OGH 7Ob151/23s

OGH7Ob151/23s24.1.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Solé als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich, Dr. Weber und Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A* Rechtsanwalts GmbH, *, gegen die beklagte Partei S* Gesellschaft m.b.H., *, vertreten durch Dr. Carl Knittl, Rechtsanwalt in Wien, wegen Herausgabe, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 30. Mai 2023, GZ 4 R 170/22g‑36, mit dem das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 29. August 2022, GZ 20 Cg 70/21m‑32, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0070OB00151.23S.0124.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.355,90 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 392,65 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

[1] Die Klägerin ist eine Rechtsanwalts‑GmbH; sie schloss mit der beklagten Immobilienmakler‑Gesellschaft im Herbst 2020 einen Maklervertrag, um in * eine geeignete Immobilie für Bürozwecke der Klägerin zu finden. Die Beklagte hatte bereits einen Maklervertrag mit der damaligen Eigentümerin der klagsgegenständlichen Immobilie zum Verkauf dieser Liegenschaft abgeschlossen (kein Alleinvermittlungsvertrag). Den Geschäftsführern der Klägerin war die Preisvorstellung der Eigentümerin von 1.050.000 EUR vorerst zu hoch. Die Klägerin beauftragte die Beklagte, zunächst ein Erstangebot über 500.000 EUR zu legen und räumte der Beklagten gleichzeitig Pouvoir bis zu einem Gesamtbudget von 750.000 EUR (inklusive sämtlicher Nebengebühren) ein. Diese Verhandlungen führten zunächst zu keinem Ergebnis. Anfang des Jahres 2021 reduzierte die Eigentümerin ihre Preisvorstellungen auf 830.000 EUR. Da die Vorstellungen der Klägerin bei 790.000 EUR lagen, kam es noch zu keinem Vertragsschluss. Am 9. 2. 2021 erkundigte sich die Eigentümerin beim Geschäftsführer der Beklagten telefonisch nach dem Stand der Dinge. Nachdem von der Klägerin kein verbindliches Angebot in der von der Eigentümerin erwarteten Höhe gelegt worden war, erörterten sie abermals den Kaufpreis. Da die Eigentümerin – auch über Empfehlung des Geschäftsführers der Beklagten – endlich zu einem Abschluss kommen wollte, nannte sie verbindlich als letzten Kaufpreis 800.000 EUR. Der Geschäftsführer der Beklagten hatte spätestens zu diesem Zeitpunkt die Absicht, die Liegenschaft selbst zu erwerben, teilte dies aber weder der Eigentümerin noch der Klägerin mit, sondern übermittelte der Klägerin den Betrag von 800.000 EUR nicht als verbindliches Angebot der Eigentümerin, sondern nur als einen Betrag, bei dem er sich vorstellen könne, dass auch die Eigentümerin ihn annehmen werde, wenn ihn die Klägerin vorschlage. Die Klägerin hätte das Angebot der Eigentümerin über 800.000 EUR angenommen, wenn es ihr mitgeteilt worden wäre und auch die sie treffende Provisionspflicht erfüllt. In Unkenntnis des Umstands, dass das Angebot der Eigentümerin verbindlich gemeint war, bot die Klägerin 790.000 EUR zuzüglich 2 % Provision an, in der Hoffnung, ein Gegenangebot der Eigentümerin über 800.000 EUR zu erhalten und annehmen zu können. Das Angebot der Klägerin war mit 23. 2. 2021 befristet; da sich die Beklagte weigerte, auf 1 % ihrer Provision zu verzichten, modifizierte die Klägerin ihr Angebot letztlich auf 780.000 EUR zuzüglich 3 % Provision. Am 16. 2. 2021 rief der Geschäftsführer der Beklagten die Eigentümerin an und teilte ihr mit, er habe das Angebot über 800.000 EUR weitergeleitet, aber keine Antwort bekommen und fragte, ob die Eigentümerin bereit wäre, die Liegenschaft ihm um 800.000 EUR zu verkaufen. Die Eigentümerin war damit einverstanden. Am 23. 2. 2021 stellte der Geschäftsführer der Klägerin fest, dass die Liegenschaft aus dem Internet entfernt worden war, weshalb er am 24. 2. 2021 mit der Eigentümerin telefonisch Kontakt aufnahm, die ihm den Verkauf an die Beklagte mitteilte. Der Geschäftsführer der Klägerin konfrontierte dann den Geschäftsführer der Beklagten mit dem Vorwurf des Vertragsbruchs und forderte ihn auf, von der Erfüllung des Vertrags Abstand zu nehmen, was dieser ablehnte. Am 31. 3. 2021 wurde zwischen der Eigentümerin und der Beklagten ein verbücherungsfähiger Kaufvertrag über einen Kaufpreis über 777.000 EUR erstellt und in weiterer Folge verbüchert. Der Betrag kam dadurch zustande, dass es dem Geschäftsführer der Beklagten gelang, der Eigentümerin zu erklären, sie hätte Provision zu bezahlen gehabt, wäre die Liegenschaft an die Klägerin um 800.000 EUR verkauft worden.

[2] Die Klägerin begehrt, die Beklagte schuldig zu erkennen, Zug um Zug gegen Zahlung von 777.000 EUR die klagsgegenständliche Liegenschaft lastenfrei zu stellen und in die Einverleibung des Eigentumsrechts an dieser Liegenschaft für die Klägerin einzuwilligen; eventualiter Zug um Zug gegen die Zahlung von (zuletzt) 800.000 EUR.

[3] Die Beklagte habe durch die unrichtig weitergegebenen Informationen und den letztlich von ihr selbst getätigten Ankauf der Liegenschaft ihre Pflichten aus dem Maklervertrag gröblich verletzt und insbesondere gegen Aufklärungs‑, Informations‑ und Treuepflichten verstoßen. Sie schulde die Herausgabe der ihr unberechtigt zugekommenen Vorteile gemäß § 1009 ABGB (analog) und aus allgemeinen schadenersatzrechtlichen Grundsätzen. Es gelte das Primat der Naturalrestitution.

[4] Die Beklagte bestreitet eine Pflichtverletzung; § 1009 ABGB sei nicht anzuwenden, weil weder ein Auftrags‑ noch ein Vollmachtsverhältnis vorgelegen habe. Die Klägerin habe keinesfalls einen Herausgabeanspruch; es könnten ihr lediglich Vertrauensschäden ersetzt werden. Im Übrigen müsse die Klägerin ihr sämtliche Aufwendungen ersetzen, die die Beklagte inzwischen auf die Liegenschaft getätigt habe.

[5] Das Erstgericht gab dem Klagebegehren Zug um Zug gegen Zahlung von 777.000 EUR sowie den Ersatz der notwendigen und nützlichen Erhaltungs‑ und Sanierungsarbeiten, die durch die Beklagte veranlasst bzw ausgeführt worden sind, statt.

[6] Die Beklagte habe gegen ihre Verpflichtungen aus dem Maklervertrag verstoßen, dieser enthalte auch Elemente des Auftragsvertrags, weshalb zumindest analog § 1009 ABGB ein Herausgabeanspruch bestehe. Im Übrigen habe sich die Beklagte auch vorsätzlich sittenwidrig verhalten und hafte schadenersatzrechtlich. Aufgrund des Primats der Naturalrestitution sei die Klägerin so zu stellen, wie sie ohne das schädigende Ereignis stünde. In dem Fall hätte die Klägerin die Liegenschaft um 800.000 EUR erworben; es wäre aber unbillig, der Beklagten mehr zukommen zu lassen, als sie selbst bezahlt hätte, weshalb es bei einer Gegenleistung von 777.000 EUR zu bleiben habe.

[7] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten teilweise Folge und gab dem Klagebegehren Zug um Zug gegen Zahlung von 796.591,57 EUR statt. Ausgehend von massiven Pflichtverletzungen der Beklagten bejahte es deren Herausgabeanspruch aufgrund (subsidiärer Anwendbarkeit) von § 1009 ABGB. Den zahlenmäßig nicht spezifizierten Zug‑um‑Zug – Ausspruch des Erstgerichts erachtete es als zu unbestimmt und setzte den der Beklagten – als unredliche Besitzerin – zustehenden Ersatz ihrer notwendigen und nützlichen Aufwendungen mit 19.591,57 EUR fest.

[8] Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten aus den Gründen der Nichtigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung in eine Klagsabweisung; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.Die Revision wendet sich gegen dieHeranziehung von § 1009 ABGB durch das Berufungsgerichtund argumentiert weiters mit einer in § 3 Abs 4 MaklerG getroffenen abschließenden Regelung von Pflichtverstößen des Maklers, weshalb für die Anwendung von § 1009 ABGB kein Raum verbleibe.

[9] Die Klägerin beantragt in ihrer vom Obersten Gerichtshof freigestellten Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[10] Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, aber nicht berechtigt.

1. Zum Auftragsvertrag:

[11] 1.1. § 1009 Satz 1 ABGB umschreibt die Hauptleistungspflicht des Bevollmächtigungsvertrags. Inhalt des Vertrags ist eine Geschäftsbesorgung für den Machtgeber; der Machthaber hat das aufgetragene Geschäft zu besorgen. Die Geschäftsbesorgung gehört zum Mindestinhalt des Auftrags‑ bzw Bevollmächtigungsvertrags (vgl Hartlieb/Zollner in Rummel/Lukas/Geroldinger, ABGB4 § 1009 Rz 5 mwN; P. Bydlinski in KBB7, § 1009 Rz 1). Die Pflicht, den aus der Geschäftsbesorgung erlangten Nutzen herauszugeben, folgt schon daraus, dass der Machthaber auf Rechnung des Machtgebers tätig wird. Die Herausgabe vollendet die Geschäftsbesorgung als Hauptpflicht. Der Herausgabeanspruch des Machtgebers ist ein schuldrechtlicher Erfüllungsanspruch, kein Schadenersatzanspruch (Hartlieb/Zollner aaO Rz 10 mwN).

[12] 1.2. § 1009 S 1 ABGB erfasst allen dem Geschäft entspringenden Nutzen, damit auch solche Vorteile, die der Machthaber pflichtwidrig erlangt (vgl Baumgartner/U. Torggler in Fenyves/Kerschner/Vonkilch Klang3 [2019] § 1009 ABGB Rz 96 mwN). Der Machthaber hat auch vermögenswerte Vorteile aus Rechtsgeschäften herauszugeben, die der Beauftragte unter Ausnützung einer dem Auftraggeber zugewiesenen Geschäftschance erlangt hat. Wenn er etwa das ihm aufgetragene Ausführungsgeschäft nicht für den Auftraggeber (und gebotenenfalls in dessen Namen), sondern stattdessen auf eigene Rechnung schließt, kann der Auftraggeber als Vertragserfüllung die Vorteilsherausgabe fordern (vgl Rubin in ABGB-ON1.03 § 1009 Rz 17 f).

2. Zum Maklervertrag:

[13] 2.1. Der Makler bringt potenzielle Vertragspartner zusammen und bewegt sie zum Geschäftsabschluss. Er verfügt damit über keine Vertretungsmacht für den Auftraggeber. Anderes gilt allerdings dann, wenn der Geschäftsherr den Makler im Einzelfall bevollmächtigt hat. Das Rechtsverhältnis zwischen dem Auftraggeber und dem Makler ist weder Bevollmächtigungs‑ noch Auftragsvertrag. Der Maklervertrag ist auch keine Unterart des Auftragsvertrags, sondern ein Vertrag sui generis (vgl Hartlieb/Zollner in Rummel/Lukas/Geroldinger, ABGB4 § 1002 Rz 171; P. Bydlinski in KBB7, § 1002 Rz 8; vgl auch Baumgartner/U. Torggler in Fenyves/Kerschner/Vonkilch Klang3 § 1002 ABGB Rz 96, die von einem Vertrag sui generis sprechen, der auftragsrechtliche Elemente aufweist).

[14] 2.2. In der Literatur wird daher für auftragsrechtliche Elemente des Maklervertrags eine subsidiäre Anwendung der §§ 1002 ff vertreten; es kann damit auf die Teile des Maklervertrags, die entsprechende auftragsrechtliche Elemente aufweisen, Auftragsrecht zur Anwendung kommen (vgl etwa Hartlieb/Zollner in Rummel/Lukas/Geroldinger, ABGB4 Rz 171; Rubin in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.03 § 1002 Rz 19; Baumgartner/U. Torggler in Fenyves/Kerschner/Vonkilch Klang3 § 1002 ABGB Rz 96).

3. Umgelegt auf den vorliegenden Fall bedeutet das:

[15] 3.1. Die Parteien haben hier unstrittig einen Maklervertrag geschlossen; die Klägerin hat aber die Beklagte darüber hinaus nach Vermittlung des gegenständlichen Objekts zusätzlich mit einer Anbotslegung beauftragt. Der Vertragsschluss kam zwar vorerst nicht zustande; die weiteren Bemühungen der Klägerin gingen allerdings eindeutig in Richtung eines von ihr gewünschten Geschäftsabschlusses, dies auch zu einem höheren Preis, was die Beklagte wusste. Die Beklagte hat durch die unrichtige und unvollständige Informationsweitergabe ihre Pflichten gröblich verletzt. Der von der Klägerin gewünschte Vertragsabschluss, der nach den Feststellungen auch zustande gekommen wäre, wurde letztlich nur durch die Pflichtverletzungen der Beklagten verhindert, wobei die Beklagte nach den Feststellungen die Pflichtverletzung auch gerade im Hinblick auf die von ihr geplante Ausnützung dieser Gelegenheit für sich selbst begangen hat. Die auftragsrechtliche Pflichtverletzung der Beklagten führt damit unmittelbar zur Anwendung des auftragsrechtlichen Herausgabeanspruchs nach § 1009 ABGB.

[16] 3.2. Damit hat die Klägerin einen Herausgabeanspruch gegen die Beklagte, der auf die Herausgabe der – durch die Ausnützung der der Klägerin zugewiesenen Geschäftschance auf Erwerb der Liegenschaft von der Verkäuferin – der Beklagten zugekommenen Liegenschaft gerichtet ist.

[17] 4. Dem steht der von der Revision argumentierte abschließende Regelungscharakter der Bestimmungen des § 3 Abs 4 und § 5 Abs 2 MaklerG bereits deshalb nicht entgegen, weil sich der Anspruch aus dem Auftragsverhältnis ableitet.

5. Zum Zug‑um‑Zug‑Begehren:

[18] 5.1. Die Klägerin geht im Rahmen ihres Klagebegehrens selbst von einer Herausgabe Zug um Zug gegen den von der Beklagten für die Liegenschaft bezahlten Kaufpreis aus.

[19] 5.2. Auf die vom Berufungsgericht zusätzlich in Anschlag gebrachten Aufwendungen der Beklagten auf die Liegenschaft geht die Beklagte im Rahmen ihrer Rechtsrüge nicht ein. Die Richtigkeit der Beurteilung dieser selbständigen Rechtsfrage ist daher vom Obersten Gerichtshof nicht zu prüfen (RS0043338).

[20] 5.3. Die in diesem Zusammenhang – als Nichtigkeit – ausschließlich geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt – wie der Oberste Gerichtshof geprüft hat – nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

[21] 6. Der Revision war daher keine Folge zu geben.

[22] 7. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

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