European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0020OB00067.24B.0423.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Schadenersatz nach Verkehrsunfall
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit jeweils 276,33 EUR (darin enthalten 46,06 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Der klagende Motorradfahrer kollidierte am 5. 8. 2019 auf einer Landeshauptstraße mit dem von ihm überholten, von der Zweitbeklagten gehaltenen und bei der Erstbeklagten haftpflichtversicherten Pkw, weil dessen Lenker aus Unachtsamkeit mit der linken Fahrzeugseite über die Fahrbahnmitte kam.
[2] Das Berufungsgericht ging – wie schon das Erstgericht – vom Alleinverschulden des Lenkers des überholten Beklagtenfahrzeugs aus. Dass der Kläger sein Überholmanöver schon innerhalb eines verordneten Überholverbots (§ 16 Abs 2 lit a StVO) begonnen habe, begründe kein Mitverschulden, weil sich die Kollision außerhalb des Verbotsbereichs ereignet habe und der Unfall daher nicht im Rechtswidrigkeitszusammenhang stehe. Der erstmals mit Schriftsatz vom 24. 2. 2023 geltend gemachte Anspruch auf Pflegekostenersatz für einen Zeitraum von zwölf Wochen nach dem Unfall sei allerdings verjährt. Die ordentliche Revision ließ das Berufungsgericht zur Frage des (verneinten) Rechtswidrigkeitszusammenhangs zu.
Rechtliche Beurteilung
[3] Die gegen diese Entscheidung gerichtete Revision (nur) des Klägers ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts mangels Aufzeigens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig. Die Zurückweisung eines ordentlichen Rechtsmittels wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).
[4] 1. Selbst wenn das Berufungsgericht – zu Recht – ausgesprochen hatte, die ordentliche Revision sei zulässig, das Rechtsmittel dann aber nur solche Gründe geltend macht, deren Erledigung nicht von der Lösung erheblicher Rechtsfragen abhängt, ist die Revision trotz der Zulässigerklärung durch das Gericht zweiter Instanz zurückzuweisen (RS0102059).
[5] Die vom Berufungsgericht genannte, aber ohnehin zu Gunsten des Klägers gelöste Zulassungsfrage thematisiert dieser in seiner Revision (naturgemäß) nicht. Dies hindert ihn aber nicht, eine andere erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen (Lovrek in Fasching/Konecny3 IV/1 § 502 ZPO Rz 127). Der Kläger wendet sich ausschließlich gegen die Rechtsansicht des Berufungsgerichts zur Verjährung des geltend gemachten Pflegebedarfs und argumentiert, er habe erst durch das im Gerichtsverfahren eingeholte Sachverständigengutachten einen Kausalzusammenhang zu den Beklagten „herleiten“ können. Überdies stehe das ohnehin erhobene Feststellungsbegehren einer Verjährung entgegen.
[6] Mit diesen Ausführungen zeigt der Kläger aber keine erhebliche Rechtsfrage auf.
2. Verjährungsbeginn
[7] 2.1 Die für den vom Kläger geltend gemachten Schadenersatzanspruch maßgebliche kurze Verjährungsfrist nach § 1489 ABGB beginnt mit dem Zeitpunkt zu laufen, in dem der Ersatzberechtigte sowohl den Schaden als auch den Ersatzpflichtigen soweit kennt, dass eine Klage mit Aussicht auf Erfolg erhoben werden kann (RS0034524; vgl RS0034374; vgl RS0034951).
[8] 2.2 Die Kenntnis muss dabei den ganzen anspruchsbegründenden Sachverhalt umfassen (RS0034374 [T13]), insbesondere auch die Kenntnis des Ursachenzusammenhangs zwischen dem Schaden und einem bestimmten Verhalten des Schädigers, in Fällen der Verschuldenshaftung auch jene Umstände, aus denen sich das Verschulden des Schädigers ergibt (RS0034524 [T27, T29]; RS0034951 [T5, T7]). Um mit Erfolg Klage erheben zu können, benötigt der Geschädigte daher bei der Verschuldenshaftung Kenntnis von der Schadensursache (RS0034951), dem maßgeblichen Kausalzusammenhang (RS0034366) und dem Verschulden des Schädigers (RS0034322).
[9] 2.3 Ab wann eine die Verjährungsfrist auslösende Kenntnis der dafür maßgeblichen Tatsachen anzunehmen ist, ist stets von den besonderen Umständen des Einzelfalls abhängig (RS0034524 [T23, T41]; RS0034374 [T47]; RS0113916 [T1, T5]), sodass diese Beurteilung in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 ZPO aufwirft.
[10] 2.4 Weshalb der Kläger den innerhalb von zwölf Wochen nach dem Unfall aufgetretenen Pflegebedarf erst durch das gerichtliche Sachverständigengutachten kausal dem Unfall zuordnen konnte, vermag er nicht nachvollziehbar darzulegen. Eine aufzugreifende Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts wird daher insoweit nicht aufgezeigt.
[11] 3. Verjährungsunterbrechung durch Feststellungsklage
[12] 3.1 Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass – um die Verjährung eines Schadenersatzanspruchs zu verhindern, der aus zum Teil fälligen und zum Teil erst fällig werdenden Ansprüchen besteht – sowohl eine Leistungsklage für fällige Ansprüche als auch eine Feststellungsklage für erst fällig werdende Ansprüche innerhalb der dreijährigen Frist des § 1489 ABGB erhoben werden muss (RS0034286).
[13] 3.2 Allerdings bezieht sich die Unterbrechungswirkung einer Feststellungsklage nicht auf bereits bekannte und fällige Schadenersatzansprüche (RS0034286 [T8]). Durch die Einbringung der Feststellungsklage wird nur die Verjährung aller in diesem Zeitpunkt zukünftigen Schadenersatzansprüche unterbrochen (RS0034771 [T3]). Das Begehren auf Ersatz künftiger Schäden unterbricht somit nicht die Verjährung bereits fälliger Ansprüche, die mit Leistungsklage geltend gemacht werden könnten (RS0034771 [T4]; 2 Ob 192/23h Rz 13 mwN). Bei Verbindung einer rechtzeitigen Leistungsklage mit einer später erfolgreichen Feststellungsklage käme lediglich die – hier aber nicht vorliegende – Ausdehnung eines Schmerzengeldbegehrens auch nach Ablauf der ursprünglichen Verjährungsfrist selbst dann in Betracht, wenn sie nicht auf neue Schadenswirkungen, aber auf die Ergebnisse eines für den Kläger (unverhofft) günstigen Sachverständigengutachtens gestützt wird (2 Ob 33/09f Pkt 2.1; RS0034286 [T15]).
[14] 3.3 Daraus folgt, dass die Feststellungsklage für die bereits bei deren Einbringung am 24. 1. 2022 einklagbaren Ansprüche wegen des unfallkausalen Pflegebedarfs während eines Zeitraums von zwölf Wochen nach dem Unfall ohne verjährungsrechtliche Bedeutung ist. Das Berufungsgericht ist von dieser Rechtsprechung nicht abgewichen.
[15] 4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagten haben auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen. Aufgrund der Vertretung der Beklagten durch denselben Rechtsanwalt ist mangels unterschiedlicher Beteiligung am Streitgegenstand von dessen Entlohnung nach Kopfteilen auszugehen und ihnen daher lediglich anteiliger Kostenersatz zuzusprechen (2 Ob 205/23w Rz 16 mwN).
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