OGH 1Ob51/24t

OGH1Ob51/24t25.6.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofräte und Hofrätinnen Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer und Mag. Wessely-Kristöfel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W* GmbH, *, vertreten durch die RechtsanwälteZauner Schachermayr Koller & Partner OG in Linz, gegen die beklagte Partei A* GmbH, *, vertreten durch die Rechtsanwälte Grassner, Lenz, Thewanger & Partner OG in Linz, wegen 140.605,39 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse 54.145,12 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 22. Februar 2024, GZ 5 R 181/23h-234, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0010OB00051.24T.0625.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

 

Begründung:

[1] Mit ihrer außerordentlichen Revision wendet sich die Beklagte (nur) gegen den Zuspruch eines restlichen Werklohns von 54.145,12 EUR sA, und zwar betreffend die Rechnungen 391 (21.313,28 EUR) und 22 (32.831,84 EUR). Sie macht geltend, dass nach der Ö-Norm B2110 nur Abschlagsrechnungen, Schlussrechnungen, Teilschlussrechnungen und Regierechnungen gelegt werden könnten und eine darüber hinaus gehende Rechnungslegung unzulässig sei. Hätte die Klägerin die Rechnungen 391 und 22 in eine Teilrechnung und letztlich in die Schlussrechnung aufgenommen, hätte die Beklagte gemäß Ö-Norm B2110 den dreifachen Behebungsaufwand einbehalten können. Durch die unzulässige Rechnungslegung der Klägerin sei dies der Beklagten aber nicht möglich, weil kein Konnex zwischen den Leistungen gemäß den Rechnungen 391 und 22 und der Mangelhaftigkeit des Gewerks bestehe. Die Beklagte zieht allerdings nicht in Zweifel, dass die verrechneten Leistungen erbracht wurden und bei (ihrer Ansicht nach) korrekten Rechnungslegung auch in dieser Höhe zu vergüten wären.

Rechtliche Beurteilung

[2] Mit diesen Ausführungen zeigt die Beklagte schon deshalb keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf, weil sie das Wesen des Zurückbehaltungsrechts nach der Ö-Norm B2110 (Punkt 5.41.8. [2003] bzw 10.4. [2023]) verkennt:

[3] Übernimmt der Auftraggeber die mangelhafte Leistung, hat er nach allgemeiner Rechtslage (§ 1170 ABGB) nach ständiger Rechtsprechung das Recht, den gesamten Werklohn (bis zur Grenze der Sittenwidrigkeit) bis zur Verbesserung des mangelhaften Werks zurückzubehalten. Die zwischen den Parteien vereinbarte Ö-Norm B2110 schränkt dieses Recht ein. Wird die Leistung mit verbesserbaren Mängeln übernommen, hat der Auftraggeber nach der im vorliegenden Fall maßgebenden Fassung des Punkts 5.41.8 dritter Absatz der Ö-Norm B2110 (nur) das Recht, neben dem Haftungsrücklass das Entgelt bis zur Höhe des Dreifachen der voraussichtlichen Kosten einer Ersatzvornahme der Mängelbehebung zurückzubehalten (10 Ob 65/12z).

[4] Das Leistungsverweigerungsrecht des Bestellers ist ein Druckmittel zur Durchsetzung des Verbesserungsanspruchs (vgl RS0021925 [insb T7]). Voraussetzung ist daher, dass der Besteller noch Mängelbehebung begehrt. Sobald er auf einen der sekundären Behelfe (Preisminderung, Wandlung) umgeschwenkt ist oder selbst verbessert hat oder durch einen Dritten verbessern lassen will (vgl 6 Ob 312/00a), greift das Leistungsverweigerungsrecht nicht mehr (RS0021925 [insb T10]; RS0019929).

[5] Bereits das Berufungsgericht hat der Beklagten entgegengehalten, dass sie keine Mängelbehebung durch die Klägerin (mehr) begehrt. Vielmehr hat sie die Mängelbehebungskosten compensando eingewandt und im Wege der (prozessualen) Aufrechnung (insoweit rechtskräftig) zugesprochen erhalten. Da aus diesem Grund die Zurückbehaltung des Werklohns (oder eines Teils davon) jedenfalls ausgeschlossen ist, hat die Frage, ob die beanstandete Form der Rechnungslegung eine solche Zurückbehaltung verhindert hätte, bloß theoretische Bedeutung. Sie kann die Zulässigkeit der Revision daher nicht begründen (RS0111271).

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