European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0120OS00122.23T.1123.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Fachgebiet: Suchtgiftdelikte
Spruch:
Gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO wird die vom Landesgericht Innsbruck zu AZ 26 Hv 54/22b gewährte bedingte Strafnachsicht widerrufen.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde – soweit hier von Bedeutung – M* B* der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 achter Fall SMG (A./3./ und A./4./), des Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 erster und zweiter Fall SMG (B./) und „der“ Vergehen nach § 50 Abs 1 Z 3 WaffG (C./) schuldig erkannt.
[2] Danach hat er teilweise im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit zwei Mittätern von 1. September 2022 bis 11. Jänner 2023 in H*, I* und andernorts vorschriftswidrig Suchtgift erworben, besessen und anderen in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) mehrfach übersteigenden Menge überlassen, und zwar
A./1./ ...
A./2./ ...
A./3./ 40 Gramm Cannabiskraut an * P* und zwei Gramm Kokain an * Ba* überlassen;
A./4./ 540 Gramm Cannabiskraut mit einem Reinsubstanzgehalt von 2,1 % Delta‑9‑THC (11,34 Gramm Delta-9-THC; 0,56 Grenzmengen) und 10,4 % THCA (56,16 Gramm THCA; 1,4 Grenzmengen) an Unbekannte überlassen;
B./ nachgenannte Suchtgiftquanten erworben und mit dem Vorsatz besessen, dass davon ein die Grenzmenge nach § 28b SMG mehrfach übersteigender Teil in Verkehr gesetzt werde, und zwar 2,8 Kilogramm Cannabiskraut mit einem Reinsubstanzgehalt von 2,1 % Delta-9-THC (58,8 Gramm Delta‑9‑THC; 2,94 Grenzmengen) und 10,4 % THCA (291,2 Gramm THCA; 7,28 Grenzmengen), 33,1 Gramm Cannabisharz mit einem Reinsubstanzgehalt von 29 % Delta-9-THC (9,59 Gramm Delta‑9‑THC; 0,47 Grenzmengen) und 1,66 % THCA (0,5 Gramm THCA; 0,01 Grenzmengen), 7,2 Gramm Kokain mit einem Reinsubstanzgehalt von 71,3 % Cocain (5,13 Gramm Cocain; 0,34 Grenzmengen), 23,6 Gramm Kokain mit einem Reinsubstanzgehalt von 72,2 % Cocain (17,03 Gramm Cocain; 1,13 Grenzmengen), 39,7 Gramm Kokain mit einem Reinsubstanzgehalt von 67,1 % Cocain (26,63 Gramm Cocain; 1,77 Grenzmengen) und 1,6 Gramm Kokain mit einem Reinsubstanzgehalt von 60,1 % Cocain (0,96 Gramm Cocain; 0,06 Grenzmengen) – insgesamt sohin 14 Grenzmengen;
C./ trotz aufrechten Waffenverbots (§ 12 WaffG) bis zum 11. Jänner 2023 in I* Waffen, nämlich ein Butterflymesser und zwei Dosen Pfefferspray unbefugt besessen.
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft.
[4] Zutreffend reklamiert die Subsumtionsrüge (Z 10) das Vorliegen einer ausreichenden Sachverhaltsgrundlage für die rechtliche Unterstellung der Taten zu A./3./ und A./4./ unter § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG.
[5] Das Erstgericht konstatierte zu A./3./, dass M* B* von 1. September 2022 bis 11. Jänner 2023 vorschriftswidrig 40 Gramm Cannabiskraut an P* und zwei Gramm Kokain an Ba*, „somit“ – vom bedingten Vorsatz des Angeklagten umfasst – Suchtgift „in einer die Grenzmenge übersteigenden Menge“ anderen überließ (US 7, 9).
[6] Zu A./4./ stellten die Tatrichter fest, dass M* B* mit dem Mitangeklagten S* B* im selben Zeitraum 540 Gramm Cannabiskraut mit einem Reinsubstanzgehalt von 2,1 % Delta-9-THC (11,34 Gramm Delta‑9‑THC; 0,56 Grenzmengen) und 10,4 % THCA (56,16 Gramm THCA; 1,4 Grenzmengen) vorschriftswidrig in einer die Grenzmenge übersteigenden Menge an Unbekannte überließ, wobei sie es ernstlich für möglich hielten und sich damit abfanden, das es sich um eine die Grenze übersteigende Menge handelte (US 9).
[7] Da die Verteidigung innerhalb der ihr insoweit eingeräumten Frist hinsichtlich der in Rede stehenden Feststellungen keine Begründungs‑ oder Verfahrensmängel oder erhebliche Bedenken deutlich und bestimmt bezeichnete und auch bei der diesbezüglichen amtswegigen Prüfung keine solchen Fehler zu Tage traten, waren diese Feststellungen der Entscheidung in der Sache selbst (§ 288 Abs 2 Z 3 erster Satz StPO) zugrunde zu legen (RIS‑Justiz RS0114638 [T2]). Davon ausgehend ist – wie vom Erstgericht selbst eingeräumt (US 14 f) – rechtsrichtig von einer Tatbegehung in zwei Einzelakten bei einheitlicher Tatsituation und gleicher Motivationslage und damit von einer (mit Additionsvorsatz verübten, US 9; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 19) Tat nach § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG auszugehen. Die rechtliche Annahme des § 27 Abs 1 Z 1 achter Fall SMG ist demnach verfehlt.
[8] Bleibt anzumerken, dass im Fall des Besitzes mehrerer Waffen durch ein und dieselbe Tat (US 11) nur ein Vergehen nach § 50 Abs 1 Z 3 WaffG verwirklicht wird (RIS‑Justiz RS0130142 [T1]). Solcherart ist M* B* zu C./ bloß ein Vergehen nach § 50 Abs 1 Z 3 WaffG anzulasten (siehe aber US 4). Zu amtswegigem Vorgehen nach § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO sieht sich der Oberste Gerichtshof unter ausdrücklichem Hinweis auf die verfehlte Subsumtion mangels eines darüber hinausgehenden konkreten Nachteils für den Angeklagten nicht veranlasst. Angesichts einer derartigen Klarstellung besteht auch für den Obersten Gerichtshof bei der Entscheidung über die Strafneubemessung keine Bindung an den fehlerhaften Schuldspruch (RIS-Justiz RS0118870 [T24]).
[9] In Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur ist Urteilsaufhebung wie im Spruch ersichtlich die Folge. In diesem Umfang ist in der Sache selbst zu erkennen (§ 288 Abs 2 Z 3 erster Satz StPO).
[10] Bei der erforderlichen, nach dem Strafsatz des § 28a Abs 1 SMG vorzunehmenden, Strafneubemessung wertete der Oberste Gerichtshof als erschwerend das Zusammentreffen eines Verbrechens mit mehreren Vergehen (§ 33 Abs 1 Z 1 StGB), die Vielzahl der Angriffe und, dass M* B* schon einmal wegen auf gleicher schädlicher Neigung beruhender Taten verurteilt worden ist (Landesgericht Innsbruck, AZ 26 Hv 54/22b; § 33 Abs 1 Z 2 StGB).
[11] Mildernd ist die teilweise objektive Schadensgutmachung durch Sicherstellung von Suchtgift zu werten (Riffel in WK2 StGB § 34 Rz 33).
[12] Davon ausgehend und unter Berücksichtigung des Umstands, dass das 15‑fache der Grenzmenge des § 28b SMG gerade nicht überschritten wurde (vgl US 10; RIS‑Justiz RS0088028 und RS0131986 [T1]), erweist sich eine Freiheitsstrafe im Ausmaß von 20 Monaten als tat‑ und schuldangemessen, wobei im Rahmen der allgemeinen Strafbemessung (§ 32 Abs 2 und 3 StGB) ferner als erschwerend zu berücksichtigen war, dass die Taten während offener Probezeit im raschen Rückfall begangen wurden (RIS‑Justiz RS0090597, RS0091096 [T1]).
[13] Der Gewährung auch bloß teilbedingter Strafnachsicht steht das einschlägig getrübte Vorleben entgegen.
[14] Die Anrechnung der Vorhaftzeiten beruht auf § 38 Abs 1 Z 1 StGB. Über die Anrechnung der nach Fällung des Urteils erster Instanz in Vorhaft (§ 38 StGB) zugebrachten Zeit hat gemäß § 400 Abs 1 StPO – auch im (hier vorliegenden) Fall der Strafneubemessung (RIS-Justiz RS0091624) – die Vorsitzende des Gerichts, das in erster Instanz erkannt hat, mit Beschluss zu entscheiden.
[15] Mit ihrer Berufung war die Staatsanwaltschaft auf die Strafneubemessung zu verweisen.
[16] Die Aufhebung des gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO gefassten Beschlusses war Folge der Beseitigung des diesen Angeklagten betreffenden Strafausspruchs (vgl RIS‑Justiz RS0100194). Aufgrund des äußerst raschen Rückfalls in einschlägige Delinquenz innerhalb der Probezeit war die vom Landesgericht Innsbruck zu AZ 26 Hv 54/22b gewährte bedingte Strafnachsicht (Ausmaß: neun Monate) aus spezialpräventiven Gründen (§ 53 Abs 1 erster Satz StGB) zusätzlich zur hier verhängten Sanktion zu widerrufen.
[17] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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