European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0050OB00104.24S.1008.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 602,54 EUR (darin enthalten 100,42 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Die Ehe der Parteien wurde im Jahr 2007 geschieden. Der Beklagte verpflichtete sich mit Scheidungsfolgenvergleich zur Zahlung eines monatlichen Unterhalts von 1.020 EUR. Als Vergleichsgrundlage wurden das (damalige) Nettoeinkommen des Beklagten und ein Eigeneinkommen der Klägerin herangezogen. Für den Fall wesentlicher Änderungen der für die Unterhaltsbemessung maßgeblichen Umstände verpflichtete sich der Beklagte zur Zahlung eines Unterhalts an die Klägerin in der Höhe des um ein Fünftel reduzierten Unterhaltsbetrags nach § 66 EheG.
[2] Die Klägerin begehrte – soweit für das Revisionsverfahren von Relevanz – vom Beklagten, über sein Einkommen für den Zeitraum 1. 1. 2016 bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung insbesondere durch Vorlage im Einzelnen bezeichneter Unterlagen Rechnung zu legen und einen Eid zu leisten, dass seine Angaben richtig und vollständig sind. Sie stützte sich dabei auf Art XLII Abs 1 erster Fall EGZPO.
[3] Mit seinem Teilurteil verpflichtete das Erstgericht den Beklagten, das Gehaltskonto aus dem Jahr 2022 vorzulegen, und wies das Mehrbegehren, dem Beklagten auch die Vorlage der Lohnzettel für die Monate Jänner 2023 bis laufend, der Einkommensteuerbescheide 2021 und 2022 sowie der einkommensrelevanten Passagen seiner Dienstverträge im klagegegenständlichen Zeitraum und sämtlicher Zusätze hierzu sowie weiterer Vereinbarungen im Zusammenhang „mit Gehaltsumwandlungen, betrieblicher Zukunftsvorsorge udgl bzw sonstigen erst zukünftig fällig werdenden, jedoch für den klagsgegenständlichen Zeitraum angefallenen Leistungen“ aufzutragen, ab. Zum abweisenden Teil seiner Entscheidung führte es aus, dass die von der Klägerin begehrten Informationen aus den vom Beklagten bereits vorgelegten Einkommensunterlagen ersichtlich seien, womit es ihr möglich sei, ihren Unterhaltsanspruch über den begehrten Zeitraum hinweg konkret zu berechnen. Damit bestehe kein Interesse der Klägerin an der Vorlage dieser Urkunden.
[4] Das Gericht zweiter Instanz gab der Berufung der Klägerin teilweise Folge und verpflichtete den Beklagten auch zur Vorlage der Lohnzettel für die Monate Jänner bis April 2023, des Einkommenssteuerbescheids für das Jahr 2022 sowie zur Offenlegung der einkommensrelevanten Passagen seiner Dienstverträge für den Zeitraum 1. 1. 2016 bis 10. 5. 2023. Das Mehrbegehren wies es ebenfalls ab und trug dem Erstgericht die Entscheidung über das Begehren auf Eidesleistung nach Verfahrensergänzung auf. Die Revision gegen seine Entscheidung ließ es über Antrag der Klägerin gemäß § 508 ZPO nachträglich zu; indem es von einer Verpflichtung der Klägerin ausgegangen sei, die Existenz von Zusätzen zu den Dienstverträgen sowie der im Klagebegehren enthaltenen sonstigen Vereinbarungen zu bescheinigen, könnte es von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen sein.
Rechtliche Beurteilung
[5] Die vom Beklagten beantwortete Revision der Klägerin ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.
[6] 1. Besteht der Entscheidungsgegenstand – wie im vorliegenden Fall – nicht ausschließlich in einem Geldbetrag, hat das Berufungsgericht nach § 500 Abs 2 Z 1 ZPO in seinem Urteil auszusprechen, ob der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 5.000 EUR und bejahendenfalls, ob er auch 30.000 EUR übersteigt. Hier hat das Berufungsgericht zwar nicht ausdrücklich ausgesprochen, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR übersteigt, mit seinem Ausspruch, dass er nicht über 30.000 EUR liegt, aber deutlich zum Ausdruck gebracht, dass der von ihm beurteilte Entscheidungsgegenstand die Wertgrenze von 5.000 EUR übersteigt.
[7] 2. Zweck der Rechnungslegungspflicht gemäß Art XLII Abs 1 erster Fall EGZPO ist es, den Berechtigten in die Lage zu versetzen, Leistungsansprüche gegen den Rechnungslegungspflichtigen festzustellen und geltend zu machen (RS0106851 [T1]; RS0035044 [T7]; vgl auch RS0019529). Der Umfang der Rechnungslegungspflicht ist daher nach der Natur des Geschäfts und den Umständen des Einzelfalls bzw nach der Verkehrsübung zu beurteilen (RS0035044; RS0106851 [T4]).
[8] 2.1. Geht es um Unterhaltsansprüche, ist Zweck des Rechnungslegungsbegehrens, die Unterhaltsbemessungsgrundlage als Basis für die Berechnung des Unterhaltsanspruchs der Klägerin offen zu legen (RS0019529 [T14]; 3 Ob 29/23w Rz 15 mwN). Zwar kann nicht generell gesagt werden, ob der Rechnungslegungspflicht (schon) durch die Vorlage aller Kontoauszüge mit allen bezughabenden Belegen über einen bestimmten Zeitraum genügt wird (RS0019529 [T10]). Im Einzelfall hat es der Oberste Gerichtshof aber bereits ausreichen lassen, dass dem Rechnungslegungsbegehren des Unterhaltsberechtigten durch Vorlage der Steuererklärungen samt deren Beilagen bereits entsprochen wurde (2 Ob 261/12i).
[9] 2.2. Auch das Berufungsgericht ging davon aus, dass es ausreicht, wenn der Beklagte alle Unterlagen, die für die Ermittlung der Unterhaltsbemessungsgrundlage erforderlich sind, vorlegt und damit seine Verpflichtung erfüllt. Das ist im Einzelfall schon deshalb nicht zu beanstanden, weil auch die Klägerin mit ihrem auf Art XLII erster Fall EGZPO gestützten Begehren ebenfalls auf die Vorlage aller dafür relevanten Unterlagen abzielte. Eine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung durch das Berufungsgericht und damit eine erhebliche Rechtsfrage, weil über ihr Rechnungslegungsbegehren nicht formell abgesprochen worden sei, wie die Klägerin meint, liegt damit nicht vor.
[10] 2.3. Nach jüngerer Rechtsprechung kann auch das Rechnungslegungsbegehren mit einem Begehren auf Ablegung eines Eids verbunden werden (3 Ob 29/23w Rz 12 mwN). Soweit die Klägerin dazu bemängelt, dass über ihr Eidesleistungsbegehren nicht erkannt worden sei, übergeht sie, dass das Berufungsgericht dem Erstgericht ausdrücklich aufgetragen hat, darüber im fortgesetzten Verfahren abzusprechen.
[11] 3. Sämtliche sich auf eine Rechnungslegung beziehenden Begehren setzen ein privatrechtliches Interesse an der Auskunftserteilung voraus (vgl 3 Ob 29/23w Rz 19 mwN). Das Begehren darf über das Ausmaß des nach ihrem Zweck Erforderlichen nicht hinausgehen (vgl RS0120237). Die Auskunftserteilung bzw Einsichtnahme ist daher nur insoweit berechtigt, als die Interessenabwägung zugunsten der Klägerin ausfällt. Das gilt auch im Zusammenhang mit der Ermittlung von Unterhaltsansprüchen (vgl RS0122058) und damit auch für die Vorlage der für ihre Bemessung erforderlichen Grundlagen.
[12] 3.1. Nach dem festgestellten Sachverhalt besteht das Einkommen des Beklagten aus einem Fixum und „dienstvertraglich geregelten Remunerationen“. Die vom Beklagten vorgelegten Gehaltskonten geben danach Auskunft darüber, welche Bezüge er aus seiner konkreten beruflichen Tätigkeit bezieht. Inwieweit sie trotz der vom Beklagten bereits vorgelegten Gehaltskonten – und damit umso mehr anhand der zusätzlich vom Berufungsgericht aufgetragenen Vorlage ua der einkommensrelevanten Passagen seiner Dienstverträge für den hier relevanten Zeitraum – nicht in der Lage sein sollte, die Leistungsfähigkeit des Beklagten und somit dessen Unterhaltspflicht abschließend zu beurteilen, und damit ihr Interesse an der Vorlage weiterer Unterlagen, vermag die Klägerin auf Basis der den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen nicht schlüssig darzustellen.
[13] 3.2. Darauf, dass aus den vorgelegten Gehaltskonten ersichtlich ist, dass der Arbeitgeber Beiträge zur Pensionskasse leistet, hat schon das Erstgericht hingewiesen. Das übergeht die Klägerin – wie bereits in ihrer Berufung – und legt im Revisionsverfahren auch nicht dar, inwieweit es weiterer Informationen bedürfte, um diesen Punkt beurteilen zu können.
[14] 3.3. Das Beweisverfahren hat entgegen der Ansicht der Klägerin auch keine konkreten Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Beklagte über die Regelungen in seinen Dienstverträgen hinaus über weiteres Einkommen in Geld oder in nennenswerten geldwerten Leistungen (Sachbezüge mit Einkommensersatzfunktion) bezieht. Damit ist schon nicht erkennbar, worin ihr Interesse an der Vorlage weiterer Unterlagen bestehen soll. Ein solches kann sie mit ihrem allgemein und völlig unspezifisch gehaltenen Verweis auf mögliche Einkommensbestandteile „auf Managementebene“ auch nicht nachvollziehbar darlegen, zumal sie sich mit den Ergebnissen des Beweisverfahrens auch nicht näher auseinandersetzt. Mit der von ihr in diesem Zusammenhang allein relevierten Frage, ob es einen Erkundungsbeweis (vgl dazu 3 Ob 29/23w Rz 19) darstellen kann, wenn die Vorlage weiterer Unterlagen begehrt wird, vermag sie bei dieser Sachlage daher weder eine erhebliche Rechtsfrage, noch eine im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung durch das Berufungsgericht aufzuzeigen.
[15] 4. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
[16] 5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 iVm § 50 ZPO. Im Zwischenstreit über die mangels erheblicher Rechtsfrage verneinte Zulässigkeit des Rechtsmittels gegen ein Teilurteil findet ein Kostenvorbehalt nach § 52 ZPO nicht statt (RS0123222 [T9]). Der Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen und daher Anspruch auf Ersatz der Kosten für die Revisionsbeantwortung (RS0123222 [T8]).
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