979, 149 [155]) bei einem Haus, das neben der Verwendung für das Unternehmen „im Rahmen einer Sozialeinrichtung“ (gemeint offenkundig: für die Mitarbeiter des Unternehmens) auch privat genutzt wird, eine Aufteilung dergestalt für sachgerecht, dass dem Nichtunternehmerehegatten aus dem ehelichen Gebrauchsvermögen eine „andere“ Zweitwohnung zugewiesen wird.

[23] Diese (frühen) Äußerungen gehen einerseits davon aus, dass der im Wegfall der Nutzung von Unternehmensvermögen liegende „Nachteil“ des Nichtunternehmergatten durch die Zuweisung von Sachen aus der Aufteilungsmasse „auszugleichen“ ist. Eine vergleichbare Regelung für den Entfall der Nutzung von ehelichem Gebrauchsvermögen, das in die Ehe eingebracht, von Todes wegen erworben oder von einem Dritten geschenkt wurde und daher aus diesem Grund nicht der Aufteilung unterliegt (§ 81 Abs 1 Z 1 EheG), existiert demgegenüber nicht (vgl dazu Gitschthaler, Aufteilungsrecht3 [2022] Rz 364).

[24] Die Materialien und der ihnen folgende Ent scheinen anzunehmen, dass auch bei bloß teilweiser Nutzung einer unternehmenszugehörigen Sache ein voller Ausgleich – durch Zuweisung eines anderen Fahrzeugs oder einer anderen Zweitwohnung – erfolgen soll. Allerdings lässt sich das den jeweiligen Ausführungen nicht mit letzter Sicherheit entnehmen, da weder die Materialien noch Ent einen Bezug zur Aufteilungsquote oder zu sonstigen Billigkeitserwägungen herstellen.

[25] 2.3. Nach nun herrschender Auffassung kann ein Ausgleich nicht nur durch reale Zuweisung von Sachen aus der Aufteilungsmasse, sondern auch dadurch erreicht werden, dass der andere Ehegatte eine Ausgleichszahlung erhält (Schwind, Eherecht2 [1980] § 92 EheG Anm 2; Gitschthaler in Schwimann/Kodek, ABGB5 § 91 EheG Rz 17; Deixler‑Hübner in Gitschthaler/Höllwerth, EuPR2 § 91 EheG Rz 21; Garber in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 § 91 EheG Rz 82 mwN). Wenn Oberhumer (Unternehmen und Gesellschaftsanteile in der nachehelichen Vermögensaufteilung [2011] 438) in § 91 Abs 3 EheG eine taugliche Grundlage für eine Ausgleichszahlung vermisst, berücksichtigt er nicht § 94 Abs 1 EheG, der gerade auch für diese „vorstehende Bestimmung“ die Festsetzung einer Ausgleichszahlung vorsieht.

[26] 2.4. Eine solche Ausgleichszahlung tritt nach § 94 Abs 1 EheG an die Stelle der primär gebotenen Zuweisung von Sachen aus der Aufteilungsmasse (RS0057550). Für ihre Bemessung sind daher dieselben Erwägungen maßgebend, die auch einer solchen Zuweisung zugrunde zu legen wären. Dafür werden – soweit die Frage überhaupt näher erörtert wird – im Kern drei Auffassungen vertreten:

[27] (a) Die Materialien und Ent (oben Punkt 2.2.) scheinen den gesamten Wert der teilweise privat genutzten unternehmenszugehörigen Sache für relevant zu halten. Eine nähere Begründung enthalten diese Ausführungen jedoch nicht.

[28] (b) Nach Oberhumer (Unternehmen und Gesellschaftsanteile in der nachehelichen Vermögens-aufteilung [2011], 437),Deixler‑Hübner(Scheidung, Ehe und Lebensgemeinschaft14 [2023] 162) und Garber (in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 § 91 EheG Rz 82) ist der Wert der (auch) privat genutzten Sache zu ermitteln und der der Privatnutzung entsprechende Anteil der Aufteilung zugrunde zu legen. Bei einem Fahrzeug im Wert von 20.000 EUR, das zu 40 % privat genutzt wurde, wäre der Aufteilung daher ein anteiliger Wert von 8.000 EUR zugrunde zu legen, was bei einer Aufteilungsquote von 1 : 1 zur Zuweisung von der Aufteilung unterliegenden Sachen im Wert von 4.000 EUR oder zu einer Ausgleichszahlung in dieser Höhe führen müsste (Beispiel von Oberhumer aaO). Dieser Auffassung entspricht auch die (wenngleich ältere) Entscheidung des Obersten Gerichtshofs (2 Ob 654/87).

[29] (c) Dem wird vonGitschthaler (Aufteilungsrecht3 [2022] Rz 362) entgegengehalten, dass „damit die Sache selbst wertmäßig aufgeteilt“ würde. Auszugehen sei vielmehr vom Wert der entfallenen Privatnutzung. Dieser sei bei einem Firmenfahrzeug ausgehend von der jährlichen privaten Kilometerleistung und der voraussichtlichen Nutzungsdauer unter Zugrundelegung des amtlichen Kilometergeldes zu ermitteln, bei einem Wochenendhaus ausgehend von den Kosten eines Hotels im Umfang der bisherigen Privatnutzung auf Lebensdauer des Nichtunternehmergatten. Gitschthalers mit Zahlen unterlegten Beispiel zum Firmenfahrzeug ist zu entnehmen, dass er bei gemeinsamem Gebrauch der zum Unternehmen gehörenden Sache durch beide Gatten eine Ausgleichszahlung in halber Höhe des insgesamt entfallenden Gebrauchswerts für angemessen erachtet.

[30] 2.5. Nach Ansicht des Senats ist der Bemessung der Ausgleichszahlung (oder gegebenenfalls der ersatzweisen Zuweisung von Sachen aus der Aufteilungsmasse) zwar grundsätzlich der Wert des entgangenen Gebrauchs zugrunde zu legen. Dieser ist allerdings im Regelfall mit dem anteiligen Wert der Sache begrenzt.

[31] (a) § 91 Abs 3 EheG regelt (ungeachtet des nicht differenzierenden Wortlauts) in erster Linie den Ausgleich für den Wegfall der teilweisen privaten Nutzung einer zu einem Unternehmen gehörenden Sache durch beide Ehegatten. Unter teilweiser Nutzung ist dabei die abwechselnde Nutzung ein- und derselben Sache (oder eines real abgrenzbaren Teils davon) einmal für Unternehmenszwecke und das andere Mal für eheliche Zwecke zu verstehen. Davon abzugrenzen ist die teils private und teils unternehmerische Nutzung von unterschiedlichen Teilen einer Sache. Sie begrenzt zumindest bei realer Teilbarkeit schon die Reichweite der Unternehmensausnahme (1 Ob 241/22f mwN), sodass insofern nicht auf § 91 Abs 3 EheG zurückgegriffen werden muss.

[32] (b) Wird eine (formal) unternehmenszugehörige Sache (oder ein real abgrenzbarer Sachteil) ausschließlich für eheliche Zwecke genutzt, so wird jedenfalls bei Eigentum eines der Gatten eine Umwidmung in die Privatsphäre anzunehmen sein, sodass die Unternehmensausnahme von vornherein nicht anwendbar wäre. Die Sache fiele daher real in die Aufteilungsmasse, sodass ein Rückgriff auf § 91 Abs 3 EheG ebenfalls nicht erforderlich wäre. Wohl aus diesem Grund nennen sowohl die Materialien als auch das oben dargestellte Schrifttum für diese Bestimmung ausschließlich Beispiele, in denen – wie auch hier – eine abwechselnde Nutzung für unternehmerische und private Zwecke vorliegt. Dass die Materialien und Ent dennoch (anscheinend) einen vollen Ausgleich für die von der Aufteilung ausgenommene Sache, nämlich durch Zuweisung einer vergleichbaren Sache aus der Aufteilungsmasse, vertreten (oben 2.2.), ist auf dieser Grundlage nicht nachvollziehbar. Denn der Nichtunternehmer-gatte erhielte mit dem Eigentum an der ersatzweise zugewiesenen Sache eine umfassende Nutzungsmöglichkeit, was – unter Umständen deutlich – über die Nutzungsverhältnisse bei aufrechter ehelicher Gemeinschaft hinausginge. Dieser Ansicht kann daher – so sie den Materialien und Ent überhaupt unterstellt werden kann – nicht gefolgt werden.

[33] (c) Bei (wie hier) abwechselnder Nutzung könnte die Sache nach § 82 Abs 1 Z 3 EheG auch dann nicht in das Aufteilungsverfahren einbezogen und einem der Gatten zugewiesen werden, wenn sie (anders als hier) im Eigentum eines der Gatten stünde. Erst dadurch wird im Regelfall § 91 Abs 3 EheG relevant. Damit liegt es aber – worauf Gitschthaler (Aufteilungsrecht3 Rz 362) im Ausgangspunkt zutreffend hinweist – tatsächlich nahe, bei der der Anwendung dieser Bestimmung zunächst auf den Wert des entgangenen Gebrauchs abzustellen. Denn gerade dieser Wegfall des Gebrauchs soll durch diese Bestimmung zumindest teilweise ausgeglichen werden.

[34] (d) Die Ermittlung dieses Werts durch das Rekursgericht ist im Ansatz nicht zu beanstanden.

[35] Allerdings hat das Rekursgericht nicht beachtet, dass die Liegenschaft – wie § 91 Abs 3 EheG voraussetzt – dem (zeitweisen) Gebrauch beider Ehegatten gedient hatte. Auch der Gebrauchsentgang könnte daher der Frau nur im Ausmaß der Aufteilungsquote – also bei gleichwertigen Beiträgen im Regelfall zu 50 % (vgl RS0057501 [T3]) – zustehen. Weiters fingiert § 91 Abs 3 EheG eine weitere Nutzung wie bei aufrechter ehelicher Lebensgemeinschaft. Diese würde nicht nur mit dem Tod der Frau, sondern auch mit jenem des Mannes enden. Es wird daher auch seine Lebenserwartung zu ermitteln sein. Sollte diese unter jener der Frau liegen, wäre sie als Bezugsgröße für den entgangenen Gebrauchsnutzen heranzuziehen.

[36] (e) Allerdings substituiert § 91 Abs 3 EheG die Unzulässigkeit der Einbeziehung der Sache selbst in die Aufteilung. Diesem Regelungszweck liefe es zuwider, wenn der Nichtunternehmergatte durch Anwendung dieser Bestimmung mehr erhielte als dann, wenn der auf den Privatgebrauch entfallende anteilige Wert der Sache in die Aufteilung einbezogen würde.

[37] Eine solche wertmäßige Einbeziehung wäre grundsätzlich möglich: Der Unternehmergatte könnte einen den tatsächlichen Nutzungsverhältnissen entsprechenden ideellen Anteil der Sache – etwa durch Ausweisung eines „Privatanteils“ in den Büchern des Unternehmens – ausdrücklich der Privatsphäre widmen. In diesem Fall bliebe die Sache als solche (jedenfalls bei wertmäßigem Überwiegen des Unternehmensanteils) weiterhin von der Unternehmensausnahme erfasst. Der (Substanz‑)Wert des Privatanteils fiele aber in die Aufteilungsmasse. Er wäre daher bei der Aufteilung des (übrigen) Gebrauchsvermögens und der Ersparnisse und bei der Bemessung einer allfälligen Ausgleichszahlung zu berücksichtigen und käme wertmäßig dem anderen Gatten nach Maßgabe der Aufteilungsquote – bei Aufteilung im Verhältnis von 1 : 1 daher zur Hälfte – zugute. § 91 Abs 3 EheG wäre in diesem Fall nicht anwendbar, auf den Wert des „Gebrauchsnutzens“ käme es in diesem Fall nicht an.

[38] Ausgehend davon ist aber kein Grund erkennbar, weshalb im Gegensatz dazu bei Anwendung von § 91 Abs 3 EheG ein über den anteiligen (Substanz‑)Wert hinausgehender Gebrauchsnutzen berücksichtigt werden sollte. Dies könnte bei – wie hier – langer fiktiver Nutzungsdauer dazu führen, dass die Ausgleichszahlung deutlich höher ausfiele, als wenn der der Privatnutzung entsprechende anteilige Sachwert der Aufteilung zugrunde gelegt würde. Dafür fehlte jede sachliche Rechtfertigung.

[39] (f) Als Zwischenergebnis ist daher festzuhalten: Da § 91 Abs 3 EheG nur die (reale oder wertmäßige) Nichteinbeziehung der zum Unternehmen gehörenden Sache substituieren soll, kann seine Anwendung nicht dazu führen, dass der Nichtunternehmergatte durch Zuweisung des Werts eines Gebrauchsentgangs mehr erhielte als bei Einbeziehung eines der Privatnutzung entsprechenden Anteils am Wert der Sache in die Aufteilungsmasse. Rechnerisch bildet daher ein der Aufteilungsquote entsprechender Anteil des Privatanteils – vorbehaltlich einer im Einzelfall aus Billigkeitsgründen gebotenen Korrektur – die Obergrenze für die nach § 91 Abs 3 EheG gebotene Berücksichtigung des Gebrauchsentgangs.

[40] 2.6. Der Wert des fiktiven Privatanteils ist unter Rückgriff auf allgemeine Grundsätze des Aufteilungsverfahrens zu ermitteln:

[41] (a) Ausgangspunkt ist das Verhältnis zwischen privater und unternehmerischer Nutzung, also die „Privatquote“. Maßgebend dafür sind die Verhältnisse bei Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft (vgl RS0057331), wobei aber nach der Wertung des § 91 Abs 1 EheG eine nicht einvernehmliche Verminderung der Privatnutzung in den letzten zwei Jahren vor diesem Zeitpunkt nicht zu berücksichtigen wäre. Bei Ferienimmobilien wäre für die „Privatquote“ nicht schematisch auf die Anzahl der Wochen im Jahr abzustellen, sondern auf die Erträge bei üblicher Nutzung: Der jährliche Wert des Privatgebrauchs wäre dem erzielbaren Jahresertrag gegenüberzustellen. Eine einwöchige Nutzung in der Hochsaison mit typischerweise höheren Preisen wird daher zu einer „Privatquote“ führen, die über dem rechnerischen Anteil von 1/52 liegt.

[42] (b) Aufgrund der so ermittelten „Privatquote“ ist in einem nächsten Schritt – ausgehend vom Wert der Sache im Zeitpunkt der Entscheidung erster Instanz (RS0057644) – der Wert des (fiktiven) Privatanteils zu ermitteln. Wertsteigerungen durch Investitionen nach Auflösung der ehelichen Gemeinschaft hätten dabei außer Betracht zu bleiben (1 Ob 84/24w mwN). Ebenso unerheblich wäre – wie bereits ausgeführt – eine Veräußerung der Sache.

[43] 3. Auf dieser Grundlage sind die Beschlüsse der Vorinstanzen aufzuheben, und die Aufteilungssache ist zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

[44] Bei der Bestimmung des Gebrauchsnutzens werden die oben zu Punkt 2.5.d. angestellten Erwägungen zu berücksichtigen sein. Insbesondere ist die Lebenserwartung des Mannes zu ermitteln und gegebenenfalls statt jener der Frau für die Beurteilung heranzuziehen.

[45] Feststellungen zur oben dargestellten Vergleichsgröße fehlen. Im fortgesetzten Verfahren werden daher einerseits der Wert der Liegenschaft und andererseits der typischerweise zu erzielende Jahresertrag festzustellen sein. Auf dieser Grundlage ist der auf die Privatnutzung entfallende Anteil am Wert der Liegenschaft zu ermitteln. Würde dieser Wert in die Aufteilung einbezogen käme er wegen der unstrittigen Aufteilungsquote von 1 : 1 zur Hälfte der Frau zugute. Der so ermittelte Betrag wäre die Obergrenze für die Berücksichtigung des der Frau entgangenen Gebrauchsnutzens.

[46] 4. Die diese Entscheidung tragenden Erwägungen können wie folgt zusammengefasst werden:

Der Entgang des Gebrauchs einer zu einem Unternehmen gehörenden Sache kann nach § 91 Abs 3 iVm § 94 Abs 1 EheG zur Auferlegung einer Ausgleichszahlung führen. Ausgangspunkt für deren Bemessung ist der nach den Umständen des Einzelfalls zu ermittelnde Wert des entgangenen Gebrauchs. Die Ausgleichszahlung ist allerdings – vorbehaltlich einer im Einzelfall aus Billigkeitsgründen gebotenen Korrektur – mit jenem Betrag begrenzt, der sich aus der Einbeziehung des auf den Privatgebrauch entfallenden Anteils am Wert der Sache in die Aufteilungsmasse ergäbe.

[47] 6. Das Erstgericht hat die Kostenentscheidung vorbehalten (§ 78 Abs 1 Satz 2 AußStrG), sodass es auch über die das Revisionsrekursverfahren des Mannes betreffenden Kosten zu entscheiden hat.

[48] II. Der außerordentliche Revisionsrekurs der Frau ist nicht zulässig:

[49] 1. Entgegen der Ansicht der Frau kommt es nach § 91 Abs 3 EheG nicht darauf an, in welchem Ausmaß das Feriendomizil „zum Zeitpunkt der Anschaffung“ im Jahr 2008 genutzt wurde, sondern auf den während aufrechter ehelicher Lebensgemeinschaft bestehenden Gebrauch beider Ehegatten und damit in der Regel auf die Verhältnisse bei Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft.

[50] 2. Soweit die Frau ausgehend von einer behaupteten durchschnittlichen Nutzung der Villa von 13,5 Wochen pro Jahr einen (rechnerisch nicht nachvollziehbaren) Ausgleichsanspruch von 1.343.000 EUR anstrebt, entfernt sie sich von den getroffenen Feststellungen zur Nutzung des Feriendomizils von zuletzt zwei Wochen im Jahr, sodass der Revisionsrekurs insofern nicht gesetzmäßig ausgeführt ist (vgl RS0043603 [T2]).

[51] 3. Auch sonst zeigt der Revisionsrekurs der Frau keine erhebliche Rechtsfrage auf. Er ist daher zurückzuweisen.

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