OGH 14Ns43/24w

OGH14Ns43/24w31.7.2024

Der Oberste Gerichtshof hat am 31. Juli 2024 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Nordmeyer, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz‑Hummel LL.M. sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart des Schriftführers Faulhammer LL.M. (WU) in der Strafsache gegen * P* wegen des Vergehens der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 2 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung, AZ 14 U 167/24s des Bezirksgerichts Josefstadt, über den Kompetenzkonflikt zwischen diesem Gericht und dem Bezirksgericht Linz nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0140NS00043.24W.0731.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Das Hauptverfahren ist vom Bezirksgericht Linz zu führen.

 

Gründe:

[1] Mit am 26. Juni 2024 beim Bezirksgericht Josefstadt zu AZ 14 U 167/24s eingebrachtem Strafantrag legt die Staatsanwaltschaft Wien * P* ein dem Vergehen der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 2 StGB subsumiertes Verhalten zur Last, das dieser am 30. Mai 2024 in W* begangen habe.

[2] Am 27. Juni 2024 langte beim Bezirksgericht Linz zu AZ 72 U 75/24k ein Strafantrag der Staatsanwaltschaft Linz ein, in welchem P* ein vom 1. Februar bis zum 30. Mai 2024 gesetztes, dem Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB subsumiertes Verhalten vorgeworfen wird.

[3] Die Einzelrichterin dieses Gerichts verfügte am 27. Juni 2024 die Abtretung dieses Verfahrens an das Bezirksgericht Josefstadt „zur Einbeziehung“ in dessen oben genanntes Verfahren (ON 1.3 [im Akt 72 U 75/24k]).

[4] Der Einzelrichter des Bezirksgerichts Josefstadt wiederum verfügte am 28. Juni 2024 die Übermittlung seines Aktes zu AZ 14 U 167/24s an das Bezirksgericht Linz „zur Einbeziehung“ in dessen Verfahren zu AZ 72 U 75/24k (ON 1.3).

[5] Dieses verweigerte die Verbindung der Verfahren mit dem Hinweis auf die bereits zuvor verfügte Abtretung an das Bezirksgericht Josefstadt (ON 1.4), welches die Akten gemäß § 38 dritter Satz StPO dem Obersten Gerichtshof vorlegte.

Dieser hat erwogen:

Rechtliche Beurteilung

[6] Nach § 37 Abs 3 erster Halbsatz StPO sind, sofern zu dem Zeitpunkt, zu dem die Anklage rechtswirksam wird, ein (anderes) Hauptverfahren gegen den Angeklagten anhängig ist, die Verfahren zu verbinden. Das verbundene Verfahren kommt in Ermangelung eines vorrangigen Anknüpfungstatbestands (vgl § 37 Abs 2 erster Satz StPO) jenem Gericht zu, bei dem die Anklage zuerst rechtswirksam geworden ist (§ 37 Abs 3 StPO).

[7] § 37 Abs 3 StPO gilt auch im bezirksgerichtlichen Verfahren. Die damit erforderliche (vgl auch § 4 Abs 2 StPO) Rechtswirksamkeit eines Strafantrags kommt in diesen Verfahren nicht in einem förmlichen Beschluss zum Ausdruck, sondern im Akt der Einleitung des Hauptverfahrens, also in der Anordnung der Hauptverhandlung (§ 450 StPO; Wiederin, WK‑StPO § 4 Rz 65 ff, 73). Darunter ist jedes Verhalten des Gerichts zu verstehen, das die Bejahung der Prozessvoraussetzungen unmissverständlich erkennen lässt. Anordnung der Hauptverhandlung ist somit jede Entscheidung, deren Ergebnis keines nach § 450 erster Satz StPO (beschlussförmiger Ausspruch der sachlichen Unzuständigkeit), § 451 Abs 2 StPO (beschlussförmige Verfahrenseinstellung) oder § 38 StPO (Wahrnehmung eigener Unzuständigkeit nach § 36 Abs 3 und 5; § 37 Abs 1 und 2 StPO [also ohne Berücksichtigung einer erst danach gebotenen Verfahrensverbindung]) ist, also jeder contrarius actus dazu.

[8] Darunter fallen nicht nur dem Gesetzeswortlaut entsprechende Verfügungen auf „Anordnung der Hauptverhandlung“, sondern auch sonstige Prozesshandlungen, etwa die – hier von beiden beteiligten Gerichten verfügte – Übermittlung der Akten an ein anderes Gericht zwecks Verfahrensverbindung (RIS‑Justiz RS0132157 [T1]).

[9] Da das Bezirksgericht Linz eine solche Verfügung früher (nämlich am 27. Juni 2024) setzte, wurde der Strafantrag in dessen Verfahren zuerst rechtswirksam, weshalb dieses Gericht für das gemeinsam zu führende Hauptverfahren zuständig ist.

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