OGH 15Os145/23x

OGH15Os145/23x31.1.2024

Der Oberste Gerichtshof hat am 31. Jänner 2024 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Dr. Mann und Dr. Sadoghi und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Riffel in Gegenwart des Schriftführers Mag. Flickinger in der Strafsache gegen * D* wegen des Vergehens des schweren Betrugs nach §§ 15, 146, 147 Abs 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 12. September 2023, GZ 17 Hv 20/23f‑79, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Ulrich, des Angeklagten und des Verteidigers Mag. Stummvoll zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0150OS00145.23X.0131.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

 

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil aufgehoben, eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Sache an das Landesgericht für Strafsachen Graz verwiesen.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * D* vom Vorwurf, er habe von 2. September 2020 „bis dato“ in G* mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz, die im Verfahren zu AZ 7 Cga 49/20w des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vorsitzende Richterin sowie die fachkundigen Laienrichter durch das wahrheitswidrige Klagsvorbringen, er habe in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der F* SRL keinen „Entlassungsgrund“ gesetzt, sei sohin am 17. Juli 2020 zu Unrecht entlassen worden und es würden ihm daher das (volle) Gehalt für Juli 2020, eine Kündigungsentschädigung und Urlaubsersatzleistung sowie ein aliquoter Teil der Sonderzahlungen zustehen, somit durch Täuschung über Tatsachen, zum Zuspruch von 75.296 Euro (brutto) sowie zur Verpflichtung der beklagten Partei Fr*gesellschaft mbH (im Folgenden: Fr* GmbH) zum Ersatz der Prozesskosten in nicht näher bekannter Höhe, sohin zu einer Handlung zu verleiten versucht, die die Fr* GmbH in einem 5.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen schädigen sollte, wobei es zufolge nicht rechtskräftigen Abschlusses des Verfahrens beim Versuch blieb, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Rechtliche Beurteilung

[2] Diesen Freispruch bekämpft die Staatsanwaltschaft mit auf § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO gestützter Nichtigkeitsbeschwerde, der Berechtigung zukommt.

[3] Das Erstgericht ging davon aus, dass der Angeklagte kein falsches Tatsachenvorbringen erstattet habe, weil er subjektiv davon ausgegangen sei, keinen „Entlassungsgrund“ gesetzt zu haben.

[4] Die Tatrichter gründeten die – von der Staatsanwaltschaft bekämpften – (Negativ-)Feststellungen zur objektiven und subjektiven Tatseite (US 2, disloziert im Rahmen der Beweiswürdigung US 3 und 4) auf die als „glaubhaft und zweifelsfrei“ beurteilte Verantwortung des Angeklagten, wonach dieser stets in Absprache mit der Geschäftsführung gehandelt und kein falsches Tatsachenvorbringen erstattet habe, da er niemals Täuschungshandlungen und – nach seiner Rechtsauffassung – auch keinen „Entlassungsgrund“ gesetzt habe. Aus dessen E‑Mails lasse sich bloß eine Verantwortungsübernahme in wirtschaftlicher Hinsicht, nicht aber dessen Eingeständnis, einen Entlassungsgrund verwirklicht zu haben, ableiten.

[5] Daran würden auch die Aussagen der Zeugen Mag. * J*, Mag. * R*, Dr. * S*, * G*, * B*, * P*, * A*, * H*, * D* und * C* nichts ändern, welche „glaubhaft zum Handeln des Angeklagten für die F* SRL“ ausgesagt hätten, „was jedoch der Angeklagte als rechtmäßiges Handeln interpretierte bzw bezeichnete und aufgefasst hat, zumal sein Handeln mit der Geschäftsführung in Wien abgesprochen war und sohin dieses bzw sein Handeln für ihn keinen Entlassungsgrund darstellt bzw darstellte“ (US 4).

[6] Zutreffend zeigt die Beschwerdeführerin Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) dieser Begründung zufolge Unterlassung der Erörterung erheblicher Passagen aus den Angaben der – pauschal als glaubwürdig beurteilten – Aussagen der Zeugen Mag. J* und Dr. S* auf.

[7] Mag. J* hatte als Geschäftsführer der Fr* GmbH ausgesagt, dass die Malversationen des Angeklagten zum Nachteil des Unternehmens (Gründung von Scheinfirmen, Einbehaltung von Mitarbeiterprämien, Fälschung von Bilanzen, Bezug erhöhter Bonifikationen) nicht mit der Geschäftsführung akkordiert gewesen seien und zu seiner Entlassung geführt hätten. Der Angeklagte habe die Entlassung akzeptiert und eingestanden, gegen Regeln verstoßen zu haben (ON 51.4, 3 ff in ON 22).

[8] Rechtsanwalt Dr. S*, der im Auftrag der Geschäftsleitung unter Vorhalt begangener Straftaten die Entlassung des Angeklagten ausgesprochen hatte, deponierte im Rahmen seiner Vernehmung, dass dieser die Entlassung ausdrücklich anerkannt und zugegeben habe, Verbrechen begangen zu haben (ON 51.4, 12 in ON 22).

[9] Unbeschadet des Gebots zur gedrängten Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO; RIS-Justiz RS0106642 [T1]) hätte es daher unter dem Aspekt der Z 5 zweiter Fall einer Auseinandersetzung mit diesen von der Anklagebehörde relevierten, erheblichen (RIS-Justiz RS0118316 [T7, T8]), in der Hauptverhandlung vorgekommenen (§ 258 Abs 1 StPO, ON 78 S 5 f) Verfahrensergebnissen, die der Nichtannahme der objektiven und subjektiven Tatseite in Ansehung des Prozessbetrugs entgegenstehen, bedurft (RIS-Justiz RS0098646). Dies hätte eine von den tatsächlichen Konstatierungen abweichende Beurteilung entscheidender Tatsachen ermöglicht (vgl RIS‑Justiz RS0099578 [insb T4]).

[10] Die korrespondierende Rechtsrüge (Z 9 lit a) zeigt zudem auf, dass Feststellungen zu den objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmalen des Vergehens des schweren Betrugs nach §§ 15, 146, 147 Abs 2 StGB aus den mit Stillschweigen übergangenen Beweisergebnissen sowie weiteren Deponaten von Zeugen zu malversivem und solcherart einen Entlassungsgrund darstellendem Handeln des Angeklagten sowie zur subjektiven Tatseite auch aus dem äußeren Tatgeschehen indiziert sind. Sie entspricht damit ebenfalls den Kriterien erfolgreicher Freispruchsanfechtung (RIS-Justiz RS0127315).

[11] Weil schon diese aufgezeigten Mängel die Aufhebung des angefochtenen Urteils, die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung und die Verweisung der Sache an das Landesgericht für Strafsachen Graz erfordern (§ 288 Abs 2 Z 1 StPO), erübrigt sich ein Eingehen auf das weitere Beschwerdevorbringen.

[12] Es war daher – entgegen der Stellungnahme der Generalprokuratur – spruchgemäß zu entscheiden.

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