OGH 2Ob77/24y

OGH2Ob77/24y28.5.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Grohmann als Vorsitzende sowiedie Hofräte MMag. Sloboda, Dr. Thunhart und Dr. Kikinger und die Hofrätin Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei P*, vertreten durch Dr. Marcus Januschke, MBA, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei E*, vertreten durch Mag. Roland Schlegel, Rechtsanwalt in Wien, wegen 19.920,67 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 12. Februar 2024, GZ 11 R 276/23y‑30, mit welchem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 8. September 2023, GZ 9 Cg 5/23f‑25, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0020OB00077.24Y.0528.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Erbrecht und Verlassenschaftsverfahren

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.599,90 EUR (darin 266,65 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Der vorverstorbene Vater der Klägerin und die Beklagte waren Geschwister. Der am * 2019 ohne Nachkommen verstorbene K* war ihr Cousin. Als eine Historikerkanzlei die Beklagte davon verständigte, dass K* verstorben ist, informierte sie die Klägerin. Darüber hinaus nanntedie Beklagte der Historikerkanzlei den Namen und die Adresse der Klägerin, sodass die Historikerkanzlei mit Schreiben vom 21. 10. 2019 auch die Klägerin darüber informierte, dass K* ohne Testament verstorben sei und sie daher zum Kreis der gesetzlichen Erben zähle. Die Klägerin beauftragte daraufhin ihren Rechtsvertreter, der am 28. 11. 2019 beim Verlassenschaftsgericht eine Aktenkopie anforderte und das Verwandtschaftsverhältnis mit „Großcousine“ bekannt gab, auf den ihm erteilten Verbesserungsauftrag, das Verwandtschaftsverhältnis der Klägerin unter Anführung eines Familienstammbaums darzulegen, aber nicht mehr reagierte. Mit Beschluss des Bezirksgerichts Wiener Neustadt vom 21. 1. 2021 wurde die Verlassenschaft der Beklagten, welche die Historikerkanzlei mit der Durchsetzung ihrer Ansprüche betraut hatte, zu einem Zehntel eingeantwortet. Erst später erfuhr die Beklagte, dass sich die Klägerin am Verlassenschaftsverfahren nicht beteiligt hatte.

[2] Die Klägerin begehrt mit Mahnklage vom 23. 12. 2022 von der Beklagten 19.920,67 EUR sA und brachte dazu vor, dass ihr nach der gesetzlichen Erbfolge ein Zwanzigstel der Verlassenschaft zustehe.

[3] Die Beklagte wendet ein, dass sie die Klägerin auf das anhängige Verlassenschaftsverfahren hingewiesen habe und der Anspruch im Übrigen verjährt sei.

[4] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der Anspruch der Klägerin sei verjährt, weil sie mit dem ihr am selben Tag zugegangenen Schreiben vom 21. 10. 2019 Kenntnis vom Verlassenschaftsverfahren erlangt habe, sodass die dreijährige Frist des § 1487a Abs 1 ABGB bereits abgelaufen sei. Im Übrigen habe die Klägerin nicht nachweisen können, dass die Beklagte das Verlassenschaftsverfahren absichtlich verschwiegen hätte.

[5] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Die Feststellung des Erstgerichts, wonach die Klägerin das Schreiben vom 21. 10. 2019 am selben Tag erhalten habe, sei dahin zu verstehen, dass auch der Postlauf zu berücksichtigen sei. Da die Eingabe der Klägerin beim Verlassenschaftsgericht mit 12. 11. 2019 datiert sei, stehe aber fest, dass die Klägerin das Schreiben der Historikerkanzlei spätestens an diesem Tag erhalten habe, sodass die dreijährige Frist des § 1487a Abs 1 ABGB jedenfalls abgelaufen sei. Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zum Beginn der Verjährungsfrist des § 1487a ABGB in einer Konstellation, wie sie hier vorliege, fehle.

Rechtliche Beurteilung

[6] DieRevision der Klägerin ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.

[7] 1. Nach § 1503 Abs 7 Z 9 ABGB ist auf den vorliegenden Sachverhalt § 1487a ABGB idF ErbRÄG 2015 anzuwenden, wonach das Recht, nach erfolgter Einantwortung ein besseres oder gleiches Recht geltend zu machen, binnen drei Jahren ab Kenntnis der für das Bestehen des Anspruchs maßgebenden Tatsachen gerichtlich geltend gemacht werden muss und unabhängig davon jedenfalls dreißig Jahre nach dem Tod des Verstorbenen verjährt. Diese Bestimmung kombiniert eine dreijährige subjektive mit einer dreißigjährigen objektiven Frist (ErläutRV 688 BlgNR 25. GP  40).

[8] 2. Der Oberste Gerichtshof hat bereits darauf hingewiesen, dass die kenntnisabhängige Frist in § 1487a ABGB derjenigen in § 1489 ABGB entspricht, sodass zum Beginn des Fristenlaufs die einschlägige Rechtsprechung zur Verjährung von Schadenersatzansprüchen herangezogen werden kann (2 Ob 169/21y; RS0133836; 2 Ob 175/19b Rz 5). Auch im Anwendungsbereich des § 1487a ABGB liegt die Kenntnis der für das Bestehen des Anspruchs maßgebenden Tatsachen deshalb erst vor, wenn dem Gläubiger der Sachverhalt soweit bekannt wurde, dass er eine Klage mit Aussicht auf Erfolg anstellen hätte können (RS0034524 zu § 1489 ABGB). Wenn der Gläubiger die für die erfolgversprechende Anspruchsverfolgung notwendigen Voraussetzungen ohne nennenswerte Mühe in Erfahrung bringen kann, gilt die Kenntnisnahme aber schon als in dem Zeitpunkt erlangt, in welchem sie ihm bei angemessener Erkundigung zuteil geworden wären (RS0034327 zu § 1489 ABGB).

[9] 3. Die Annahme des Berufungsgerichts, dass die Klägerin das Schreiben der Historikerkanzlei spätestens am 12. 11. 2019 erhalten hat, wird von der Klägerin nicht bekämpft. Wohl aber beruft sie sich darauf, dass diesem Schreiben weder das zuständige Verlassenschaftsgericht noch eine Aktenzahl zu entnehmen war. Ob diese Angaben erforderlich gewesen wären, um die Frist des § 1487a ABGB auszulösen, muss hier aber nicht beantwortet werden, weil die Klägerin am 28. 11. 2019 beim Verlassenschaftsgericht eine Aktenkopie anforderte und damit spätestens in diesem Zeitpunkt auch über diese Informationen verfügte. Ob die Klägerin angesichts eines ihren Vornamen betreffenden Schreibfehlers vorerst Zweifel an der Seriosität des Schreibens der Historikerkanzlei haben durfte, kann ebenfalls dahingestellt bleiben, weil die Klägerin spätestens am 28. 11. 2019 Kenntnis vom Verlassenschaftsverfahren und aller für das Bestehen ihres Anspruchs maßgebenden Tatsachen hatte.

[10] 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 Abs 1 iVm § 50 Abs 1 ZPO. Die Beklagte hat in ihrer Rechtsmittelbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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