OGH 8ObA74/23z

OGH8ObA74/23z11.1.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Tarmann‑Prentner und den Hofrat Dr. Thunhart und die fachkundigen Laienrichter Helmut Purker(aus dem Kreis der Arbeitgeber) und ADir. Gabriele Svirak (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in derArbeitsrechtssache der klagenden Partei Ö* GmbH, *, vertreten durch die Kunz Wallentin Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei H*, vertreten durch Burmann em. Wallnöfer Suitner Auer Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen 5.056,22 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgerichtin Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 24. Oktober 2023, GZ 13 Ra 23/23i‑54, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:008OBA00074.23Z.0111.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Arbeitsrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Der Beklagte war bei der Klägerin beschäftigt und sollte als Triebfahrzeugführer verwendet werden. Anlässlich des Dienstvertrags vom 16. 5. 2019 wurde vereinbart, dass der Kläger die Ausbildung zum Triebfahrzeugführer absolviert und die Klägerin die Ausbildungskosten von 14.003,66 EUR in der Erwartung übernimmt, dass das Dienstverhältnis „nach Abschluss der Ausbildungsmaßnahme zumindest drei Jahre“ fortgesetzt wird. Der Beklagte verpflichtete sich zur (aliquoten) Rückzahlung dieser Kosten, wenn er das Dienstverhältnis „vor Ablauf dieser Frist“ kündigt, entlassen wird oder unberechtigt austritt. Für den Fall, dass er die Ausbildung aus von ihm zu vertretenden Gründen „vorzeitig abbricht“, hatte er die von der Klägerin „getragenen Kosten“ zurückzuzahlen.

[2] Die Ausbildung zum Triebfahrzeugführer dauert 23 Wochen, wobei mehrere aufeinander aufbauende Module zu absolvieren und danach Prüfungen abzulegen sind. Der Beklagte absolvierte die Prüfung „Fahrerlaubnis“, die auch bei anderen Eisenbahnunternehmen anerkannt wird, scheiterte aber vier Mal an der Prüfung „Infrastrukturbezogene Fachkenntnisse“, sodass ein weiterer Antritt bei der Beklagten ausgeschlossen ist. Ohne diese Prüfung darf der Beklagte kein Triebfahrzeug am Schienennetz der Klägerin führen. Die Klägerin bot dem Beklagten deshalb eine Tätigkeit als Verschieber an, was der Beklagte ablehnte. Statt dessen kündigte er das Dienstverhältnis zum 31. 8. 2020.

[3] Die Klägerin begehrt 5.056,22 EUR sA, weil der Beklagte das Dienstverhältnis aufgekündigt habe und er die durch die teilweise abgeschlossene Ausbildung vermittelten Spezialkenntnisse auch bei anderen Arbeitgebern verwerten könne.

[4] Der Beklagte wendete ein, dass ein Rückersatz der Ausbildungskosten schon deshalb nicht in Betracht komme, weil er die Ausbildung nicht erfolgreich abgeschlossen habe. Dass der Kläger die Prüfung nicht bestanden habe, liege in der Verantwortung der Klägerin, weil sie ihm keinen weiteren Antritt ermögliche.

[5] Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Der Beklagte habe durch die Ausbildung Spezialkenntnisse erworben, die er auch bei anderen Arbeitgebern verwerten könne.

[6] Das Berufungsgericht änderte die Entscheidung dahin ab, dass die Klage abgewiesen wurde. Da das Dienstverhältnis zwecks Ausbildung zum Triebfahrzeugführer eingegangen worden sei, der Beklagte diese Tätigkeit im Unternehmen der Beklagten aber ungeachtet der „Fahrerlaubnis“ mangels vollständigem Abschluss der Ausbildung nicht ausüben könne, liege keine „erfolgreich absolvierte Ausbildung“ vor, sodass ein Rückersatz der Ausbildungskosten nach § 2d Abs 1 AVRAG ausgeschlossen sei. Das Berufungsgericht ließ die Revision angesichts der Einzelfallbezogenheit der Entscheidung nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

[7] Die außerordentliche Revision ist nicht zulässig.

[8] 1. Nach § 2d Abs 1 und 2 AVRAG ist eine Vereinbarung über die Rückerstattung von Ausbildungskosten nur zulässig, wenn es sich um die Kosten einer erfolgreich absolvierten Ausbildung handelt, welche dem Arbeitnehmer Spezialkenntnisse theoretischer und praktischer Art vermittelt, die dieser auch bei anderen Arbeitgebern verwerten kann. Entscheidend ist, ob der Arbeitnehmer durch die vermittelten Kenntnisse einen wirtschaftlichen Vorteil erlangt, weil seine Fähigkeiten zunehmen und seine Berufschancen auf dem Arbeitsmarkt steigen (RIS‑Justiz RS0125435). Dies setzt nicht unbedingt voraus, dass eine Prüfung absolviert oder ein Zeugnis ausgestellt wird (RS0125435 [T3]). Auch wenn bei Ausbildungen, die eine Abschlussprüfung beinhaltet, in der Regel auch eine positive Prüfung maßgeblich ist (9 ObA 97/13z).

[9] 2. Der Beklagte konnte zwar die für die Tätigkeit als Triebwagenführer im Unternehmen der Klägerin erforderliche Ausbildung nicht abschließen, hat aber immerhin eine auch bei anderen Eisenbahnunternehmen verwertbare „Fahrerlaubnis“ erlangt. Dementsprechend begründet die Klägerin die Zulässigkeit ihrer Revision damit, dass keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage vorliege, ob § 2d AVRAG den Rückersatz von Ausbildungskosten zulässt, wenn einzelne Teilprüfungen einer modularen Ausbildung erfolgreich absolviert wurden. Auf diese Frage kommt es aber nicht an, weil eine Rückerstattung der Ausbildungskosten nach § 2d Abs 2 AVRAG stets voraussetzt, dass eine entsprechende Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer getroffen wurde.

[10] 3. Die Vereinbarung, wonach der Beklagte die Ausbildungskosten ersetzen muss, wenn er die Ausbildung „vorzeitig abbricht“, erfasst den Fall, dass er sich während der Ausbildung dazu entscheidet, die Ausbildung nicht weiter in Anspruch zu nehmen. Da der Beklagte die gesamte Ausbildung durchlaufen, aber die abschließende Prüfung nicht bestanden hat, kann von einem „vorzeitigen Abbruch“ der Ausbildung nicht gesprochen werden. Die Klägerin kann sich auch nicht auf die Vereinbarung berufen, wonach der Beklagte zum Kostenersatz verpflichtet ist, wenn er das Dienstverhältnis vor Ablauf von drei Jahren „nach Abschluss der Ausbildungsmaßnahme“ kündigt, weil er die Ausbildung nie abgeschlossen und die Frist daher nie zu laufen begonnen hat. Es würde auch dem erkennbaren Zweck der Vereinbarung widersprechen, den Beklagten für weitere drei Jahre an das Unternehmen der Klägerin zu binden, obwohl er die im Dienstvertrag vereinbarte Tätigkeit mangels abgeschlossener Ausbildung nicht ausüben kann.

[11] 4. Da ein Rückersatz der Ausbildungskosten im Fall des Nichtbestehens der zum erfolgreichen Abschluss der Ausbildung erforderlichen Prüfung keine Grundlage in der zwischen der Klägerin und dem Beklagten abgeschlossenen Vereinbarung findet und das Klagebegehren daher schon aufgrund der Vereinbarung jedenfalls abzuweisen war, ist die von der Klägerin in ihrem Rechtsmittel aufgeworfene Rechtsfrage nicht präjudiziell, sodass die außerordentliche Revision zurückzuweisen war (Lovrek in Fasching/Konecny 3 IV/1 § 502 Rz 123).

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