European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0020OB00029.24I.0321.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Erwachsenenschutzrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Das Scheidungsverfahren sowie das Obsorge- und Kontaktrechtsverfahren wurden ebenso wie ein anhängiges Sicherungsverfahren wegen Zweifel an der Prozessfähigkeit der Betroffenen unterbrochen, obwohl die Betroffene zumindest zeitweise anwaltlich vertreten war.
[2] Daraufhin bestellte das Erstgericht eine einstweilige Erwachsenenvertreterin für die Vertretung der Betroffenen in gerichtlichen Verfahren.
[3] Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs im Hinblick auf die Frage zulässig sei, ob die Prozessvollmacht der Bestellung eines gerichtlichen Erwachsenenvertreters entgegensteht.
Rechtliche Beurteilung
[4] Der als „Rekurs“ bezeichnete Revisionsrekurs der Betroffenen ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig.
[5] 1. Ein Rechtsanwalt ist nicht verpflichtet, seinen Mandanten zu einer bestimmten Handlungsweise zu bestimmen (RS0026560). Selbst wenn der Mandant Weisungen erteilt, die für ihn nachteilig sind, hat er ihn nicht davon abzuhalten, sondern bloß auf die nachteiligen Folgen hinzuweisen (RS0026560 [T1, T5]). Damit besteht auch in einem Anwaltsprozess die Gefahr, dass sich eine Partei selbst schädigt, weshalb der Oberste Gerichtshof (auch zur Rechtslage nach dem 2. ErwachsenenschutzG) bereits angesprochen hat, dass die Bestellung eines Erwachsenenvertreters trotz erteilter Prozessvollmacht erforderlich sein kann (6 Ob 124/21k mwN). Das zieht der Revisionsrekurs auch grundsätzlich nicht in Zweifel, er befasst sich vielmehr mit einer Verbesserung des psychischen Zustands.
[6] 2. Ob ausreichend Anhaltspunkte für die Notwendigkeit der Bestellung eines gerichtlichen Erwachsenenvertreters vorliegen, ist immer eine individuell zu beurteilende Frage des Einzelfalls (RS0106166; RS0087091 [T2]). Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, wonach die Betroffene aufgrund einer psychopathologischen Störung ungeachtet ihrer anwaltlichen Vertretung nicht in der Lage ist, die anhängigen Gerichtsverfahren zielgerichtet zu führen, lässt keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung erkennen.
[7] 3. Richtig ist, dass auch Sachverhaltsänderungen nach dem erstgerichtlichen Beschluss von der Rechtsmittelinstanz zu berücksichtigen sind, wenn dies das Interesse des Betroffenen erfordert (vgl RS0006893). Das bezieht sich auf unstrittige und aktenkundige Umstände (RS0048056 [T11]; RS0122192 [T3]). Demnach kann auch ein nachträglich erstattetes psychiatrisches Gutachten zu berücksichtigen sein (3 Ob 205/14i), wenn es eine wesentliche Veränderung der Tatsachengrundlage aufzeigt (vgl RS0048056 [T6, T10]). Nachdem auch das nachträglich erstellte, im Revisionsrekurs erwähnte und vom Rekursgericht bereits berücksichtigte Ergänzungsgutachten vom 26. 10. 2023 der Betroffenen trotz bestehender Medikation ein „ausgeprägtes Wahnsystem“ diagnostiziert, besteht kein Grund zur Annahme, dass die Voraussetzungen für die Bestellung einer gerichtlichen Erwachsenenvertreterin weggefallen wären.
[8] 4. Der Revisionsrekurs war daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen.
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