OGH 8Ob116/23a

OGH8Ob116/23a15.2.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Tarmann‑Prentner, Mag. Korn, MMag. Matzka und Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B* GmbH, *, vertreten durch Poduschka Partner Anwaltsgesellschaft mbH in Linz, gegen die beklagte Partei M* AG, *, vertreten durch GPK Pegger Kofler & Partner Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen 11.220 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 2. August 2023, GZ 22 R 113/23f‑48, mit dem der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Bezirksgerichts Oberndorf vom 22. Februar 2023, GZ 3 C 554/21h‑43, nicht Folge gegeben wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0080OB00116.23A.0215.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagenden Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 860,75 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Die Klägerin erwarb einen PKW Mercedes Benz C 250d 4MATIC als Gebrauchtwagen um 37.400 EUR. Verbaut ist darin ein Dieselmotor OM 651 mit 150 kW. Das Fahrzeug unterliegt der Euro‑Abgasnorm 6. Die Beklagte ist die Herstellerin des Fahrzeugs. Der Kaufpreis entsprach dem objektiven Wert eines mangelfreien Fahrzeugs.

[2] Das Fahrzeug verfügt über eine EG-Typengenehmigung ausgestellt vom Deutschen Kraftfahrtbundesamt (KBA). Das KBA vertritt den Standpunkt, dass dieser Fahrzeugstyp keine unzulässige Abschalteinrichtung oder Konformitätsabweichung hinsichtlich des Emissionsverhaltens aufweist. Am 29. 7. 2021 wurde anlässlich eines Werkstättentermins das Software‑Update am Fahrzeug der Klägerin aufgespielt.

[3] Im Herbst 2021 verkaufte die Klägerin das Fahrzeug an einen Händler zum angemessenen Preis von 27.000 EUR. Das Klagsfahrzeug unterlag keiner Wertminderung, weder zum Zeitpunkt des Kaufs noch zum Zeitpunkt des Weiterverkaufs.

[4] Das Vorliegen einer Abschalteinrichtung konnte nicht festgestellt werden.

[5] Die Kägerin begehrt 11.220 EUR, 30 % des für das Fahrzeug geleisteten Kaufpreises, gestützt auf listige Irreführung, deliktischen Schadenersatz, absichtliche sittenwidrige Schädigung, Schutzgesetzverletzung, Schadenersatz aufgrund Garantieerklärung. Sie bringt vor, die Beklagte hafte für die im Fahrzeug verbauten unzulässigen Abschalteinrichtungen. Sie habe die Manipulationen vorsätzlich und sittenwidrig getätigt und bewusst verschwiegen. Der Schaden der Klägerin liege darin, dass sie ein überteuertes Fahrzeug erworben habe, für das sie bei Kenntnis der wahren Umstände um 30 % weniger bezahlt hätte.

[6] Die Beklagte bestreitet. Im Fahrzeug sei keine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut. Bei der Gestaltung des Emissionskontrollsystems sei die Beklagte jedenfalls einer vertretbaren Rechtsauffassung gefolgt. Das Fahrzeug habe jederzeit die Bedingungen des NEFZ erfüllt. Es verhalte sich auf der Straße unter vergleichbaren Bedingungen wie am Prüfstand. Die NOx‑Grenzwerte würden nicht überschritten. Das KBA sehe eine temperaturabhängige Steuerung der Abgasrückführung noch heute als zulässig an. Der Entzug der EG‑Typengenehmigung oder der Zulassung sei daher nicht zu erwarten. Die Klägerin habe ein den gesetzlichen Bestimmungen entsprechendes, verkehrs‑ und fahrtüchtiges und zur Nutzung uneingeschränkt taugliches Fahrzeug erhalten.

[7] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

[8] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Der Klägerin sei kein Schaden entstanden, da keine Wertminderung habe festgestellt werden können. Selbst wenn man vom Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgehe, was weder unstrittig noch festgestellt sei, sei die Klägerin zu keinem Zeitpunkt mit der objektiven Unsicherheit hinsichtlich der Fahrzeugnutzung konfrontiert gewesen.

[9] Die Revision an den Obersten Gerichtshof wurde vom Berufungsgericht zugelassen, weil die Rechtsfrage, wann es beim Käufer eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestatteten Fahrzeugs zu einem Schadenseintritt komme, vom Obersten Gerichtshof bisher unterschiedlich beurteilt worden sei.

[10] Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Klägerin mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen dahingehend abzuändern, dass der Klage stattgegeben werden, in eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[11] Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[12] Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung (§ 502 Abs 1 ZPO) nicht zulässig.

[13] 1. Ob tatsächliche Behauptung einer Partei iSd § 267 ZPO als zugestanden gelten, hat das Gericht unter sorgfältiger Berücksichtigung des gesamten Inhalts des gegnerischen Vorbringens nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls zu beurteilen (7 Ob 226/14g mwN). Die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs lässt in der Regel den Schluss von einer unterbliebenen Bestreitung auf ein schlüssiges Geständnis nur zu, wenn gewichtige Indizien dafür sprechen (RIS‑Justiz RS0040078 [T6]; RS0039927 [T13]). Dem Berufungsgericht ist hier keine vom Obersten Gerichtshof zu korrigierende Fehlbeurteilung unterlaufen.

[14] Die Beklagte hat im Verfahren ausdrücklich bestritten, dass im Fahrzeug eine Abschalteinrichtung eingebaut wurde sowie dass eine temperaturabhängige Reduktion der Abgasrückführung in der von der Klägerin behaupteten Form vorliegt. Richtig ist nur, dass die Beklagte eine Abhängigkeit des aus verschiedenen Komponenten bestehenden Emissionskontrollsystems (darunter Abgas-rückführung und Abgasnachbehandlung) von diversen Umweltfaktoren vorgebracht hat.

[15] Wenn das Berufungsgericht dies nicht als Zugeständnis der Voraussetzungen des Vorliegens einer Abschalteinrichtung iSd VO 715/2007/EG angesehen, hält sich das im Rahmen des gesetzlich eingeräumten Ermessenspielraums.

[16] 2. Dass sich aus dem Umstand, dass im Rahmen eines Services ein Software‑Update aufgespielt wurde, das Vorliegen einer Abschalteinrichtung, sei es vor oder nach dem Software‑Update, ergeben soll, ist nicht nachvollziehbar. Dass Software‑Updates oftmals aufgrund von technischen Verbesserungen erfolgen, ohne dass dies in Zusammenhang mit der versuchten Beseitigung eines rechtwidrigen Zustands steht, kann als allgemein bekannt vorausgesetzt werden.

[17] 3. Das grundsätzliche Vorliegen einer Abschalteinrichtung iSd Art 5 Abs 2 Satz 1 VO 715/2007/EG ist aber von der Klägerin zu beweisen. Die in der Revision zitierten Entscheidungen betreffen die Beweislast in Fällen, in denen das Fahrzeug nach den Feststellungen eine Abschalteinrichtung aufwies bzw dies tatsächlich unstrittig war.

[18] 4. Soweit die Klägerin sekundäre Feststellungsmängel geltend macht, übergeht sie, dass das Erstgericht (unbekämpft) gerade nicht feststellen konnte, ob eine Abschalteinrichtung „in den von der Klägerin vorgetragenen Punkten“ (gemeint offenbar in der von der Klägerin vorgetragenen technischen Form) im Fahrzeug eingebaut war. Damit ist nicht vom Fehlen entsprechender Feststellungen auszugehen.

[19] Soweit die Klägerin Feststellungen zu vorsätzlichem Verhalten von Entscheidungsorganen im Zusammenhang mit der Entwicklung der Adblue‑Technologie vermisst, ist sie darauf zu verweisen, dass sie ein diesen nunmehr gewünschten Feststellungen entsprechendes Vorbringen überhaupt nicht erstattet hat. Darauf war daher schon deshalb nicht weiter einzugehen.

[20] 5. Steht aber schon kein rechtswidriges Verhalten der Beklagten fest, kommt es auf die Berechnungsmodalitäten hinsichtlich eines allfälligen Schadens der Klägerin nicht an.

[21] 6. Mangels Geltendmachung einer erheblichen Rechtsfrage ist die Revision der Klägerin daher zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht.

[22] 7. Die Kostenentscheidung gründet auf §§ 41, 50 ZPO (RS0123222). Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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