OGH 7Ob117/24t

OGH7Ob117/24t28.8.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Solé als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich, Dr. Weber und Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J*, vertreten durch Mag. Thomas Borowan, Rechtsanwalt in Spittal an der Drau, gegen die beklagte Partei H* AG, *, vertreten durch Lederer Hoff & Apfelbacher Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 31.159,35 EUR sA und Feststellung über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 6. Juni 2024, GZ 2 R 67/24a-28, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0070OB00117.24T.0828.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Versicherungsvertragsrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Der Kläger schloss bei der Beklagten im August 2020 einen Vertrag über eine Berufsunfähigkeitsversicherung ab. Dabei beantwortete er zahlreiche Fragen zu seinem Gesundheitszustand unrichtig und unvollständig. Die Beklagte trat deshalb 2022 vom Vertrag zurück und erklärte in der Folge auch die Anfechtung des Vertrags wegen arglistiger Täuschung.

[2] Der Kläger forderte von der Beklagten die Versicherungsleistung aus seiner Berufsunfähigkeits-versicherung, weil er mittlerweile berufsunfähig sei, sowie die Feststellung des aufrechten Bestehens des Versicherungs-vertrags.

[3] Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab, weil die Beklagte den Vertrag wegen der arglistigen Täuschung durch den Kläger erfolgreich angefochten habe und damit leistungsfrei sei.

Rechtliche Beurteilung

[4] Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers, mit der er keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzeigt:

[5] 1. Nach ständiger Rechtsprechung hat der den Versicherungsvertrag wegen arglistiger Täuschung über Gefahrenumstände im Sinn des § 22 VersVG anfechtende Versicherer das Vorliegen der Arglist durch den Täuschenden zu beweisen (RS0103030). Arglist ist die (bedingt) vorsätzliche Herbeiführung oder die Ausnützung eines schon vorhandenen Irrtums (RS0130762 [T1]). Eine arglistige Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht gemäß § 22 VersVG ist gegeben, wenn der Versicherungsnehmer nicht nur die verschwiegene oder unrichtig angezeigte Tatsache kannte, sondern um die Erheblichkeit dieser Tatsache für den Versicherer wusste. Arglist liegt demnach vor, wenn der Getäuschte absichtlich oder doch bewusst durch unrichtige Vorstellungen zur Einwilligung in einen Vertragsabschluss gebracht wurde (7 Ob 119/17a; 7 Ob 218/23v). Erheblich sind Gefahrenumstände, die geeignet sind, auf den Entschluss des Versicherers, den Vertrag überhaupt oder zu dem vereinbarten Inhalt abzuschließen, Einfluss auszuüben (RS0080637 [T2]).

[6] 2. Ob die Voraussetzungen für die Annahme von Arglist vorliegen, ist eine Tatfrage. Es besteht kein allgemeiner Erfahrungssatz, dass ein Versicherungsnehmer, der Antragsfragen bewusst unrichtig beantwortet, regelmäßig auch mit Arglist in Bezug auf die Willensbildung des Versicherers gehandelt hat (RS0103030). Vielmehr erfordert Arglist im Sinn des § 22 VersVG, dass der Versicherungsnehmer durch die Falsch- oder Nichtbeantwortung auf die Entscheidung des Versicherers Einfluss nehmen will und sich bewusst ist, dass der Versicherer möglicherweise seinen Antrag nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen annehmen wird, wenn er (vollständig) die Wahrheit sagt (7 Ob 218/23v mwN).

[7] 3. Bei der Beurteilung der Frage, ob die Voraussetzungen des (gemäß § 22 VersVG anwendbar bleibenden) § 870 ABGB erfüllt sind, kommt es maßgeblich auf die Umstände des jeweiligen Einzelfalls an (RS0014829 [T4]).

[8] 4. Der Kläger argumentiert in seiner Revision, die Vorinstanzen hätten die Beweislastregeln zum Vorliegen einer arglistigen Täuschung durch den Versicherungsnehmer unrichtig angewandt. Dabei übersieht er, dass das Erstgericht festgestellt hat, dass der Kläger durch die Falschbeantwortung mehrerer Fragen zu seinem Gesundheitszustand bewusst und gewollt auf die Entscheidung der Beklagten, den gegenständlichen Vertrag abschließen zu wollen, Einfluss nehmen wollte und es zumindest ernstlich für möglich hielt und sich damit abfand, dass die Beklagte möglicherweise seinen Antrag nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen annehmen würde, wenn er die Wahrheit sagt. Die Rechtsansicht der Vorinstanzen hält sich damit im Rahmen der dargestellten Rechtsprechung und ist deshalb nicht korrekturbedürftig.

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