European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0080OB00011.24M.0215.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Unterhaltsrecht inkl. UVG
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Begründung:
[1] Die Mutter ist zur Leistung eines laufenden Unterhalts von 480 EUR monatlich für ihren Sohn verpflichtet. Dieser stellte den Antrag, der Mutter die Zahlung der Anschaffungskosten eines Laptops samt Zubehör in Höhe von 398,34 EUR als Sonderbedarf aufzutragen. Das Gerät diene seinem schulischen Fortkommen. Ab Herbst 2023 sei es für den dann geplanten Besuch einer Handelsakademie notwendig.
[2] Das Erstgericht gab dem Antrag statt. Die Anschaffung eines für den Schulbesuch erforderlichen Laptops begründe einen unterhaltsrechtlichen Sonderbedarf. Da der auferlegte Geldunterhalt aktuell im Jahre 2023 nicht die Regelbedarfsgrenze erreiche, seien die Anschaffungskosten darin nicht gedeckt.
[3] Das Rekursgericht gab dem Rechtsmittel der Mutter Folge und wies den Antrag ab.
[4] Bei den Kosten eines Laptops bzw Notebooks in der gegenständlichen Höhe handle es sich um einen Aufwand, der inzwischen für die Mehrzahl der unterhaltspflichtigen Kinder der gleichen Altersgruppe anfalle. Derartige Kosten seien bei der Bemessung des laufenden Unterhalts eines Jugendlichen dieses Alters berücksichtigt und stellten keinen Sonderbedarf dar. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil derzeit eine abweichende ständige Rechtsprechung der Gerichte zweiter Instanz vorliege und die Anschaffung eines Laptops auch in einer älteren höchstgerichtlichen Entscheidung als Sonderbedarf beurteilt worden sei.
[5] Der dagegen gerichtete Revisionsrekurs des Antragstellers strebt die Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses an. Die Mutter beteiligte sich am Verfahren dritter Instanz nicht.
[6] Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht dargelegten Grund zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, aber nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
[7] 1. Als Sonderbedarf gilt ein Mehrbedarf eines unterhaltsberechtigten Kindes, der sich aus der Berücksichtigung der beim Regelbedarf (allgemeiner Durchschnittsbedarf) bewusst außer Acht gelassenen Umstände des Einzelfalls ergibt (RIS‑Justiz RS0117791; RS0047564; vgl RS0109908). Sonderbedarf wird durch Momente der Außergewöhnlichkeit, Dringlichkeit und Individualität bestimmt (RS0047539), tritt also nicht mit weitgehender Regelmäßigkeit bei der Mehrzahl der unterhaltsberechtigten Kinder auf (RS0047539 [T3]). Die Beurteilung, ob Sonderbedarf vorliegt, ist immer eine solche des Einzelfalls (vgl RS0007204 [T5]). Auch Kosten der Ausbildung können dazu gehören (RS0107180; RS0109908), soweit sie den allgemein für jedes Kind anfallenden Bedarf übersteigen (6 Ob 643/95; 9 Ob 53/10z).
[8] 2. Zur Frage, ob die Tragung der Anschaffung eines Schullaptops aus den laufenden Unterhaltsleistungen zugemutet werden kann (dagegen noch 3 Ob 135/03d; 9 Ob 53/10z) hat das Rekursgericht zutreffend ausgeführt, dass das Erfordernis eines Laptops in höheren Schulen in der Gegenwart regelmäßig keinen besonderen Ausnahmefall mehr darstellt. Die Verwendung von Laptops an den Schulen wurde in Österreich seit Jahren forciert und seit 2021/22 ab der 5. Schulstufe Laptops mit staatlicher Förderung unter geringer Kostenbeteiligung der Eltern flächendeckend eingeführt.
[9] Der Antragsteller kam nach dem Akteninhalt aufgrund seines Geburtsjahrgangs noch nicht in den Genuss der Förderaktion, weshalb die Anschaffungskosten eines Laptops für ihn im Einzelfall grundsätzlich noch einen Sonderbedarf bilden könnten. Dies entspricht auch der vorliegenden höchstgerichtlichen Rechtsprechung (9 Ob 53/10z; 1 Ob 124/07b; 10 Ob 61/05a), wobei die jüngste einschlägige Entscheidung bereits rund 10 Jahre zurückliegt.
[10] 3. Selbst bei Bejahen einer grundsätzlichen Eignung der Ausgabenkategorie liegt allerdings Sonderbedarf, der eine Ausnahme darstellt, nur bei einem „Deckungsmangel“ vor. Dieser ist gegeben, wenn der Sonderbedarf nicht aus der Differenz zwischen dem konkret bemessenen Unterhalt und dem Regelbedarf bestritten werden kann (RS0109908 [T11]; RS0047564 [T4, T5]).
[11] Im vorliegenden Fall ist zu berücksichtigen, dass bei der Festsetzung des Unterhaltsbeitrags der Mutter mit 480 EUR ein Abzug von 5 % für ein überdurchschnittliches Kontaktrecht vorgenommen wurde. In einem solchen Fall ist im Rahmen der Unterhaltsbemessung ein Sonderbedarf nur dann zu ersetzen, wenn die Aufwendungen des Kindes höher sind als die Differenz zwischen dem Regelbedarf und der laufenden monatlichen Unterhaltsverpflichtung ohne deren Kürzung (1 Ob 207/15w).
[12] Die ungekürzte Unterhaltsverpflichtung der Mutter beträgt demnach rund 505 EUR, sodass sie im Jahre 2022 den Regelbedarf des knapp 14‑jährigen Kindes von rund 450 EUR um 55 EUR monatlich überstieg.
[13] Bei einmaligen Anschaffungen, die einen Anspruch auf Sonderbedarf begründen können, ist zwecks Erzielung einer sachgerechten Lösung der Anschaffungspreis durch so viele Monate zu teilen die der Nutzungsdauer des angeschafften Gegenstands entspricht. Das jeweilige Ergebnis ist mit der Differenz zwischen Regelbedarf und zuerkanntem Unterhalt zu vergleichen (RS0047525 [T19]).
[14] Im vorliegenden Fall finden in den monatlich den Regelbedarf übersteigenden Unterhaltsbeiträgen innerhalb eines – gegenüber der üblichen Nutzungsdauer eines Laptops kurzen – Zeitraums von 8 Monaten die aufgewendeten Kosten Deckung, umso mehr, als die kommende Notwendigkeit der Anschaffung klar absehbar war.
Besondere Gründe, aus denen ihm dies ausnahmsweise nicht zumutbar gewesen wäre, wurden nicht vorgebracht (vgl dazu RS0047525 [T10]; 1 Ob 585/90 = SZ 63/81; 2 Ob 89/03g).
[15] Ab Jahresbeginn 2023 überstiegen die ungekürzten Unterhaltsbeiträge der Mutter den erhöhten Regelbedarfssatz nur mehr um rund 5 EUR monatlich. Dem kommt aber keine entscheidungswesentliche Bedeutung zu, weil der Laptop bereits im ersten Quartal 2023 angeschafft und bezahlt wurde, also keine zukünftige Belastung eintritt.
[16] 4. Die Entscheidung des Rekursgerichts liegt somit im Ergebnis im Rahmen der ständigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung.
[17] Dem Revisionsrekurs war daher keine Folge zu geben.
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