OGH 2Nc16/24m

OGH2Nc16/24m25.3.2024

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Grohmann als Vorsitzende sowie den Hofrat MMag. Sloboda und die Hofrätin Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A*, vertreten durch Dr. Andreas König ua Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei G*, Deutschland, wegen 84.904,60 EUR sA, über den Ordinationsantrag der klagenden Partei den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0020NC00016.24M.0325.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Als örtlich zuständiges Gericht wird das Landesgericht Innsbruck bestimmt.

 

Begründung:

[1] Die Klägerin beabsichtigt, auf ihr gesetzliches Erbrecht als Cousine des 2021 verstorbenen Erblassers gestützte Ansprüche gegen den in Deutschland wohnhaften Beklagten (ebenfalls ein Cousin des Erblassers) geltend zu machen. Der gesamte Nachlass des kinderlos und ohne Ehepartner verstorbenen Erblassers sei auf Basis des gesetzlichen Erbrechts dem Beklagten eingeantwortet worden. Da dem Gerichtskommissär ihr Verwandtschaftsverhältnis zum Erblasser nicht bekannt gewesen sei, sei sie im Verlassenschaftsverfahren übergangen worden. Die durch die EuErbVO geschaffene Zuständigkeitskonzentration gelte auch für die von der Klägerin beabsichtigte Erbschaftsklage, sodass gemäß Art 4 EuErbVO österreichische Gerichte international zuständig seien. Da kein Gerichtsstand des Beklagten nach der JN in Österreich bestehe, liege ein Fall des § 28 Abs 1 Z 1 JN vor.

Rechtliche Beurteilung

[2] Der Ordinationsantrag ist berechtigt.

[3] 1. Die Ordination nach § 28 Abs 1 Z 1 JN setzt die – durch einen internationalen Rechtsakt begründete – internationale Zuständigkeit Österreichs und das Fehlen eines örtlich zuständigen Gerichts voraus (RS0118239). Die internationale Zuständigkeit hat der Oberste Gerichtshof im Ordinationsverfahren mangels Vorliegens einer rechtskräftigen Entscheidung frei zu prüfen (RS0046568 [T1]).

[4] 2. Für die österreichische internationale Zuständigkeit in Verlassenschaftssachen ist seit ihrem Inkrafttreten am 17. 8. 2015 die EuErbVO maßgeblich. Diese hat ein für die Mitgliedstaaten zwingendes Zuständigkeitsregime ausschließlicher Zuständigkeiten geschaffen. Ihr Anwendungsbereich erstreckt sich nach ihrem Art 1 und ErwGr 9 auf alle zivilrechtlichen Aspekte der Rechtsnachfolge von Todes wegen. Die Zuständigkeitskonzentration gilt für streitige und nicht streitige Erbverfahren (2 Ob 59/18t Pkt 1. mwN) und erfasst auch Erbschaftsklagen (Traar in Neumayr/Geroldinger, Internationales Zivilverfahrensrecht, Art 1 EuErbVO Rz 2; Simotta in Fasching/Konecny I³, § 77 JN Rz 33; Fucik in Schauer/Scheuba, Europäische Erbrechtsverordnung Seite 59).

[5] 3. Aufgrund des gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers in Österreich ist die internationale Zuständigkeit österreichischer Gerichte gemäß Art 4 EuErbVO gegeben. Dieser regelt allerdings nur die internationale, nicht aber die örtliche Zuständigkeit. Vielmehr bleiben die sachlichen, örtlichen und funktionalen Zuständigkeitsbestimmungen in den Mitgliedstaaten gemäß Art 2 EuErbVO (weitgehend) unberührt (Traar aaOArt 4 EuErbVO Rz 1; Deixler‑Hübner in Deixler‑Hübner/Schauer, EuErbVO² Vor Art 4 ff Rz 5).

[6] 4. Der Gerichtsstand nach § 77 Abs 1 JN scheidet aufgrund des rechtskräftigen Abschlusses des Verlassenschaftsverfahrens aus (RS0046596). § 77 Abs 2 JN ist ebenfalls nicht anwendbar, weil eine Erbschaftsklage nicht unter die in dieser Bestimmung genannten Erbteilungsklagen zu subsumieren ist (Mayr in Rechberger/Klicka 5 § 77 JN Rz 4, Simotta in Fasching/Konecny I³, § 77 JN Rz 11/1). Grundsätzlich wäre daher die Erbschaftsklage beim allgemeinen Gerichtsstand des Beklagten geltend zu machen (Simotta aaO Rz 5).

[7] 5. Da der Beklagte – wie von der Klägerin ausreichend bescheinigt – im Inland weder über einen Wohnsitz noch gewöhnlichen Aufenthalt (§ 66 Abs 1 und 2 JN) oder Vermögen (§ 99 JN) verfügt, lässt sich aus der JNinsgesamt kein örtlich zuständiges österreichisches Gericht ableiten.

[8] 6. Für die Auswahl des zu ordinierenden Gerichts (in örtlicher Hinsicht) enthält § 28 JN keine ausdrücklichen Vorgaben; es ist dabei auf die Kriterien der Sach- und Parteinähe sowie der Zweckmäßigkeit Bedacht zu nehmen (RS0106680 [T13]). In Anbetracht der Durchführung des Verlassenschaftsverfahrens vor dem Bezirksgericht Reutte in Tirol hat eine Zuweisung der Sache an das sachlich zuständige Landesgericht Innsbruck zu erfolgen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte