OGH 12Os26/24a

OGH12Os26/24a27.6.2024

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. Juni 2024 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Oshidari, Dr. Brenner, Dr. Haslwanter LL.M. und Dr. Sadoghi in Gegenwart des Schriftführers Richteramtsanwärter Edermaier‑Edermayr LL.M. (WU) in der Strafsache gegen * G* und einen Angeklagten wegen des Vergehens der Hehlerei nach § 164 Abs 1 und 3 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten * G* gegen das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt als Schöffengericht vom 12. Oktober 2023, GZ 8 Hv 72/23x‑120, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0120OS00026.24A.0627.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

 

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil aufgehoben und es wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Eisenstadt verwiesen.

Mit ihrer Nichtigkeitsbeschwerde und ihrer Berufung wird die Angeklagte * G* auf diese Entscheidung verwiesen.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurden * G* und * T* jeweils des Vergehens der Hehlerei nach § 164 Abs 1 und 3 StGB schuldig erkannt.

[2] Danach haben die Genannten * N* als Täter einer mit Strafe bedrohten Handlung gegen fremdes Vermögen nach der Tat dabei unterstützt, eine Sache im Wert von mehr als 5.000 Euro, die dieser durch die Tat erlangt hat, zu verheimlichen oder zu verwerten, und zwar

B./ * G* in P* und W* vom 1. September 2020 bis zum 4. Jänner 2023 indem sie drei von * N* gestohlene Goldringe verpfändete, nach dessen Festnahme von ihm gestohlene Gold- und Silbermünzen, eine Herrenarmbanduhr der Marke „Junker“, ein Etui, ein Echtheitszertifikat (Garantieschein) für eine Armbanduhr der Marke „Rolex Explorer“ sowie einige Schmuckstücke (US 9) aus seinem Hotelzimmer abholte und aufbewahrte, ihm ihren Willhaben‑Account für Inserate betreffend den Verkauf der Diebsbeute (US 8) und ihr im Urteil näher bezeichnetes Girokonto für Geldanweisungen von insgesamt 6.146 Euro, die dieser durch den Verkauf von ihm gestohlener Gegenstände an verschiedene Käufer erhalten hatte (US 8), zur Verfügung stellte;

C./ * T* vom 30. Dezember 2020 bis zum 5. August 2022 in N* und W*, indem er ein von * N* gestohlenes Colliers verpfändete sowie ihm seinen Willhaben‑Account für Inserate betreffend den Verkauf der Diebsbeute (US 9) und sein im Urteil näher bezeichnetes Girokonto bei der U* für Geldanweisungen von insgesamt 25.152 Euro (US 8), die dieser durch den Verkauf von ihm gestohlener Gegenstände von verschiedenen Käufern erhalten hatte, zur Verfügung stellte.

Rechtliche Beurteilung

 

[3] Gegen die Annahme der Qualifikation des § 164 Abs 3 StGB zum Schuldspruch B./ richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der * G*.

[4] Aus deren Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof, dass dem angefochtenen Urteil sowohl zum Nachteil der Nichtigkeitswerberin als auch zum Nachteil des Angeklagten * T*, der kein Rechtsmittel ergriffen hat, von der Beschwerde nicht geltend gemachte materielle Nichtigkeit (Z 9 lit a) anhaftet, die von Amts wegen aufzugreifen war (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO).

[5] Nach den Urteilsfeststellungen beging der abgesondert Verfolgte * N* die vom Erstgericht dem Verbrechen nach „§§ 127, 129 Abs 1 Z 1, Abs 2 Z 1, 130 Abs 1 und 2 StGB“ subsumierten (US 14) Vortaten im Zeitraum vom 1. Oktober 2018 bis zum 2. Dezember 2022 (US 5 ff). Der Genannte benutzte „mit der Einwilligung“ der Angeklagten G* und T* „deren Konten, um die von ihm gestohlenen Gegenstände zu verkaufen“, wobei auf das Konto der Angeklagten G* „im Zeitraum 01.09.2020 bis 02.01.2023 […] insgesamt Geldanweisungen aus dem Verkauf von Diebesgut in der Höhe von insgesamt EUR 6.146,--“ eingingen und die Angeklagte G* „zeitnah zu den einzelnen Geldeingängen […] die Geldbeträge auf das ausschließlich“ von * N* „benutzte Konto“ des Angeklagten T* transferierte (US 8). Der Letztgenannte „eröffnete am 18.11.2020 bei der U* AG […] auf seinen Namen ein Girokonto […] und übergab sämtliche Zugangsdaten und Bankkarten“ * N* „zur alleinigen Nutzung“, wobei „dieses Konto von diesem bis zu seiner Festnahme am 04.01.2023 intensiv für den Verkauf der gestohlenen Gegenstände genutzt“ wurde und im Zeitraum vom 16. Juni 2021 bis zum 26. November 2021 „auf das vorgenannte Girokonto […] Geldanweisungen aus dem offensichtlichen Verkauf von Diebesgut in der Höhe von insgesamt EUR 25.152,-“ eingingen (US 8).

[6] Fremdnützige Hehlerei nach § 164 Abs 1 StGB setzt ausdrücklich („nach der Tat“) die Begehung einer (hehlereibegründenden) abgeschlossenen Vortat eines anderen voraus. Vor deren (materieller) Vollendung kommt hingegen Beteiligung (§ 12 dritter Fall StGB) an der Vortat in Betracht (RIS‑Justiz RS0091358 [T5]; Kirchbacher/Ifsits in WK² StGB § 164 Rz 15; Fabrizy/Michel‑Kwapinski/Oshidari, StGB14 § 164 Rz 3 f; Leukauf/Steininger/Flora, StGB4 § 164 Rz 2). Als Unterstützung durch den Hehler ist jede Handlung anzusehen, die objektiv geeignet ist, dem Täter der Vortat das Verheimlichen oder Verwerten zu ermöglichen (RIS‑Justiz RS0119272).

[7] Solcherart kommt die Eröffnung eines Bankkontos für den Vortäter und die Übergabe der Zugangsdaten und Bankkarten an diesen grundsätzlich als Verwertungsunterstützung im Sinn des § 164 Abs 1 StGB in Betracht. Eine im Vorfeld gemachte Zusicherung solcher Handlungen wäre aber als sonstiger Beitrag nach § 12 dritter Fall StGB zur Ausführung der (hier) §§ 127, 129 Abs 1 Z 1, Abs 2 Z 1, 130 Abs „1 und 2“ StGB subsumierten Vortaten zu beurteilen (vgl Stricker in WK2 StGB § 127 Rz 158, 206 mwN).Dass die oben angeführten Unterstützungshandlungen hier jeweils nach den jeweiligen Vortaten erfolgten, ist den bloß pauschal formulierten Feststellungen jedoch nicht zu entnehmen. Der Urteilssachverhalt kann daher weder nach § 164 Abs 1 und 3 StGB subsumiert werden noch bildet er eine Grundlage für die Beurteilung dieser Handlungen als Beitrag nach § 12 dritter Fall StGB.

[8] Gleiches gilt in Ansehung der Feststellungen betreffend die Zurverfügungstellung des Willhaben‑Accounts der * G* (ohne festgestellte zeitliche Einschränkung des Beginns bis zur Festnahme des * N*) und des* T* (vom 17. Juni 2021 bis zum 26. November 2021) an * N* jeweils für Inserate zum Verkauf des Diebsguts (US 8 f).

[9] Der von der Angeklagten G* (denklogisch) nach den Vortaten auf das von * N* verwendete Konto des Angeklagten * T* transferierte Erlös aus der Verwertung der Beute ist als Ersatzwert wiederum kein Tatobjekt der Hehlerei (Kirchbacher/Ifsits in WK² StGB § 164 Rz 7; Fabrizy/Michel‑Kwapinski/Oshidari, StGB14 § 164 Rz 5; Leukauf/Steininger/Flora, StGB4 § 164 Rz 8).

[10] Die festgestellten Zurverfügungstellungen der Konten und der Willhaben‑Accounts könnensolcherartbereits dem Grundtatbestand der Hehlerei nach § 164 Abs 1 StGB nicht subsumiert werden (Z 9 lit a).

[11] In diesem Umfang waren daher die Schuldsprüche der beiden Angeklagten sowie die jeweils gebildete Subsumtionseinheit als Vergehen der Hehlerei nach § 164 Abs 1 und 3 StGB und demzufolge auch die Strafaussprüche schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort von Amts wegen aufzuheben (§ 285e StPO iVm § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO).

[12] Darüber hinaus war das angefochtene Urteil schon aufgrund des engen beweismäßigen Zusammenhangs sämtlicher urteilsgegenständlicher Unterstützungshandlungen des * N* durch die beiden Angeklagten in Wahrnehmung der dem Obersten Gerichtshof gemäß § 289 StPO zukommenden Befugnis – im Ergebnis in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – zur Gänze aufzuheben (RIS‑Justiz RS0100072).

[13] Auf diese Entscheidung war die Angeklagte * G* mit ihrer Nichtigkeitsbeschwerde und ihrer Berufung zu verweisen.

[14] Mit Blick auf den zweiten Rechtsgang sei hinzugefügt, dass sich für den Fall einer neuerlichen Verurteilung das Verschlechterungsverbot des § 290 Abs 2 StPO allein auf den Sanktionenbereich erstreckt, nicht aber auf die von Tatsachenfeststellungen im neuen Rechtsgang abhängige Schuldfrage, also eine den Angeklagten ungünstigere Subsumtion im zweiten Rechtsgang nicht ausschließt (vgl zum Verschlechterungsverbot eingehend Ratz, WK‑StPO § 290 Rz 31 ff, insbesondere Rz 34).

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