OGH 7Ob69/24h

OGH7Ob69/24h17.4.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Solé als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich, Dr. Weber und Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. B* S*, vertreten durch Dr. Christopher Kempf, Rechtsanwalt in Spittal an der Drau, gegen die beklagte Partei U* AG, *, vertreten durch Dr. Bernhard Hundegger Rechtsanwalt GmbH in Villach, wegen 38.723 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 27. Februar 2024, GZ 3 R 4/24v‑33, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0070OB00069.24H.0417.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Versicherungsvertragsrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Zwischen dem Kläger und der Beklagten besteht ein Unfallversicherungsvertrag, dem die Klipp & Klar Bedingungen für die Unfallversicherung 2012 Fassung 02/2016 (UD 00) zugrunde liegen. Diese lauten auszugsweise wie folgt:

Was kann versichert werden? – Artikel 7‑14

Dauernde Invalidität – Artikel 7

Soweit nichts anderes vereinbart ist, gilt:

1. Voraussetzung für die Leistung:

[...]

13. Wird innerhalb von sechs Wochen nach einem unfallbedingten Spitalsaufenthalt eine stationäre Heilbehandlung in einem Rehabilitationszentrum notwendig, bezahlen wir 1 % der Versicherungssumme für dauernde Invalidität (gilt für alle DI‑Varianten inklusive Hochrisikoschutz 100 % und Hochrisikoschutz 200 %) als Rehabilitationspauschale. Als medizinische Rehabilitation gelten alle Maßnahmen, die geeignet sind, eine unfallbedingte dauernde Invalidität zu beseitigen oder zu verbessern.

[...]

Schmerzengeld – Artikel 12

Wird durch einen Unfall – innerhalb von zwei Jahren ab dem Unfalltag – ein ununterbrochener Spitalsaufenthalt von mindestens sieben Tagen notwendig, bezahlen wir für diesen Unfall ein einmaliges Schmerzengeld in der Höhe von 1 % der für die dauernde Invalidität vereinbarten Summe.

[...]

Sachliche Begrenzung des Versicherungsschutzes – Artikel 21

1. Eine Versicherungsleistung wird von uns nur für die durch den eingetretenen Unfall hervorgerufenen Folgen (körperliche Schädigung oder Tod) erbracht.

[...]

3. Haben Krankheiten oder Gebrechen, bei der durch ein Unfallereignis hervorgerufenen Gesundheitsschädigung – insbesondere solche Verletzungen, die durch krankhaft abnützungsbedingte Einflüsse verursacht oder mitverursacht worden sind – oder deren Folgen mitgewirkt, ist im Fall einer Invalidität der Prozentsatz des Invaliditätsgrades, ansonsten die Leistung entsprechend dem Anteil der Krankheit oder des Gebrechens, zu vermindern, wenn dieser Anteil mindestens 25 % beträgt. Dies gilt insbesondere auch, wenn die Gesundheitsschädigung durch einen abnützungsbedingten Einfluss mit Krankheitswert, wie beispielsweise Arthrose, mitverursacht worden ist.[...]

4. Bei Bandscheibenhernien wird eine Leistung nur erbracht, wenn sie durch direkte mechanische Einwirkung auf die Wirbelsäule entstanden sind und es sich nicht um eine Verschlimmerung von vor dem Unfall bestandenen Krankheitserscheinungen handelt.

[...]“

Rechtliche Beurteilung

[2] 1. Angebliche Verfahrensmängel erster Instanz, die – wie hier – vom Gericht zweiter Instanz nicht als solche erkannt worden sind, können nach ständiger Rechtsprechung in dritter Instanz nicht mehr geltend gemacht werden (RS0042963, RS0106371).

[3] 2. Die Frage, ob ein Sachverständigengutachten den Feststellungen zugrunde gelegt werden kann oder wegen seiner Unvollständigkeit oder Widersprüchlichkeit ein weiteres Gutachten eingeholt werden muss, ist eine Frage der Beweiswürdigung und als Tatfrage nicht revisibel (RS0043163, RS0043320 [T21], RS0113643 [T7]). Dies gilt auch für die Frage, ob für die getroffenen Feststellungen zusätzlich ein Gutachten aus dem Fachgebiet Neurologie erforderlich gewesen wäre, oder ob diese schon aufgrund des eingeholten Gutachtens des Sachverständigen für Unfallchirurgie und Sporttraumatologie, Orthopädie und Traumatologie getroffen werden konnten (RS0043320, RS0113643 [T4]).

[4] 3.1 Der Oberste Gerichtshof hatte nahezu wortgleiche Versicherungsbedingungen bereits zu beurteilen. Unter dem Titel „Sachliche Begrenzung des Versicherungsschutzes“ stellt der Versicherer in Art 21.1 UD 00 klar, dass „eine Versicherungsleistung nur für die durch den eingetretenen Unfall hervorgerufenen Folgen (körperliche Schädigung und Tod) erbracht wird“ und begrenzt unter anderem ausdrücklich den Versicherungsschutz in Art 21.4 UD 00 für „Bandscheibenhernien“. Danach wird für Bandscheibenhernien eine Leistung nur erbracht, wenn sie durch direkte mechanische Einwirkung auf die Wirbelsäule entstanden sind und es sich nicht um eine Verschlimmerung von vor dem Unfall bestehenden Krankheitserscheinungen handelt (vgl 7 Ob 17/04g, 7 Ob 135/09t, 7 Ob 150/11a, 7 Ob 86/17y).

[5] 3.2 Dass demzufolge die ausdrücklich auf Bandscheibenhernien Bezug nehmende Bestimmung des Art 21.4 UD 00 als speziellere Regelung jener nach Art 21.3 UD 00 vorgeht, bedarf keiner weiteren Ausführungen. Schon aus dem insoweit völlig klaren Wortlaut ergibt sich, dass der Versicherer leistungsfrei ist, wenn die in Art 21.4 UD 00 genannten Voraussetzungen nicht kumulativ vorliegen. Das heißt, es erfolgt ein vollständiger Entfall des Leistungsanspruchs des Versicherungsnehmers und keine Leistungskürzung entsprechend dem Anteil der Mitwirkung der Vorschädigung (vgl auch Maitz AUVB Allgemeine Bedingungen für die Unfallversicherung2 218).

[6] 3.3 Der Kläger begehrt Versicherungsleistungen (Invaliditätsentschädigung, Rehabilitationspauschale, Schmerzengeld) wegen Beeinträchtigungen aufgrund eines nach zwei Stürzen im Jahr 2020 bestehenden Bandscheibenvorfalls.

[7] 3.4 Nach den Feststellungen bestanden beim Kläger bereits vor dem ersten Unfall ausgeprägte abnützungsbedingte Veränderungen im Bereich der Lendenwirbelsäule mit Bandscheibenveränderungen in sämtlichen Segmenten (nämlich in Form von Vorfällen bzw Vorwölbungen) und eine abnutzungsbedingte Einengung des Rückenmarkkanals, die aufgrund der bei den beiden Unfällen erlittenen Prellungen verschlimmert wurden.

[8] Dass die Vorinstanzen vor dem Hintergrund dieser Feststellungen davon ausgingen, dass damit eine Krankheitserscheinung, die bereits vor dem Unfall bestanden habe, verschlechtert wurde, weshalb nach Art 21.4 UD 00 die Versicherungsdeckung ausgeschlossen sei, – was für sämtliche vom Kläger geltend gemachten Versicherungsleistungen gilt – ist nicht zu beanstanden.

[9] 4. Dieser Beschluss bedarf keiner weiteren Begründung (§ 510 Abs 3 ZPO).

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