European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0010OB00133.24A.0925.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Begründung:
[1] Der Antragsteller brachte beim Landesgericht Wiener Neustadt einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Erhebung einer Amtshaftungsklage gegen den Bund ein. Dabei stützte er sich auf ein Fehlverhalten von Organen des Bezirksgerichts Mödling und des Landesgerichts Wiener Neustadt. Er beantragte eine Delegierung gemäß § 9 Abs 4 AHG an das Landesgericht Krems an der Donau.
[2] Das angerufene Landesgericht Wiener Neustadt legte den Akt dem Oberlandesgericht Wien zur Entscheidung nach § 9 Abs 4 AHG vor.
[3] Mit dem angefochtenen Beschluss bestimmte dieses das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien zur Entscheidung über den Verfahrenshilfeantrag sowie zur Verhandlung und Entscheidung im allfälligen weiteren Verfahren über die Amtshaftungsklage als zuständig.
Rechtliche Beurteilung
[4] Der dagegen erhobene Rekurs des Antragstellers ist zulässig, aber nicht berechtigt:
[5] 1. Das Oberlandesgericht Wien hat über die Delegierung nicht als Rekursgericht, sondern als Erstgericht entschieden. Das gegen seine Entscheidung gerichtete Rechtsmittel ist daher kein Revisionsrekurs iSd § 528 ZPO, sondern ein Rekurs gegen einen erstinstanzlichen Beschluss (1 Ob 80/02z mwN; RS0046243). Schon aus diesem Grund gilt weder das in § 528 Abs 1 ZPO vorgesehene Erfordernis einer erheblichen Rechtsfrage (RS0116349), noch ist der in § 528 Abs 2 Z 4 ZPO vorgesehene Rechtsmittelausschluss für Entscheidungen „über die Verfahrenshilfe“ anwendbar. Das letztgenannte Ergebnis erzielten einzelne Entscheidungen zwar aufgrund der Erwägung, dass die Delegierung keine Entscheidung „über“ die Verfahrenshilfe iSd Z 4 sei (RS0105630; 1 Ob 19/16z). Richtigerweise kommt es darauf aber nicht an, weil § 528 ZPO von vornherein nicht anwendbar ist. Der Anfechtungsausschluss des § 517 ZPO steht einer Anrufung des Obersten Gerichtshofs hier – der Antragsteller behauptet eine Ersatzforderung von mehr als 2.700 EUR – nicht entgegen (RS0116349). Da die Frage, an welches Gericht zur Bewilligung oder Versagung der Verfahrenshilfe und zur Führung des allfälligen weiteren Verfahrens zu delegieren ist, zu den von der Anwaltspflicht befreiten Verfahrenshilfefragen zählt (RS0111570), bedurfte der Rekurs an den Obersten Gerichtshof auch keiner anwaltlichen Unterfertigung.
[6] 2. Nach § 9 Abs 4 AHG ist ua dann ein anderer Gerichtshof erster Instanz als zuständig zu bestimmen, wenn Amtshaftungsansprüche aus einer Entscheidung des zuständigen Landesgerichts oder des ihm im Rechtsmittelzug übergeordneten Oberlandesgerichts abgeleitet werden. Dies gilt auch für das einem Amtshaftungsprozess vorausgehende Verfahrenshilfeverfahren (RS0122241). Nur wenn Ansprüche aus einem Verhalten von Organen eines Oberlandesgerichts ableitet würden, wäre ein Landesgericht außerhalb dessen Sprengel als zuständig zu bestimmen (vgl RS0050128 [T1]).
[7] 3. Da der Antragsteller seinen Anspruch aus keinem Fehlverhalten von Organen des Oberlandegerichts Wien ableitete, entspricht die angefochtene Entscheidung der Rechtslage. Für die im Rekurs angestrebte Delegierung an das Landesgericht Linz besteht keine Grundlage.
[8] 4. Dass die Delegierung an das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien (und nicht an das im Antrag genannte Landesgericht Krems an der Donau) unzweckmäßig gewesen wäre, ist nicht ersichtlich. Dass beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien bereits Amtshaftungsverfahren des Klägers anhängig seien, spricht nicht gegen eine Delegierung an dieses Gericht (vgl 1 Nc 64/08i). Mit dem Hinweis, dass der vom Antragsteller ursprünglich angestrebten Delegierung an das Landesgericht Krems an der Donau nicht „nähergetreten“ werde, wies das Oberlandesgericht Wien nur darauf hin, dass ein Vorgehen nach § 9 Abs 4 AHG der Parteiendisposition entzogen ist (RS0050131).
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