European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0050OB00068.24X.0704.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Die beiden Streitteile sind Eigentümer von Liegenschaftsanteilen verbunden mit Wohnungseigentum an jeweils mehreren Objekten in einem Haus in Wien. Im Zusammenhang mit dem Wohnungseigentumsvertrag 2009 vereinbarten die Parteien, dass sämtliche Wohnungseigentumsobjekte des Beklagten „ungeachtet der Widmungsbezeichnung im Nutzwertgutachten sowohl als Wohnungen als auch als Geschäftsräumlichkeiten jedweder Art, insbesondere auch als Gaststätten, Büroräumlichkeiten oder Ordinationen genützt werden dürfen“. Im Nutzwertgutachten wurden sämtliche Objekte des Beklagten als „Geschäftsraum“ gewidmet.
[2] Gegenstand des Rechtsstreits ist ein Unterlassungs- und Beseitigungsbegehren des Klägers gegen den Beklagten, der drei seiner Wohnungseigentumsobjekte an zwei Gesellschaften vermietete, die ihrerseits diese Objekte als (insgesamt sechs) „* Apartments *“ anbieten (fünf dieser Apartments können tageweise angemietet werden und eines nicht unter der Dauer von einem Monat). Damit im Zusammenhang wurden vor dem Hauseingangstor an der Fassade ein Zahlencode‑Türöffner sowie ein Geschäftsschild angebracht.
Rechtliche Beurteilung
[3] Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab.
[4] In seiner außerordentlichen Revision dagegen zeigt der Kläger keine Rechtsfrage von der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität auf.
[5] 1.1 Nach ständiger Rechtsprechung ist für die Frage der Widmung auf die privatrechtliche Einigung der Wohnungseigentümer (in der Regel im Wohnungseigentumsvertrag) abzustellen (RS0120725; RS0119528 [T4]). Die Frage nach dem Zustandekommen sowie nach dem Inhalt einer Widmung hängt regelmäßig von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab (vgl RS0120725 [T3]), sodass eine erhebliche Rechtsfrage nur dann vorliegt, wenn das Berufungsgericht infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt hat (5 Ob 134/22z mwN).
[6] 1.2 Der Wohnungseigentümer, der eine Widmungsänderung iSd § 16 Abs 2 WEG ohne vorherige Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer und ohne Genehmigung des Außerstreitrichters vornimmt, handelt in unerlaubter Eigenmacht und kann im streitigen Rechtsweg petitorisch mit Klage nach § 523 ABGB zur Beseitigung der Änderung und Wiederherstellung des früheren Zustands sowie gegebenenfalls auf Unterlassung verhalten werden (RS0083156; RS0005944). Zu prüfen ist dabei die Genehmigungsbedürftigkeit und Eigenmacht der Änderung als Vorfrage für die Berechtigung eines Unterlassungs- und Wiederherstellungsbegehrens; die Genehmigungsfähigkeit ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens (RS0083156 [T20]).
[7] 1.3 Besteht keine spezifische Geschäftsraumwidmung, war also kein bestimmter Geschäftsbetrieb im Wohnungseigentumsobjekt Grundlage des Wohnungseigentumsvertrags, dann haben sich die Mit- und Wohnungseigentümer schon bei der Begründung des Wohnungseigentums grundsätzlich mit jeder Art der Verwendung des Geschäftslokals einverstanden erklärt, sind also zur Abwehr „eigenmächtiger“ Änderungen nur dort berechtigt, wo die Grenzen des Verkehrsüblichen überschritten werden (vgl RS0119528; 5 Ob 105/16a; 5 Ob 227/04z). Die Verkehrsüblichkeit ist eine Frage des Einzelfalls (RS0119528 [T8]).
[8] 2.1 Nach den Feststellungen haben die Parteien bei Abschluss des Wohnungseigentumsvertrags ausdrücklich festgehalten, dass der Beklagte sich die Nutzung seiner Objekte „offen halten“ wollte. Sie haben für die dem Beklagten gehörenden Objekte eine unspezifizierte Geschäftsraumwidmung vereinbart, die unter anderem jedenfalls auch die Nutzung als Ordination oder als Gaststätte umfassen sollte. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, nach der die beanstandete (teilweise) Verwendung von drei (näher bezeichneten) Geschäftsräumlichkeiten der Beklagten zur Kurzzeitvermietung keine Widmungsänderung bedeutet, ist nicht korrekturbedürftig. Entgegen der Rechtsansicht des Klägers ist kein „Spannungsverhältnis zu den Prinzipien der Rechtssicherheit“ erkennbar, wenn der Beklagte (bzw dessen Mieterin) eine Geschäftstätigkeit ausübt, die bei Festlegung der – unspezifizierten – Widmung als Geschäftslokal noch nicht üblich oder „vorhersehbar“ war, denn eine Einschränkung auf bestimmte („historische“) Geschäftstätigkeiten haben die Parteien hier gerade nicht vereinbart. Die Behauptung, das Berufungsgericht habe den Wohnungseigentumsvertrag „denkunmöglich ausgelegt“, ist damit ebenfalls nicht nachvollziehbar.
[9] 2.2 Auf eine Überschreitung der Grenzen des Verkehrsüblichen hat sich der Kläger nicht gestützt und eine solche ist hier auch nicht erkennbar. Soweit der Kläger argumentiert, er habe sich nicht mit „zukünftig eintretenden Geschäftszweigen“ einverstanden erklärt, entfernt er sich vom Sachverhalt, weil die unspezifizierte Widmung als Geschäftslokale sowie die Parteiabsicht, die Nutzungsmöglichkeiten nicht einzuschränken, feststeht. Entgegen der Auffassung des Klägers hätte es daher auch nicht einer gesonderten schriftlichen Vereinbarung einer Widmungserklärung für „alle zukünftig entstehenden Geschäftsmodelle“ bedurft, um die beanstandete Nutzung nicht als genehmigungsbedürftige Änderung anzusehen.
[10] 2.3 Auf die mit seinem ursprünglich erhobenen Beseitigungsbegehren bekämpfte Anbringung des Zahlencode-Türöffners sowie des Geschäftsschilds kommt das Rechtsmittel nicht mehr zurück. Insgesamt wird damit in der außerordentlichen Revision keine erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt.
[11] 3. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)