OGH 9ObA33/24d

OGH9ObA33/24d26.6.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Mag. Ziegelbauer als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Hargassner und Dr. Stiefsohn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Harald Stelzer (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Herbert Böhm (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei W*, vertreten durch die HAIDER OBEREDER PILZ Rechtsanwält:innen GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei A*, vertreten durch Dr. Agnes Maria Kienast, Rechtsanwältin in Korneuburg, als Verfahrenshelferin, wegen 10.962,22 EUR brutto sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 26. März 2024, GZ 8 Ra 3/24f‑44, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:009OBA00033.24D.0626.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiete: Arbeitsrecht, Zivilverfahrensrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1.1. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs können in der Berufung behauptete Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens, die das Berufungsgericht verneint hat, in der Revision nicht mehr geltend gemacht werden (RS0042963; RS0106371). Das gilt auch in Arbeitsrechtssachen (RS0043055). Ausnahmsweise könnte das Berufungsverfahren mangelhaft geblieben sein (§ 503 Z 2 ZPO), wenn das Berufungsgericht die Verfahrensrüge mit einer bloßen Scheinbegründung (RS0041032 [T13, T14]), einer aktenwidrigen Begründung (RS0040597 [T3, T4] ua) oder einer wegen Fehlens jedes Beurteilungsspielraums unhaltbaren rechtlichen Beurteilung (RS0042963 [T37, T63]) erledigt hätte. Ein solcher Mangel des Berufungsverfahrens kann auch die von § 502 Abs 1 ZPO geforderte Qualität erreichen.

[2] 1.2. Der Beklagte hat in der Berufung einen Verstoß des Erstgerichts gegen § 39 Abs 2 Z 1 ASGG und eine darin gelegene Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens behauptet. Das Berufungsgericht hat den vorgebrachten Verfahrensmangel verneint. Anhaltspunkte dafür, dass dem Berufungsgericht dabei seinerseits ein Verfahrensmangel (von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO) unterlaufen wäre, zeigt die außerordentliche Revision nicht auf. Insofern stellt sich daher keine erhebliche Rechtsfrage.

[3] 2. Der Oberste Gerichtshof hat bereits wiederholt betont, dass die Aussage einer Partei ein entsprechendes Vorbringen nicht ersetzen kann (RS0038037; RS0040318 [T7]). Dass das Berufungsgericht die Angaben des Beklagten in seiner erstinstanzlichen Parteienvernehmung nicht als Vorbringen gewertet hat, folgt dieser Rechtsprechung und wirft keine erhebliche Rechtsfrage auf.

[4] 3.1. Nach der klaren Formulierung in § 63 Abs 1 und 2 ASGG ist das Neuerungsverbot (§ 482 ZPO) in Arbeitsrechtssachen nach § 50 Abs 1 ASGG nicht auf das bis zum Schluss der mündlichen Berufungsverhandlung erstattete Vorbringen einer Partei anwendbar, die bisher in keiner Lage des Verfahrens qualifiziert vertreten war. Über solche Neuerungen hat das Berufungsgericht selbst zu verhandeln und zu entscheiden, falls es nicht aus anderen Gründen nach § 496 ZPO das angefochtene Urteil aufhebt und die Rechtssache an das Erstgericht zurückverweist. Bringt daher eine in erster Instanz nicht qualifiziert vertretene Partei im Berufungsverfahren neu vor und bietet sie hierzu Beweise an, ist das Berufungsgericht, soweit es nicht aus anderen Gründen nach § 496 ZPO vorzugehen hat, nach der Rechtsprechung verpflichtet, eine mündliche Berufungsverhandlung anzuberaumen und die Beweise aufzunehmen (RS0085622; RS0085787). Lässt das Berufungsgericht zulässige Neuerungen außer Betracht, kann das einen Mangel des Berufungsverfahrens (§ 503 Z 2 ZPO) begründen (RS0085785).

[5] 3.2. Entgegen seiner Darstellung in der Revision hat der Beklagte in der Berufung nur im Rahmen seiner – auf eine (angebliche) Verletzung des § 39 Abs 1 Z 2 ASGG durch das Erstgericht gestützten – Verfahrensrüge erklärt, welches ergänzende Vorbringen er im erstinstanzlichen Verfahren erstattet hätte, wenn ihn das Erstgericht dazu angeleitet hätte, und welchen Zeugenbeweis er diesfalls beantragt hätte (wobei er sich mit einem Hinweis auf die Nationalität des Zeugen begnügte; seinen Namen und seine Adresse führte er nicht an). Neues Vorbringen und neue Beweisanträge für das Berufungsverfahren sind der Berufung nicht zu entnehmen. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, es habe keine relevanten Neuerungen zu berücksichtigen, ist vor diesem Hintergrund ohne weiteres vertretbar.

[6] 4. Die außerordentliche Revision ist daher mangels einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen.

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