OGH 10Ob56/23t

OGH10Ob56/23t12.3.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Hofrat Mag. Ziegelbauer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Stefula, Mag. Schober, Dr. Annerl und Dr. Vollmaier als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei DI M*, vertreten durch die Poduschka Partner Anwaltsgesellschaft mbH in Linz, gegen die beklagte Partei A*, vertreten durch die Pressl Endl Heinrich Bamberger Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen 23.846,70 EUR sA und Feststellung, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 31. Oktober 2023, GZ 3 R 122/23s‑23, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Wels vom 27. Juli 2023, GZ 36 Cg 17/23m‑18, teilweise bestätigt und teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0100OB00056.23T.0312.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.883,40 EUR (darin enthalten 313,90 EUR USt) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Der Kläger erwarb am 12. September 2012 ein von der Beklagten hergestelltes Fahrzeug der Marke Audi A6 3.0 TDI quattro mit einem Motor der Type EA897Gen2 von der A* GmbH um 79.489 EUR inklusive Umsatzsteuer. Das Fahrzeug war mit einer temperaturabhängigen Abschalteinrichtung versehen („Thermofenster“). Nach dem im Februar 2022 freiwillig aufgespielten Software‑Update wurde der Bereich der temperaturgesteuerten Abgasrückführung auf den Bereich von 3 Grad Celsius bis 37 Grad Celsius erweitert. Vor dem Aufspielen des Updates wurde die Abgasrückführungsrate bereits bei Temperaturen oberhalb von 12 Grad Celsius reduziert, der genaue Umfang des Thermofensters steht jedoch nicht fest.

[2] Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers gegen das zur Gänze abweisende Ersturteil teilweise Folge. Im Umfang der Abweisung des erhobenen Feststellungsbegehrens bestätigte es das Ersturteil als Teilurteil (rechtskräftig). Hinsichtlich des erhobenen Leistungsbegehrens hob es das Ersturteil unter Zurückverweisung der Rechtssache an das Erstgericht auf. Soweit für das Rekursverfahren von Relevanz ging es von einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Zeitpunkt des Erwerbs des Fahrzeugs durch den Kläger aus. Nachfolgende „Verbesserungen“, wie hier etwa die Durchführung eines Software‑Updates ca zehn Jahre nach Übergabe des Fahrzeugs, könnten an dem eingetretenen Schaden nichts mehr ändern. Die Fragen der Schadensberechnung und des Verschuldens bzw eines Rechtsirrtums der Beklagten seien mit den Parteien zur Vermeidung einer Überraschungsentscheidung zu erörtern und gegebenenfalls seien dazu Beweise aufzunehmen. Das Berufungsgericht ließ die Revision gegen das Teilurteil und den Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluss zu.

[3] Gegen den Aufhebungsbeschluss richtet sich der Rekurs der Beklagten mit dem Antrag auf Entscheidung in der Sache selbst im Sinn einer gänzlichen Klageabweisung; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[4] In der Rekursbeantwortung beantragt der Kläger, den Rekurs zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[5] Der Rekurs ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 526 Abs 2 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.

[6] 1. Die Beklagte führt im Rekurs aus, dass bei der Berechnung der Schadenshöhe auch Vorteile zu berücksichtigen seien und meint, der ursprüngliche Schaden würde durch solche Vorteile – die Herbeiführung des vertragsgemäßen Zustands des Fahrzeugs durch das Software‑Update sowie Nutzungsvorteile und den Restwert des Fahrzeugs – zur Gänze „aufgezehrt“.

[7] 1.1. Zur Vorteilsausgleichung im Schadenersatzrecht besteht umfangreiche höchstgerichtliche Rechtsprechung. Die Berücksichtigung von Vorteilen kommt nur gegenüber sachlich und zeitlich kongruenten Schadenersatzansprüchen in Betracht (RS0114259). Die Vorteilsausgleichung hat nicht von Amts wegen zu erfolgen, sondern nur über Einwendung des Schädigers, den für deren Voraussetzungen die Behauptungs‑ und Beweislast trifft (RS0036710). Demnach hat der Schädiger konkret die Umstände zu behaupten, die einen Vorteilsausgleich rechtfertigen; dazu gehört auch ein substantiiertes Vorbringen des Schädigers zur sachlichen und zeitlichen Kongruenz (RS0036710 [T6]).

[8] 1.2. Auf einen anzurechnenden „Restwert“ des Fahrzeugs hat sich die Beklagte im Verfahren erster Instanz nicht gestützt, sodass auf die diesbezüglichen Ausführungen wegen des Neuerungsverbots nicht weiter einzugehen ist.

[9] 1.3. Soweit die Beklagte „Nutzungsvorteile“ und den Wegfall des Minderwerts infolge Beseitigung der unzulässigen Abschalteinrichtung durch das Software‑Update (ca zehn Jahre nach Erwerb des Fahrzeugs) im Rekurs als im Rahmen der Vorteilsausgleichung zu berücksichtigende Vorteile einwendet, leitet sie dies nicht aus der angeführten höchstgerichtlichen Rechtsprechung ab, insbesondere lassen sich dem Rekurs keine Ausführungen zur sachlichen und zeitlichen Kongruenz entnehmen, sodass schon deswegen keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufgezeigt wird.

[10] 1.4. Im Übrigen betrifft die Frage der Vorteilsausgleichung die Höhe des Anspruchs (vgl RS0022788 [T5]). Die Beurteilung des Berufungsgerichts, nach der die Schadensberechnung mit den Parteien zur Vermeidung einer Überraschungsentscheidung zu erörtern sei, bekämpft die Beklagte im Rekurs jedoch nicht, sodass sich die Frage der Vorteilsausgleichung im derzeitigen Verfahrensstadium nicht stellt.

[11] 2. Letzteres trifft auch auf den Einwand der Beklagten zu, wonach ein allfälliger Minderwert im vorliegenden Fall nur mit 5 % des vereinbarten Kaufpreises anzusetzen sei, sodass der Rekurs auch insofern keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO zur Darstellung bringt.

[12] 3. Die Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens, wonach ihr nicht einmal ein fahrlässiger Verstoß gegen die emissionsrechtlichen Bestimmungen zum Vorwurf gemacht werden könne, lässt nicht erkennen, inwiefern die Beklagte die Beurteilung des Berufungsgerichts in Zweifel zieht, das das Verfahren (auch) in diesem Punkt als ergänzungsbedürftig ansah.

[13] 4. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Der Kläger hat auf die Unzulässigkeit des Rekurses hingewiesen (RS0123222 [T8, T14]).

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